Volleyball:Erhöhte Strahlkraft

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Zehn echte Profis stehen im runderneuerten Kader des TSV Herrsching. Der Etat ist deutlich gestiegen. Trotzdem bleibt das Team zum Auftakt gegen Meister Berlin Außenseiter.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Ein wenig gewöhnungsbedürftig war er schon, der Erstliga-Auftakt ohne Herrschings Volleyballer - und er bot gleich zwei Erkenntnisse. Die Alpenvolleys, plötzlich per Wildcard in den Bergen zwischen Unterhaching und Innsbruck erwachsener "Lokal"-Rivale des geilsten Klubs vom Ammersee, kochten in Friedrichshafen auch nur mit Schmelzwasser - denn das deutsch-österreichische Dreijahresprojekt verlor seine Partie am Bodensee prompt mit 0:3 Sätzen. Und Meister Berlin scheint noch nicht in Hochform zu sein, was die düstere 0:3-Pleite in Düren belegt.

Beide Erkenntnisse haben einigen Wert für Trainer Max Hauser und seine Herrschinger, die noch im Wartezimmer sitzen, weil die Bundesliga neuerdings - auch wegen der Alpenvolleys - aus elf Mannschaften besteht und Herrsching gleich am ersten Spieltag frei hatte. Gegen die Alpenvolleys spielen sie ja immerhin im November binnen drei Tagen in der Liga und im Pokal-Achtelfinale. Und auf Berlin treffen sie schon an diesem Mittwoch (19.30 Uhr), dann dürfen auch die Oberbayern endlich die Saison beginnen. Ausgerechnet in der Hauptstadt, aus der sie seit ihrem Aufstieg in die erste Liga noch keinen einzigen Punkt entführen konnten und nicht nur ein Mal chancenlos waren. Doch das soll anders werden, jedenfalls wenn es nach Trainer Hauser geht: "Ich möchte in der Max-Schmeling-Halle punkten, und wir haben auch eine klitzekleine Chance. Düren hat halt jetzt das gemacht, was wir machen wollten." Berlin ist also schon unter Druck, was es den Gästen aus Herrsching nicht unbedingt einfacher machen dürfte.

Manches hat sich nicht verändert bei den Herrschingern im Vergleich zur vergangenen Saison. Sie residieren immer noch am Ammersee, in ihrer kleinen, nicht einmal feinen und schon gar nicht regelkonformen Nikolaushalle. Pläne für eine moderne Multifunktionsarena hatten der Gemeinderat und auch Herrschings parteiloser Bürgermeister Christian Schiller im Sommer zu den Akten gelegt. Dann haben die Herrschinger natürlich wieder die Wiesn-Challenge gegen 1860 München und die EHC-Eishockeycracks gewonnen, nur im Maßkrugstemmen hatten die eher dünnarmigen Volleyballer keine Chance gegen die Kufen-Kraftprotze. Ansonsten hat sich aber doch einiges getan am See.

Die Mannschaft geht stark verändert in die neue Saison, aus dem letztjährigen Kader sind nur noch Libero Ferdinand Tille, Außenangreifer Tom Strohbach und der österreichische Mittelblocker Nicolai Grabmüller übrig. Johannes Kessler und Michael Wehl kehren nach einjähriger Pause ins Team zurück, sie sind eher Spieler, die Hauser einwechseln wird, wenn es nicht rund läuft. Ansonsten sind sieben Neue im Team, von dem Hauser sagt: "Preis-Leistungs-technisch können wir uns einen Orden umhängen. Die Mannschaft kostet nicht wirklich mehr als letztes Jahr, hat aber deutlich mehr Potenzial."

Vom 37-jährigen Zuspieler Michal Sladecek ist Hauser besonders angetan ("verdammt zäher Kerl, sehr guter Aufschläger"): Der 1,80 Meter kurze Slowake hat von der Mannschaft übrigens den Spitznamen "Transporter" bekommen, weil er eine frappierende Ähnlichkeit mit dem bulligen Schauspieler Jason Statham aus dem gleichnamigen Actionfilm aufweist. Nebenbei ist er neuer Kapitän. Aber auch die 205 und 206 Zentimeter langen Mittelblocker Wilhelm Nilsson und Andre Brown haben die Herrschinger beeindruckt. Auch die jungen Deutschen Tim Peter, Christoph Marks und Martin Krüger gedeihen dem Klub zufolge ganz prächtig. Zehn Profis sind es nun, fast der gesamte Kader trainiert acht bis neun Mal pro Woche. Das ist der große Unterschied zu den letzten Jahren, in denen Herrsching in diesem Bereich zum Großteil noch eher semiprofessionell agierte. "Wir haben mehr trainiert in der Vorbereitung als je zuvor und auch mehr Variabilität im Training", sagt Hauser, während Libero Tille findet: "Wir können uns voll auf Volleyball konzentrieren und haben einen guten Mix im Kader. Die Playoffs sollten unser Mindestziel sein."

Hauser selbst möchte kein konkretes Saisonziel festlegen, wohl auch, weil er seine bunt durchgemischte, junge Mannschaft selbst noch nicht richtig einschätzen kann vor dem ersten Stresstest gegen Berlin. "Es ist ein Neustart", sagt Hauser nach den Weggängen von Schlüsselspielern wie Patrick Steuerwald und auch Julius Höfer, "und der ist für mich auf zwei Jahre ausgelegt. Diese Saison sind ein paar meiner Spieler doch noch sehr jung."

Auch abseits des Feldes sieht es nicht schlecht aus für Herrsching. Den Etat hat der TSV laut Teammanager Fritz Frömming auf 520 000 Euro heraufgeschraubt. Natürlich gibt es wieder die Halbzeitshow zum ersten Heimspiel gegen Lüneburg am 28. Oktober in der Nikolaushalle. Der Hallensprecher-Kini hatte mit den Verantwortlichen außerdem ein Kreativ-Meeting bezüglich seines Einlaufs. Und auch das Licht wird gegen Lüneburg heller denn je brennen, dank zusätzlicher LED-Strahler. Ende vergangener Saison hatte eine Messung unterirdische 500 Lux ergeben, die Liga fordert den doppelten Wert. In Berlin wird es ohnehin hell werden. Die Frage ist nur, ob auch die Herrschinger in der Hauptstadt endlich mal strahlen können.

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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