Sportfreunde Stiller:Meret und die singende Säge

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Die Sportfreunde Stiller dürfen ein Unplugged-Konzert auf MTV spielen - allerdings nicht in New York, sondern vor einer Studio-Kulisse.

Dirk Wagner

Auf DVD, Doppel-CD und als Zusammenschnitt auf einer billigeren Einzel-CD dokumentieren die Sportfreunde Stiller ihren Ritterschlag durch den Musiksender MTV. Als sechste deutsche Band durften sie nämlich eines der legendären Unplugged-Konzerte spielen, mit denen bereits Nirvana oder Eric Clapton ihre Hits zweitverwerten konnten.

"Ich war noch niemals in New York": Die Sportfreunde Stiller geben ein Konzert vor einer New-York-Kulisse. (Foto: Foto: ddp)

Der Aufwand, mit dem die Sportfreunde für dieses Ereignis ihre Songs neu arrangierten und mit zahlreichen Gastmusikern einspielten, hat indes nichts von einer Zweitverwertung. Vielmehr erschaffen sich die Sportfreunde hier neu, mal augenzwinkernd, wenn sie ihren WM-Hit "54" auf einer Drehleier spielen, oder mal mit einem bis dato popmusikalisch überspielten Tiefgang von Liedern wie "Tu nur, was dein Herz dir sagt", das Peter Brugger hier im Duett mit Meret Becker singt.

Erinnerungen an Beckers Gastspiel bei den Einstürzenden Neubauten werden da wach. Wenn sie dazu aber noch die singende Säge spielt, wird deutlich, die Sportfreunde sind sportlich genug, ihren Gästen wesentlich mehr Raum zu bieten. Etwa der chinesischen Erhu-Spielerin Zhenfang, deren exotisches Saiteninstrument die neue Version von "Tischtennis" quasi dominiert. Mit den Subways singen die Sportfreunde gleich deren Hit "Rock'n'Roll Queen" sowie mit Udo Jürgens dessen Schlager: "Ich war noch niemals in New York".

Dieser Titel drängte sich auf in einem Special, das die Sportfreunde Stiller in New York präsentiert. Auf der Landkarte wird man dieses New York allerdings vergebens suchen. Das New York, in welchem das Pop-Trio samt Bläsergruppe, Streichorchester und Chor brilliert, findet man auf Kinoleinwänden, Schallplattencovern und Jerry-Cotton-Romanheften.

Es ist der imaginäre Zufluchtsort vieler Menschen, die irgendwo in der Provinz ihren Rock'n'Roll-Traum träumen. Die Sportfreunde inszenierten diesen Traum in einem Studio der Bavaria, wo sie im Januar zwei Tage vor geladenen Gästen spielten. Beleuchtungsfehler und ähnliche Pannen führten dabei zu Wiederholungen von Songs, die die Zuschauer laut vorausgeschickter Regieanweisung überrascht zu bejubeln hatten.

In der perfekten MTV-Welt werden solche Zwischenbemerkungen wohl kaum zu sehen sein, ebenso wenig wie jene großartige Jamsession, die Schlagzeuger Flo Weber am ersten Aufzeichnungstag anführte, als ein Defekt an Rüde Linhofs Kontrabass das Programm länger unterbrach.

In solchen Momenten hätte man sich gar mehr Pannen gewünscht, obgleich die eigentliche Show ein regelrechtes Feuerwerk an Höhepunkten bietet. Für den Applaus des Publikums brauchte es da keine Regieanweisung. Die Euphorie war echt und konnte auch von längeren Umbaupausen nicht gebremst werden.

Die Sportfreunde spielten nämlich nicht wie üblich auf einer einzigen Bühne. Für ihre kleine Revue ließen sie gleich drei Podien anfertigen, so dass ein Ortswechsel während ihrer Show die Handlung derselben unterstreicht. Bis hin zu einem Plattenladen, aus welchem ihnen Udo Jürgens mitsingend zunickt. Live war der allerdings nicht zugegen.

Dafür sang und spielte er seinen zugespielten Anteil am Song vorab in einer Hotellounge - zusammen mit den Sportfreunden Stiller, die damit eine Brücke zwischen Schlager und Pop schlugen, über die früher mancher Popfan die Nase gerümpft hätte. Doch im New York herrscht allein die pure Spiellust, die von Anfang an der Motor einer Band war, die dereinst im Germeringer Jugendzentrum von New York geträumt hatte.

TV-Premiere: 21.Mai, MTV, 19 Uhr; Web Premiere: 21. Mai, www.sportfreunde-stiller.de, 19.15Uhr.

© SZ vom 20.05.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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