Sportfreunde Stiller in München:Nie wieder Fußballband

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Heimspiel mit versöhnten Fans: die Sportfreunde Stiller im Münchner Kesselhaus. (Foto: facebook.com/sportfreundestiller)

Als die Sportfreunde Stiller 2006 den Song zur WM schrieben, grölten Zehntausende auf den Feiermeilen mit - nur ihre Münchner Fans nicht. Beim Konzert in der Heimat zeigen sich die Anhänger der ersten Stunde nun versöhnt. Einzig an einer Stelle gibt es Buhrufe.

Von Thierry Backes, München

Die Band-Shirts sind blau, kosten 20 Euro und tragen den Schriftzug "sportfreunde will never die". Das ist eine Anspielung auf die erste Zeile des neuen Liedes "Hymne auf Dich", doch die Botschaft ist ebenso zweitrangig wie der modische Aspekt. Es geht um das Hemd an sich und die Frage: Darf man sich als alter Fan der Sportfreunde Stiller nun wieder ein Trikot aus deren Merchandising überstreifen? Darf man die Jungs wieder gut finden, jetzt, wo die Bilder des tanzenden Nationaltrainers Jürgen Klinsmann zum Abschluss der WM 2006 am Brandenburger Tor verblasst sind?

Die "Sportis" haben sich viel Zeit gelassen mit ihrem neuen Album: Sechs Jahre sind seit ihrem letzten Studioalbum La Bum vergangen, vier Jahre seit dem Auftritt in der Reihe MTV Unplugged. New York, Rio, Rosenheim heißt die neue Platte, die seit einer Woche zu haben und Kern der Tour ist, mit der die Sportfreunde Stiller aktuell mittelgroße Hallen bespielen. Wie man hört, war das Münchner Kesselhaus binnen 24 Stunden ausverkauft.

In der Heimat ist die Fan-Basis eben die größte, vielleicht aber auch die kritischste. Eine junge Dame steht kurz vor dem Auftritt mit ihrem Freund an der Bar und sagt stellvertretend für viele andere: "Ich hoffe, sie spielen Vierundfünfzig nicht."

Der Sündenfall

Vierundfünfzig. Kurzform für: "'54,'74,'90, 2006". Oder: Sündenfall. Das Lied wird 2006 zur Hymne der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land. "Das war ein Vierwochenrausch, der alles komplett auf den Kopf gestellt hat", sagt Sänger Peter Brugger im Gespräch mit Süddeutsche.de. "Dafür mussten wir uns danach andauernd rechtfertigen."

Als er, Flo Weber und Rüde Linhof Ende der Neunziger anfingen, gutgelaunte, geradlinige Rockmusik zu spielen, waren sie erst einmal ein sehr lokales Phänomen - mit unzähligen Auftritten in Clubs wie dem Atomic Café und Airplay beim Studentensender M94.5. Sie blieben aber auch dann noch die Lieblinge ihrer Münchner Fans, als sie mit den Alben Die gute Seite und Burli in die Charts einstiegen.

Es war einfach schwer, die Sportfreunde nicht zu mögen - bei den augenzwinkernden Texten, die immer wieder Zeilen enthalten, die man auch Jahre später noch mitsingen kann. Man denke nur an "Ein Kompliment".

Aus ihrer Fußballaffinität haben die Sportfreunde Stiller nie einen Hehl gemacht, davon zeugt schon der Titel ihrer ersten Platte So wie einst Real Madrid. Nur: Mit "'54,'74,'90, 2006" wurden sie plötzlich die Lieblingsband des grölenden Fußballfans. "Wir sind damals komplett auf das Label Fußball reduziert worden", sagt Schlagzeuger Flo Weber. Da half es auch nichts, sich mit dem eilig hinterher geschossenen La Bum musikalisch emanzipieren zu wollen.

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Doch wie ist es heute? Spitze! Die Sportfreunde ignorieren ihr Fußballalbum You Have To Win Zweikampf bis auf den berühmten Vierundfünfziger-Refrain, auch von La Bum spielen sie nur ein Lied ("Alles Roger!"). Der Rest des Programms ist ein sorgfältig durchchoreografierter Mix aus älteren ("Wunderbaren Jahren", "Sieben Tage, sieben Nächte", "Siehst du das genauso?") und ganz neuen Stücken. Alle vorgetragen mit einer Energie, an die man sich nach Jahren der Sportfreunde-Abstinenz gar nicht mehr erinnern konnte.

Wie sehr die Fans auf neues Material gewartet haben, lässt sich an der Lautstärke ablesen, mit der sie schon eine Woche nach der Veröffentlichung von New York, Rio, Rosenheim Songs wie "Wieder kein Hit" oder das eingangs erwähnte "Hymne auf Dich" mitsingen. Das Album an sich mag nicht das kreativste sein, das die Band veröffentlicht hat. Aber es hat einmal mehr seine ganz besonderen Momente.

So ganz ohne geht es dann doch nicht

Etwa, wenn Flo Weber zu "Es muss was Wunderbares sein, von mir geliebt zu werden" selbst zum Mikrofon greift und in bester Bela-B.-Manier den Narzissten mimt. Auf der Bühne setzt er Peter "Pete, the Beat" Brugger dafür ans Schlagzeug und schlurft wie ein Hiphopper herum. Große Show. Nett ist auch der Einfall, zu "Wunder fragen nicht" Konfetti regnen zu lassen.

Die Sportfreunde Stiller wollen nicht mehr als Fußballband wahrgenommen werden. Was sie nach der WM noch recht verkrampft versucht haben, gelingt ihnen nun spielend. So ganz ohne geht es dann aber doch nicht im Kesselhaus, das an dem Abend für die Sportis so etwas wie die Allianz Arena für den FC Bayern ist: eine Festung, in der der Heimsieg nur eine Formalie ist. Schuld daran ist aber nicht die Band, sondern das Publikum, das die komplette Bandbreite an Fangesängen zwischen den Stücken schmettert, vom tagesaktuellen "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin" über den Klassiker "Gute Freunde kann niemand trennen" bis hin zum "Humba Humba Täterä".

Und wenn Flo Weber dann einmal selbst mitmachen will und "Oh, du wunderschöner TSV..." anstimmt, gibt es - richtig - Buhrufe.

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