Volleyball:Schule? Pokal!

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Dachaus junge Drittliga-Volleyballer fiebern ihrem Spiel des Jahres entgegen - dem Achtelfinale gegen Erstligist Lüneburg.

Von Sebastian Winter, Dachau

Den 19. März 2005 vergessen Dachaus Volleyballer nicht so schnell. An jenem Samstag trug der ASV sein letztes Heimspiel in der ersten Liga aus, das 0:3 gegen Eltmann passte zur damaligen Untergangsstimmung. Zu dritt standen sie am Schalter und machten das Licht aus, erinnert sich der heutige ASV-Geschäftsführer Andreas Wilhelm. Der symbolische Akt war zugleich die letzte Pointe des Niedergangs eines Traditionsvereins, der unter Trainer Stelian Moculescu in den Neunzigern zweimal deutscher Meister, Pokalsieger und 1996 Champions-League-Finalist war. Und kurz nach dem Spiel gegen Eltmann in die Insolvenz schlitterte.

An diesem Dienstag, fast 13 Jahre später, kehrt zumindest für einen Abend wieder Erstliga-Flair in die alte Georg-Scherer-Halle zurück: Lüneburg, Pokalfinalist von 2015 und aktuell Tabellenfünfter, stattet dem Drittligisten Dachau einen kurzen Pokalbesuch ab. "Die Aufregung steigt", sagt ASV-Trainer Dominic von Känel.

Es ist schon alleine eine kleine Sensation, dass sich Dachau mit seinen nun acht unter 18-Jährigen ins Pokal-Achtelfinale gespielt hat, wo der ASV neben Kiel der einzige Drittligist ist. Zustande kam diese Konstellation durch einen so überraschenden wie furios herausgespielten Dachauer 2:0-Erfolg im bayerischen Pokalfinale gegen - Achtung, Pointe - den Zweitliga-Spitzenklub Eltmann. Die Unterfranken waren vergangene Saison sogar Meister geworden, hatten aber aus finanziellen Gründen auf die Erstliga-Rückkehr verzichtet.

Den Ruf, ein Pokalschreck zu sein, haben sich Vincent Graven, 17, Benedikt Sagstetter, 16, Simon Pfretzschner, 15, und all die anderen Protagonisten des neuen Dachauer Jugendstils also schon erarbeitet. Und in der dritten Liga haben sie in ihren bisherigen drei Heimspielen keinen einzigen Satz abgegeben. "Es ist psychologisch schwer, gegen uns zu spielen, weil wir Kinder sind", sagt von Känel, der mit 23 Jahren selbst noch nicht so lange erwachsen ist: "Aber unsere weiße Heimweste wird nach dem Spiel wohl nicht mehr so weiß sein. Die sind uns athletisch mega überlegen. Es muss jedem bewusst sein, dass wir wahrscheinlich keinen Blumentopf gewinnen."

Die Vorfreude auf das Spiel des Jahres ist trotzdem spürbar im Klub. Seit Wochen schon gebe es kein anderes Thema mehr, berichtet von Känel, selbst die Schiedsrichter hätten am vergangenen Samstag vor dem Ligaheimspiel gegen Deggendorf nur vom Pokal-Highlight gesprochen. Seine Bedenken, dass die bevorstehende Lüneburg-Partie den Blick seiner Junioren für den Alltag trüben könnte, zerstreuten sich aber schnell. Der Tabellendritte Dachau fegte Verfolger Deggendorf mit 3:0 vom Feld - den zweiten Satz entschied Graven mit zehn mächtigen Aufschlägen in Serie fast im Alleingang. Nach der Partie wurde Graven zum wertvollsten Spieler gewählt und sagte im Hinblick auf das Pokal-Achtelfinale: "Das Haus wird beben."

Für ein Volleyball-Fest ist jedenfalls alles angerichtet. Von Känel hat extra den Termin von Mittwoch auf Dienstag verlegen lassen, um ein Parallelspiel zum Pokalkracher Alpenvolleys gegen Herrsching zu vermeiden, das nur 40 Kilometer südlich in Unterhaching stattfindet. Anders als in der dritten Liga wird es neben den beiden Schiedsrichtern auch zwei Linienrichter geben. Außerdem ist ein E-Score-System Pflicht, um das Spiel auch online im Liveticker verfolgen zu können. Aber das dürfte für die technisch versierten Dachauer unproblematisch sein. Immerhin haben sie ja seit kurzem auch ihre eigene App.

Von Känel wird vor der Partie noch Dinge üben, die ein Drittligist gegen einen Erstligisten gut gebrauchen kann. Risiko-Aufschläge zum Beispiel. Oder den Passivblock, bei dem es das Ziel ist, den Ball im Spiel zu halten - und nicht direkt auf des Gegners Boden zu blocken. Bei der übermächtigen Abschlaghöhe Lüneburgs sind viele direkte ASV-Blocks auch illusorisch.

Dachaus Junioren müssen übrigens am Dienstag nur bis 11 Uhr zur Schule, um sich möglichst optimal auf das Spiel vorbereiten zu können. "Nerven bewahren und uns nicht anzicken", gibt Coach von Känel dann fürs Spiel vor: "Und wir feiern jeden Punkt so, als hätten wir gerade die Champions League gewonnen." Fast wie damals, im Jahr 1996.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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