Volleyball:Sechs-Punkte-Verkrampfung

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Herrschings Volleyballer mit dem angeschlagenen Roy Friedrich (links hinter Tom Strohbach) zeigen ein zerfahrenes Spiel in Bühl. (Foto: imago/Oryk HAIST)

Erstligist Herrsching verliert in Bühl eines der Schlüsselspiele um die direkte Playoff-Qualifikation. Nicht nur der durch Blessuren geschwächte Mittelblock zeigt sich wie erwartet als Baustelle, auch im Aufschlag und in der Annahme schwächelt das Team

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Der Trick bei einer guten Tragödie besteht darin, eine maximale Fallhöhe zu erzeugen, damit das Scheitern des Helden möglichst tief erschüttert. Herrschings Bundesliga-Volleyballer sind der Dramatik in unterschiedlichste Richtungen ja durchaus zugeneigt. Vor Wochenfrist zeigten sie das beim Heimauftritt gegen den hoch favorisierten VfB Friedrichshafen, dem sie beim 2:3 einen Punkt abnahmen. Dass sie es auch tragisch können, war am vergangenen Samstag in Bühl zu besichtigen, wo das Team von Trainer Max Hauser die zuvor zum "Sechs-Punkte-Spiel" erklärte Partie mit 1:3 (20:25, 22:25, 25:20, 13:25) so klar wie unnötig verlor.

Bühl hatte vor dem Wochenende mit noch zwei ausstehenden Spielen mehr vier Punkte hinter Herrsching auf Platz sieben der Tabelle gestanden. Die Einstufung der Begegnung als richtungsweisend war demnach nicht von der Hand zu weisen, hatten sich die Herrschinger doch vorgenommen, es in dieser Saison als Sechster ohne Umweg über die Pre-Playoffs in die K.-o.-Phase zu schaffen. Die ärgsten, weil schlagbaren Konkurrenten sind dabei Lüneburg, Bühl und Düren. In Lüneburg und Bühl ging Herrsching jeweils leer aus, das Duell mit Düren am kommenden Samstag ist die letzte Partie des Jahres.

Was als Motivationshilfe gedacht gewesen sein mochte, fruchtete in Bühl aber nur bedingt. "Unser Spiel war insgesamt sehr zerfahren, auch emotional", sagte Hauser. Nach strittigen Entscheidungen der Schiedsrichter und roten Karten für beide Seiten sei sein Team "immer sehr aufbrausend in die nächsten Bälle" gegangen und habe dadurch "an Sicherheit verloren, statt welche zu gewinnen". Die Spieler hätten "versucht zu kämpfen, aber das hat eher zum Verkrampfen geführt".

So ungefährdet der Klassenerhalt angesichts des Herrschinger Potentials derzeit scheint, so offensichtlich zeigte sich in Bühl, wie dünn die Luft in der Liga ab Platz sechs wird. Sportlich sieht Hauser seinen TSV mit Bühl auf einem Level - finanziell ist er es nicht. Herrschings Etat beläuft sich etwa auf die Hälfte, allein die Lizenzkosten für die ausländischen Profis in Bühl schätzt Hauser auf einen mittleren fünfstelligen Betrag: "Wenn ich so was beim Vorstand vorschlage, lachen die mich aus."

Es wäre einfach, dieses Ungleichgewicht einfach anzuerkennen. Doch Hauser mag diese Herangehensweise nicht, weil sie in Wahrheit keine Entschuldigung ist, sondern seine eigenen Spieler kleiner macht, als sie sind. Er blockt Fragen nach der Konkurrenzfähigkeit einer Mannschaft voller Teilzeitspieler deshalb gerne mit dem Argument ab, dass der Mehraufwand hauptsächlich in der Organisation und folglich beim Trainerteam liege. Doch es ist kaum wegzudiskutieren, dass ein Spieler wie Roy Friedrich - in Vollzeit berufstätiger Familienvater - im Zweifel weniger Zeit zum Auskurieren einer Lebensmittelvergiftung und einer Bänderverletzung hat als ein Vollprofi. Das Pensum der meisten anderen Spieler sieht ähnlich aus. Aus diesem Grund zerlegte Hauser seine Hoffnung auf einen kompletten Trainingskader in den kommenden Tagen auf Nachfrage auch gleich selbst: Nicolai Grabmüller und Friedrich werde er wohl lieber pausieren lassen, und ja, stimme schon, "dann bleibt es im Block halt weiter dünn".

Herrsching glich Nachteile dieser Art bisher mit einer beachtlichen Portion positiven Wahnsinns aus. Diagonalangreifer Julius Höfer etwa, der eigentlich in Ruhe studieren wollte, vertritt seit Saisonbeginn Zugang Matt Tarantino. Der US-Amerikaner trainiert mittlerweile voll, ist laut Hauser aber noch nicht besser als Höfer in der aktuellen Form. Auch in Bühl war Höfer einer der wenigen Ausreißer nach oben. Dass es mit der Konstanz - insbesondere auswärts - derzeit hapert, führt Hauser deshalb lieber nicht auf Finanzen, sondern darauf zurück, "dass wir einfach einmal zu viel Pech gehabt haben".

Um sich unter die Top Sechs der Liga zu schieben, muss bei Herrsching allerdings eine Menge zusammenpassen. Wenn wie am Samstag wegen der angeschlagenen Mittelblocker Friedrich und Peter Ondrovic schon von vornherein wenig passt, darf sich das Team keine weitere Schwäche erlauben. Weil die Mannschaft jedoch in Annahme und Aufschlag wackelte und dadurch im Angriff ausrechenbar wurde, blieb auf der Haben-Seite nicht viel übrig. "Bühl hat nicht gewonnen, wir haben das verloren", sagte Friedrich und wirkte einigermaßen angefressen, "weil wir es hingekriegt haben, noch schlechter zu spielen."

Hausers Kritik fiel nicht ganz so grundsätzlich aus. Vor der Partie in Düren werde er verstärkt am Angriff aus der Annahme arbeiten, sagte er, um hinzuzufügen: "Es sind sehr simple Schlüsse, die ich aus diesem Spiel ziehe. Wir schauen uns an, was wir selber nicht gut gemacht haben und wie wir da in kurzer Zeit vorankommen."

Von einem potentiellen Störfaktor auf psychologischer Ebene hatte Herrsching nach der angestrengten Vorstellung am Samstag offenbar ebenfalls genug: Das Wort Sechs-Punkte-Spiel fiel in Bezug auf Düren kein einziges Mal. Ein paar undramatische Punkte zum Jahresende täten es womöglich auch.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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