Sprechprobe:Blueberry Hill im Oberland

Wenn ein Einheimischer im bayerischen Miesbach "fahrn" sagt, klingt das fast, als käme er aus Texas - aber das ist nicht die einzige Besonderheit dieses Dialekts.

Hans Kratzer

Wie werden die Soldaten der 3.US-Armee gestaunt haben, als sie im Mai 1945 das bayerische Oberland durchkämmten. Da sprachen die Bauern in der Miesbacher Gegend doch glatt das gleiche dunkle rollende "r" wie sie (man stelle sich dieses r" so ähnlich vor, wie es Johnny Cash in "Burning Ring of Fire" über die Zunge gleitet). Diese Form des "r" - in Bayern eher ungebräuchlich - ist am deutlichsten zwischen Vokal und Konsonant zu hören. Also wenn ein Oberländler "Kirch" sagt, oder auch Wörter wie "Berg, Dorf und fahrn".

Hans Triebel

Hans Triebel

(Foto: Foto: Vera Thiessat)

Einen starken Hang dazu haben auch die Isarwinkler, wie der Dialektologe Bernhard Stör weiß. Ein weiteres prägendes Element der Miesbacher Mundart kennen die Menschen im Isarwinkel freilich nicht. Jenes "l" nämlich, das an die englische Standardaussprache erinnert (hill, bill, thrill) und auch in Fats Domino's "Blueberry Hill" so wunderbar lässig zum Ausdruck kommt. Normalerweise wird dieses "l" in Bayern nirgends gebraucht.

Es ist eine Miesbacher Spezialität ("um ellfe geht da Stillwong auf Dillz" - "um elf Uhr geht der Stellwagen nach Tölz"). "Die L-Vokalisierung ist das herausragende Kennzeichen des mittelbayerischen Dialekts", sagt Stör.

Das "l" wird dabei nach einem Vokal als i oder i-artiger Laut gesprochen. Aus alt wird also oid, aus Geld wird Gejd, aus viel wird vui, aus Holz wird Hoiz und aus Pulver Buiver. Die Miesbacher aber weichen hier vom Mittelbayerischen ab. "Sie kennen keine L-Vokalisierung nach vorderen hohen Vokalen des Mittelhochdeutschen", sagt Bernhard Stör. Deshalb wird hier aus der Hölle nicht die Hej, sondern die Hill, aus viel wird vill, aus der Mühle die Mill, wobei das "l" dunkel wie im Englischen betont wird ("dark l").

Nachzuweisen sind diese Phänomene vor allem im Gebiet zwischen oberer Isar und Leitzach. Auch der in Miesbach geborene Hans Triebel (53) ist mit dieser Mundart aufgewachsen und gebraucht sie als Wirt der "Gotzinger Trommel" (Kreis Miesbach) bis heute, auch wenn sie sich naturgemäß schon ein wenig abgeschliffen hat. "Die 50-Jährigen reden bei uns schon noch so", sagt er, aber bei den Jungen lasse das schwer nach. Denn schon im Kindergarten sollen die Kinder "sauber sprechen und nicht im Dialekt".

Nun besitzt aber die Mundart in der Miesbacher Gegend noch ein drittes markantes Merkmal: Den Auslaut "m" nach den Buchstaben "f" und "pf" bei zweisilbigen Wörtern. Dementsprechend heißt es hier: "Ofm, klopfm, kaffm, derfm". Auch das alte Dialektmerkmal des kehligen Auslauts "ch" ist noch zu hören, etwa in dem Wort "Schuach" (Schuhe), das Hans Triebel in der heutigen Sprechprobe verwendet.

Interessant ist auch das Wort "Koschtn" (Kasten), bei dem die so genannte S-Palatalisierung zum Tragen kommt ("s" nach Vokal und vor "t" wird zu "scht"). Dies ist typisch für das Schwäbisch-Alemannische. Obwohl dies in München verpönt ist, war es früher im Umland durchaus zu hören. Das Wort "Biascht (erste Milch nach dem Kalben) fand Stör immerhin noch in den 90er Jahren in Allach, Aubing, Pasing und im Würmtal.

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