Volleyball:Von wegen Samba

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Vier Brasilianer kämpfen mit den Alpenvolleys gegen Friedrichshafen ums Meisterschafts-Finale. Sie alle bringen mit ihren ganz eigenen Charakteren Schwung ins Viel-Nationen-Ensemble.

Von Sebastian Winter

Douglas Duarte da Silva läuft nicht, er schwebt. Er hat diesen federnden, leichten Schritt, den viele Brasilianer haben, und so schwebte er nach dem gewonnenen Playoff-Viertelfinalspiel gegen Düren in den VIP-Raum der Innsbrucker Olympiahalle. Seine Dante-Locken zähmte auch die Basecap nicht. Umringt war er von jungen Frauen, die zu ihm aufschauten, bevor er sich Lasagne auf den Teller lud und in aller Ruhe verspeiste. Da Silva, 34, Kapitän der Alpenvolleys Haching, Identifikationsfigur und Publikumsliebling, ist kein Schnellesser, eher ein Genießer. "Und er hat einen neuen Frühling", sagt Alpenvolleys-Manager Hannes Kronthaler. Den x-ten in Tirol.

Der coole Mittelblocker-Schlaks aus Brasiliens Hafenstadt Santos steht für die südamerikanische Enklave im Team, die es von Sonntag (14.30 Uhr) an im Playoff-Halbfinale zunächst auswärts mit der Übermannschaft VfB Friedrichshafen zu tun bekommt. Wobei dieser Begriff für da Silva zu sehr nach Abschottung klingt. "Wir sprechen viel Portugiesisch, klar, aber man kann nicht sagen, dass wir ein Team im Team sind. Dann würde unsere Mannschaft gar nicht funktionieren", sagt er in fröhlichem Englisch. Neben ihm stehen drei weitere Brasilianer im Kader, alle auf Schlüsselpositionen. Alle mit ihrem ganz eigenen Charakter. Und ein Kolumbianer, der eher eine Nebenrolle hat.

Der mächtige zweite Mann in der Mitte, Pedro Henrique Frances, der da Silva mit seinen 2,08 Metern noch um fünf Zentimeter überragt, gilt als einer der besten Blocker der Liga. Der 28-Jährige kommt aus Foz do Iguaçu, dem westlichsten Zipfel Brasiliens, nicht weit entfernt stürzen die berühmten Wasserfälle in die Tiefe. Auf dem Feld ist er ein Theatraliker, wenn ihm etwas misslingt, liefert er großes Drama und untermalt es mit Händen und Füßen.

Zuspieler Danilo Gelinski wirkt weder besonders fröhlich noch ist er ein Dramatiker. Der 28-Jährige ist ein klassischer Stratege, verbindlich, kompromisslos, mit einer feinen Technik gesegnet. Innerlich ist er ein Vulkan, der selten ausbricht, aber seine Mitspieler schon mal zur Sau macht auf dem Feld. In jedem Fall ist er, seit er im Sommer 2017 aus Portugal nach Innsbruck gewechselt ist, zu einem der besten Steller der Liga geworden. "Es ist sein Verdienst, dass die Mannschaft im Halbfinale steht", sagt Sportdirektor Mihai Paduretu. Und ein Glück für die Alpenvolleys, dass sie kürzlich die Option auf Vertragsverlängerung um ein Jahr ziehen konnten. Fehlt noch Lucas Provenzano João de Deus. Der Libero ist seiner Position entsprechend kleiner, nicht mal 1,80 Meter. "Er ist sehr ruhig, familiär, redet nicht viel - ein guter Gegenpol", sagt sein Trainer Stefan Chrtiansky. De Deus' Stärke ist die Annahme, in der Abwehr hat er noch Potenzial.

Chrtiansky nennt seine Südamerikaner liebevoll "die brasilianische Mafia", und hat selbst großen Anteil an ihrer Verpflichtung. In seiner eigenen Profizeit in Italien hat sich eine enge Freundschaft mit einem gegnerischen Brasilianer entwickelt, der später Spielerberater wurde - und entsprechend viele Profis aus seiner Heimat im Portfolio hat. Da Silva kam schon 2007 nach Innsbruck, kehrte nach zwei Jahren nach Brasilien zurück, heuerte in Spanien und Indonesien an und fand 2013 doch wieder den Weg nach Tirol. Längst hat er eine Freundin aus Innsbruck. "Ich hasse noch immer die Winter, aber liebe die Weihnachtsmärkte. Und ich fühle mich zu 40 Prozent als Österreicher", sagt da Silva. Frances ist seit 2011 im Team, als er sich eineinhalb Jahre später am Kreuzband verletzte, "war er während seiner Reha auf meinem Sold", wie Bauunternehmer Kronthaler sagt. Mit ihren Freundinnen verbringen da Silva und Frances die Sommer in Brasilien. Auch Libero de Deus ist seit Jahren in Innsbruck, nur Gelinski ist neu.

Chrtiansky hatte Bedenken, ob das klappt mit vier Brasilianern im Team, wegen ihrer Mentalität, ihres südamerikanischen Blutes, aber sie verstehen sich mit den ruhigeren Europäern, bei denen sich Außenangreifer Igor Grobelny wohl bald nach Polen verabschiedet. "Das ist kein Tiki-Taka, Samba oder eine One-Man-Show", sagt Paduretu. Die vier Alpen-Brasilianer lieben jedenfalls die neue Herausforderung in der Bundesliga, und es zeigt sich, dass sie ihr absolut gewachsen sind. Friedrichshafen ist nun, nicht nur für den Genießer da Silva, das verdiente Dessert.

© SZ vom 14.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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