Volleyball:Die Traumfänger

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Einkehr in Andechs: Erstligist Herrsching plagt nach dem verpassten Playoff-Viertelfinale kein Blues, im Gegenteil: Der Klub möchte den Etat steigern, neue Profis verpflichten - und kommende Saison auch mal im Audi Dome spielen.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Zuspieler Tobias Neumann (li. neben Roy Friedrich) zeigt an, wohin der Herrschinger Weg führen soll. (Foto: Johannes Simon)

Am kommenden Montag dürfen sich die Wallfahrer im Kloster Andechs schon mal auf ein gutes Dutzend hochgewachsener Männer einstellen, immerhin acht aus dieser Horde sind länger als zwei Meter. Den Ausflug nach Andechs werden Herrschings Erstliga-Volleyballer aber nicht zur inneren Einkehr nutzen, wobei Einkehr kein schlechtes Stichwort ist. Denn ihr Weg dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit in der ansässigen Klosterbrauerei enden. Und man darf davon ausgehen, dass es ein fröhlicher Abend wird, trotz der am Samstag erlittenen 1:3-Niederlage gegen Mitteldeutschland in den Pre-Playoffs und dem damit verbundenen Saisonende.

"Super Saison" endet auf dem Zahnfleisch

Denn mit Platz acht nach der Rückrunde und dem Einzug in den Vorausscheid hatte zuvor kaum jemand gerechnet. "Wir haben fast ausschließlich mit Studenten und Berufstätigen gespielt und das Beste daraus gemacht. Es war eine super Saison", sagt Herrschings Trainer Max Hauser, der selbst Lehrer am Gymnasium Gilching ist. TSV-Manager Fritz Frömming fügt hinzu: "Sie war extrem anstrengend, wir gehen auf dem Zahnfleisch." 14 Tage Pause haben die Spieler und auch der Stab drumherum nun Pause, in dieser Zeit wird sich die Erkenntnis noch weiter verfestigen, dass Herrsching eine eindrückliche Visitenkarte in der Liga hinterlassen hat - auch wenn dem Klub nicht zuletzt wegen des zu schwachen Kaders der Einzug ins Viertelfinale missglückt ist.

Aber einen Blues haben sie deswegen überhaupt nicht. Etwa 900 Zuschauer kamen im Schnitt in die 1000 Besucher fassende Nikolaushalle, die Stimmung war zumeist prächtig, die Show drumherum auch, durch clevere Marketingaktionen gelang es den Herrschingern, auf sich aufmerksam zu machen. "Wir sind in der Volleyball-Welt in Deutschland angekommen", sagt Manager Frömming, der auch die Spieler lobt: "Es haben sich im Großen und Ganzen alle gesteigert."

Kader hat Erstligatauglichkeit bewiesen

Diagonalmann Daniel Malescha spielte nach anfänglichen Problemen eine starke Saison, sein Bruder Florian war trotz seiner Knieprobleme, die ihn nun zu einer Operation zwingen, überraschend gut. Auch die unerfahrenen Julius Höfer und Michael Wehl überzeugten, größere Schwankungen hatte der Australier Luke Smith, zuletzt geriet auch Zuspieler Tobias Neumann außer Form. Doch der Kader hat bewiesen, dass er erstligatauglich ist - zumindest im unteren Mittelfeld. Trainer Hauser sagt zugleich: "Ich habe tausend Sachen zu verbessern."

An der Neuausrichtung des Kaders wird schon kräftig gedreht. Der erste fixe Weggang ist Mittelblocker Thomas Ranner, der sein Studium in Tübingen forcieren möchte. Fragezeichen stehen noch hinter Smith und Libero Sebastian Prüsener, letzteren würde Herrsching besonders ungern ziehen lassen. Allerdings arbeitet Prüsener in Traunreut am Chiemsee, 150 Kilometer vom Ammersee entfernt. Ansonsten bleibt die Stammformation nach derzeitigem Stand bestehen. Es sollen aber ein starker Mittelblocker, ein Außenangreifer und idealerweise ein Zuspieler - Hausers Wunschkandidat auf dieser zentralen Position ist nach wie vor der in Frankreich spielende einstige Hachinger Patrick Steuerwald - neu ins Team kommen. "Wir brauchen unbedingt sechs oder sieben Spieler, mit denen man professionell arbeiten kann", sagt Hauser, der künftig mehr Vormittagstrainings anbieten möchte. Die Verantwortlichen hoffen außerdem, dass sich die Trainings- und Hallenzeiten verbessern, damit sie auch Profis angemessene Bedingungen gewähren zu können.

Etat soll deutlich steigen

Um solche Spieler zu bekommen und das Umfeld weiter zu professionalisieren, soll der Etat, wie Hauser und Frömming seit Monaten betonen, deutlich steigen. "Es muss ein Etat von einer halben Million Euro her", sagt Hauser, für die abgelaufene Saison hatte Herrsching rund 300 000 Euro zur Verfügung. Die Kooperation mit der DJK Sportbund München Ost, deren Frauen kurz vor dem Aufstieg in die zweite Liga stehen, soll ausgeweitet werden.

Die Herrschinger wollen ihre Fühler auch anderswo in der nahen Großstadt ausstrecken. Sie haben vor, demnächst bei den Bayern-Basketballern anzufragen, ob noch Termine in deren Spielhalle für kommende Saison frei sind. "Wir würden uns wünschen, ein, zwei Spiele im Audi-Dome zu machen", sagt TSV-Manager Frömming - wie einst die Volleyballer von 1860 München. Viele Wünsche sind das, manche dürften an der Wirklichkeit zerschellen. Andererseits: Warum soll ein Klub nicht weiterträumen dürfen, der binnen vier Jahren von der Bayernliga bis in die Pre-Playoffs der ersten Liga emporgestiegen ist?

© SZ vom 10.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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