Stadt am Rand:Alles auf dem Schirm

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In den Studios von Sky Sport News in Unterföhring steigt am Sonntag noch einmal die Anspannung. Der Bezahlsender mit 100 Mitarbeitern begleitet die Fußball-Europameisterschaft auch ohne Live-Rechte - bis übers Finale hinaus

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: Wenn Manuel Neuer und Co. längst im Ermüdungsbecken liegen, geht es für die Mitarbeiter von Sky in Unterföhring richtig los. "Der Tag danach ist für uns entscheidender als die 90 oder 120 Minuten auf dem Rasen", sagt Dirk Grosse. Der 48-Jährige steht im runden Studio des TV-Abo-Senders, in dem an die 30 Redakteure, Cutter, Aufnahmeleiter und Moderatoren Hand in Hand arbeiten. Grosse ist Chef von Sky Sport News, und an diesem Spätnachmittag vor dem Halbfinale der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich in Marseille herrscht im Aquarium im ersten Stock der Sky-Zentrale eine unaufgeregte Stimmung: Auf den Bildschirmen laufen gerade die Pressekonferenz von Lewis Hamilton und der Matchball von Angelique Kerber im Halbfinale von Wimbledon. Zwei Moderatoren plaudern gut gelaunt über Formel 1 und Tennis.

Das bevorstehende EM-Spiel zwischen Jogi Löws ersatzgeschwächter Elf gegen Les Bleus, das so bitter für Deutschland enden soll, ist vier Stunden vor Anpfiff ungefähr so weit entfernt wie Unterföhring von Marseille. Jetzt gibt es Wichtigeres zu schneiden, Beiträge zu bearbeiten und in die Welt hinaus zu senden als Fußball-Deutschland und seine Befindlichkeiten. Nur zwei, drei Leute im Hightech-Rund tragen Trikots der deutschen Nationalmannschaft. Ein junger Mann, der ganz offensichtlich ein Fan von Mario Götze ist, weil er dessen Namen und Rückennummer auf dem T-Shirt stehen hat, freut sich über den Einzug von Kerber ins Finale von Wimbledon, lugt aber gleichzeitig auf die neuen Nachrichten auf der Kicker-Internetseite, die auf dem zweiten Monitor an seinem Arbeitsplatz aufploppen.

Schweinsteiger spielt also von Anfang an, der WM-Torschütze von Rio nicht. Der Unterföhringer Götze nimmt's gelassen. Vielleicht wird er ja wieder eingewechselt, so wie vor zwei Jahren, als er die Deutschen zur Weltmeisterschaft schoss. Das mit der Einwechslung sollte sich am Abend dann bewahrheiten, zu sehen war von Mario Götze allerdings eher nichts, schon gleich gar keine Strafraumszene. Anzunehmen, dass der junge Sky-Mitarbeiter sein Trikot erst einmal im Schrank verstaut. Dass die Leute von der Sportnachrichtensparte des Bezahlsenders in Unterföhring das Fußball-Spektakel in Frankreich eher gelassen verfolgen, hat natürlich auch damit zu tun, dass die Rechte für die Liveübertragung der Spiele bei ARD und ZDF liegen - Sky kauft nach den Worten von Sportchef Grosse - wenn überhaupt - ein paar Minuten von den deutschen Begegnungen, für die Nachberichterstattung. "Wir sind für die Komplett-Begleitung der Mannschaft zuständig", sagt Grosse. Vor und nach dem Anpfiff. Die meisten Abonnenten schauten erst nach dem Aufstehen wieder rein - "dann wollen sie wissen, was los ist in Frankreich". Und was los ist, das serviert ihnen Sky.

Zwei Reporter sind während der vier Wochen des Turniers "ganz nah dran an der Mannschaft", im Quartier und im Stadion. Sky Sport News überträgt jede Pressekonferenz in voller Länge, An- und Abfahrt, Trainingseinheiten und Taktikbesprechungen, wenn denn Medienvertreter zugelassen sind. Die Journalisten liefern Interviews und Beiträge über die Austragungsorte - und Redakteure, Moderatoren und Techniker bearbeiten diese und versenden sie. Pro Schicht arbeiten im gläsernen Rund in Unterföhring gut 30 Männer und Frauen, insgesamt sind bei Sky Sport News 100 Mitarbeiter beschäftigt. Gesendet wird quasi rund um die Uhr, nach ein Uhr nachts laufen Infos, die tagsüber produziert wurden. In der Früh um sieben wird die Konserve von aktuellen Beiträgen und Livebildern abgelöst, um die nach Dirk Grosses Worten 600 000 bis 800 000 Abonnenten mit Neuigkeiten aus Frankreich zu füttern.

Bis zum Anpfiff am Donnerstagabend steigt auch im Aquarium in der Sky-Zentrale die Anspannung. Dem Unterföhringer Götze und seinen Kollegen ist anzusehen, dass sie sich auf das Spiel freuen und auf einem der vielen Bildschirme verfolgen. Und das nicht nur aus professionellem Interesse, weil am Tag danach wieder Großkampf ist beim Sportsender und alles für die Live-Berichterstattung über die Heimkehr der Nationalmannschaft vorbereitet werden muss. Fans sind sie alle. Und das Finale am Sonntag zwischen Gastgeber Frankreich und Portugal gilt es ja auch noch zu begleiten. Sportchef Grosse und Chefredakteur Dominik Böhner übrigens schauen das Endspiel daheim mit ihren Familien. Mario Götze aus Unterföhring lässt es sich bestimmt auch nicht entgehen, auch wenn der echte Götze an diesem Abend überhaupt nicht aufläuft. Und das Trikot? Wird wohl erst einmal im Schrank bleiben.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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