Stadt befürchtet horrende Mehrausgaben:Rechtsanspruch auf Krippenplatz

Von 2013 an hat jedes Kind Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. So will es die Verein-barung zwischen Bund und Ländern. Die Stadt befürchtet nun horrende Mehrausgaben.

Jan Bielicki

Ab 2013 soll es, so die Vereinbarung von Bund und Ländern, einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz geben - für die Stadt ein finanzieller Alptraum.

Die vom Bund angekündigten Zuschüsse hält Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) für bei weitem nicht genug, um Ausbau und Betrieb der Kinderkrippen zu finanzieren.

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Die nun in einer Vereinbarung zwischen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und den Ländern angekündigten Bundeshilfen für die Kinderkrippen ist für Bürgermeisterin Strobl "nicht annähernd genug". "Wir begrüßen zwar, dass der Bund jetzt anerkennt, dass er sich auch an den Betriebskosten der Kinderbetreuung beteiligen muss", sagte Strobl der Süddeutschen Zeitung. Die Kosten für den Ausbau der Krippen "bleiben aber wieder einmal an den Städten und Gemeinden hängen".

Tatsächlich machen die vom Bund versprochenen Milliarden nur einen Bruchteil dessen aus, was Bau und Betrieb von Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder kosten. So will von der Leyens Ministerium zwar bis 2013 rund 2,15 Milliarden Euro geben, um bundesweit die Zahl dieser Betreuungsplätze auf 750.000 zu verdreifachen. Für jeden neuen Platz wären das 4300 Euro. In München aber kostet der Bau einer Krippe rund 38.000 Euro pro Kleinkind. Davon trägt der Freistaat Bayern 3400 bis 5700 Euro. Der große Rest der Investitionssumme kommt aus dem Stadtetat.

Auch der versprochene Bundesbeitrag zu den Betriebskosten der Krippen deckt nur einen geringen Teil der Ausgaben. Bis 2013 will der Bund seine Zuschüsse auf dann jährlich 770 Millionen Euro steigern, für jeden der bis dahin vorgesehenen 750 000 Betreuungsplätze also gut 1000 Euro im Jahr zuzahlen.

Nur jedes sechste Kleinkind bekommt einen Platz

In München summieren sich die laufenden Kosten für einen städtischen Krippenplatz auf jährlich 15.400 Euro. Davon kommen 1900 Euro aus den von den Eltern gezahlten Gebühren und 1 800 aus den allerdings erst seit 2002 dafür fließenden Fördermitteln des Freistaates. Das heißt: Trotz der Hilfe des Bundes wird die Stadt auch künftig mehr als zwei Drittel der laufenden Ausgaben in den Krippen, nämlich 10.700 Euro pro Platz, aus ihrem eigenen Haushalt bestreiten müssen.

In München ist das ein besonderes Problem. Die Stadt wächst wie wenige andere Kommunen im Land, und mit ihr der Bedarf an Betreuungsplätzen. Obwohl München seit Antritt der rot-grünen Rathauskoalition 1990 rund 90 Millionen Euro in Bau von Krippen gesteckt hat und derzeit rund 44 Millionen Euro jährlich für den Betrieb ausgibt, findet nur jedes sechste Münchner Kleinkind Aufnahme in einer der 227 von städtischen, freien oder gewerblichen Trägern bereit gehaltenen Einrichtungen.

Genau 5903 solcher Krippenplätze zählt das Sozialreferat. Dazu können fast 2000 Kleinkinder in Elterninitiativen und bei Tagesmüttern unterkommen (siehe Grafik). Insgesamt finden nur 21 Prozent der 37 000 Münchner Kleinkinder einen Betreuungsplatz. Vielen jungen Frauen ist deswegen der Weg zurück in den Beruf erschwert, die Suche nach einem Platz erscheint vielen Eltern wie eine Odyssee durch abweisende Einrichtungen mit endlosen Wartelisten. Die CSU hat daher das Thema für ihren Kommunalwahlkampf entdeckt.

Ein Rechtsanspruch auf einen Platz würde die Stadt zwingen, ihr Krippenangebot gewaltig auszubauen. Das Ziel, es zu verdoppeln und für 43 Prozent der Münchner Kleinkinder Plätze bereit zu halten, hat sich die Stadtspitze zwar ohnehin gesetzt - aber niemand weiß, bis wann das zu schaffen ist.

Das städtische Investitionsprogramm sieht vor, bis 2011 rund 57 Millionen Euro in den Bau von gut 2400 Krippenplätzen zu stecken. Es mangelt nicht nur an Geld, sondern auch an Interessenten für den niedrig bezahlten Job des Erziehers. "Wenn wir es ernst meinen mit der Qualität der Betreuung, wird man aufstocken müssen", sagt Strobl, "aber das kostet auch Geld."

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