Stadiondebatte:Kein Großumbau des Olympiastadions

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Architekt Günter Behnisch steigt aus dem Projekt aus, weil die technischen Probleme offenbar zu groß sind

Alfred Dürr

(SZ vom 7.12.2000) - Alles war bereits auf den Weg gebracht. Die Stadt, der Freistaat und die Bundesligisten FC Bayern München und TSV 1860 München hatten sich schon vor zwei Monaten auf den rund 400 Millionen Mark teuren Großumbau des Olympiastadions geeinigt - doch gestern nahm die Geschichte im Rathaus eine unerwartete Wende. Das so genannte Konsensmodell erlebte eine Beerdigung erster Klasse, wie dies in der Diskussion formuliert wurde. Zur großen Überraschung und Verblüffung der Teilnehmer eines Expertenhearings verkündete Manfred Sabatke aus dem Büro des Olympiastadion-Architekten Günter Behnisch massive Bedenken gegen den Großumbau: "Wir können den Kritiken am so genannten Konsensmodell nicht in allen Punkten widersprechen." Erstaunlich ist diese Haltung, weil sich bisher sämtliche am Urheberrecht beteiligten Architektenbüros für den Umbau ausgesprochen hatten.

Vertreter des Denkmalschutzes, der Architektenschaft, der betroffenen Anwohner und der Leichtathletik hatten sich in dem gestrigen Hearing mit Nachdruck gegen einen Großumbau des Olympiastadions gewandt, allenfalls eine "maßvolle Modernisierung" und "weltmeisterschaftstaugliche Verbesserungen" für 140 Millionen Mark werden akzeptiert.

Beeindrucken konnte vor allem der Architekt Uwe Kiessler, der sich auch für das Anti-Umbau-Bürgerbegehren besonders engagiert. Das so genannte Konsensmodell werfe eine ganze Reihe technischer Schwierigkeiten auf - angefangen bei den schlechten Sichtbeziehungen über bislang nicht durchdachte Probleme mit der neuen Dachkonstruktion bis hin zu äußerst schwierigen Lösungen für die Bereiche Abwasser und Grundwasser. Seine Schlussfolgerung: "Wir werden das teuerste und schlechteste Stadion bekommen, das je gebaut wurde." Auch der designierte Bundeskulturstaatsminister, der Münchner Kulturreferent Julian Nida-Rümelin, warnte eindringlich vor dem "Konsensmodell". Das Wesen des Olympiastadions und des Parks werde durch die Umwandlung in eine reine Fußballarena zerstört.

Architekt Manfred Sabatke stand offensichtlich unter dem Eindruck dieses massiven Protestes gegen den Großumbau, als er einräumte: "Wir können kein neues ideales Fußballstadion aus dem Olympiastadion machen." Es werde zum Beispiel Probleme mit den Sichtbeziehungen im umgebauten Stadion geben. Die geplante Absenkung des Spielfeldes werde sich als "enormer Kostenfaktor" erweisen. Am Ende komme wohl ein schlechter Kompromiss heraus, an dem dann wieder Kritik geübt werde. Zumindest bis es voraussichtlich im März nächsten Jahres eine Entscheidung über das Bürgerbegehren gegen den Großumbau gebe, wolle sein Büro nicht an weiteren Planungen arbeiten. Eine Aussage, die gestern noch zu hektischen Aktivitäten hinter den Kulissen geführt haben dürfte: Denn jetzt müssen wohl Juristen der Olympiapark GmbH klären, ob hier nicht gravierende Vertragsverletzungen vorliegen.

Sabatkes Aussagen waren nicht die einzige Überraschung des gestrigen Vormittags. Begonnen hatte das Hearing mit einem Eklat: Von den Fußballvereinen, den Hauptnutzern einer neuen Superarena, war kein Vertreter erschienen. Oberbürgermeister Christian Ude nannte dies unter lautem Beifall eine "Dreistigkeit und Provokation des Stadtrats". Denn es gibt eine Reihe von wichtigen Fragen zur Umbaufinanzierung, die von den Vereinsvertretern beantwortet werden müssen: Werden die Löwen überhaupt noch in der Lage sein, hohe Millionenbeträge für den Umbau zu zahlen, wenn es mit dem spielerischen Abstieg weitergeht und der Verein nicht mehr in der Bundesliga bleibt? Auch der FC Bayern müsste exakt darlegen, wie er sich an den 100 Millionen Mark beteiligen will, welche die Vereine beisteuern sollen.

Im Januar will der Stadtrat mit einem weiteren Hearing einen neuen Anlauf nehmen, um Antworten auf solche Fragen zu bekommen. Die Pläne für den Großumbau liegen vorerst auf Eis. Jetzt muss sich der Stadtrat erst einmal von dem gestrigen Hearing-Schock erholen.

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