Unterwasserrugby:Hochburg am Beckengrund

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Die Ottobrunner Spieler wollen nicht nett sein. Dafür sind ihre Nachwuchsteams deutsche Meister. Eine Erfolgsgeschichte, für die es vor allem eines brauchte: einen langen Atem

Von Stefan Galler, Ottobrunn

Als die Sieger nachts um zwei nach einer achtstündigen Autofahrt am Phönixbad in Ottobrunn ankamen, war das Empfangskomitee bereits in Position: Ausgerüstet mit eilig gefertigten Transparenten und Fahnen sowie Präsentkörben für die Fahrer und Betreuer, hießen die Eltern die neuen deutschen Meister willkommen. Die U-15- und U-18-Unterwasserrugby-Spieler des Schwimmvereins Ottobrunn (SVO) kletterten müde, aber glücklich aus den Fahrzeugen. Während die jüngere Mannschaft bei den Meisterschaften in Oberhausen bereits zum dritten Mal in Serie den Titel holte, gelang das den Älteren zum ersten Mal. "Wir sind sozusagen die Kaderschmiede für den deutschen Nachwuchs in unserer Sportart", sagt Harald Lehmann, Abteilungsleiter und Co-Trainer der Ottobrunner.

Lehmann und einige andere haben sich vor ein paar Jahren als Unterwasserrugby-Team in Grünwald zusammengefunden; schon bald kamen sie in der Ottobrunner Schwimmabteilung unter. Das war zunächst kein Problem, weil die damals ausnahmslos erwachsenen Spieler keine Ambitionen hatten, in Punktspielen anzutreten. "Bei uns dauert das anschließende Beisammensein oftmals länger als das Training", sagt Lehmann und grinst. Um jedoch an Meisterschaften teilnehmen zu können, muss man als Unterwasserrugby-Klub im Tauchverband sein: "Das war ein Prozess, beinahe so komplex wie eine Vereinsgründung", erzählt Lehmann. Seit dieser Zeit spielen die Ottobrunner in der Landesliga, der untersten Klasse. Ein Aufstieg würde das Team bereits in die zweite Bundesliga bringen, doch das ist kein Ziel für die "Thekenmannschaft", wie Lehmann sie nennt.

Das verhält sich bei der Jugend des Vereins ganz anders, allerdings hat sich die Nachwuchsarbeit auch erst im zweiten Anlauf als zielführend erwiesen: Mit einer ersten Werbeaktion wurden 14 Jugendliche gewonnen, die jedoch mangels Wettbewerben schnell die Lust verloren. "Als wir mit nur noch zwei Kids dastanden, war ich drauf und dran, den Juniorenbereich wieder zu schließen", sagt Lehmann. Er startete einen letzten Aufruf über den Ottobrunner Ferienpass - und hatte Erfolg. Keine zwei Jahre später schickte der Verein 2014 erstmals eine U-15-Mannschaft zur deutschen Meisterschaft - unter der Leitung des früheren Bundesligaspielers Dieter Eitel, der nur einsprang, weil Lehmann verhindert war. Völlig überraschend kehrte das Team mit dem Titel nach Hause zurück - der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Eitel behielt die Mannschaftsführung und begann mit zielorientiertem Training, die Spieler waren hoch motiviert, vor allem bei Lehrgängen und Wettkämpfen, bei denen sie meist eine Spielgemeinschaft mit anderen Klubs bilden, bevorzugt aus Pößneck/Thüringen. "Die Kinder finden es natürlich immer toll, wenn sie von ihren Eltern wegkommen", witzelt Lehmann, der in die Rolle des Co-Trainers schlüpfte und alle administrativen Aufgaben übernahm. Gemeinsam mit Pößneck verteidigte die U15 ihren Titel 2015 und nun 2016 zweimal erfolgreich, in Oberhausen trat zudem erstmals eine Spielgemeinschaft in der U18 an - und holte ebenfalls auf Anhieb den Titel.

Eitel und der Pößnecker Trainer Erik Franke feilten seit Januar an der Aufstellung, dem Spielsystem, den Rollen und Aufgaben der einzelnen Spieler, konnten wegen der räumlichen Distanz aber nicht gemeinsam trainieren. Und waren vom Erfolg selbst überrascht: "Eine Leistungssteigerung während der zwei Turniertage war von uns erwartet worden. Dass die Steigerung so enorm ausfiel, war eine positive Entwicklung", sagt Eitel. Im letzten Spiel des U-18-Turniers hatte die SG Pößneck/Ottobrunn die nationale Meisterschaft bereits sicher, es ging noch um den offenen deutschen Meistertitel im Wettstreit mit Ege Unterwasserrugby, einem Team aus der Türkei, das bis zu diesem Match ungeschlagen und noch ohne Gegentor geblieben war. Es entwickelte sich ein hartes Spiel, in dessen Verlauf Franke um ein Haar höchstpersönlich ins Wasser gesprungen wäre, um Selbstjustiz zu üben. "Die Schiedsrichter haben das nicht gut geleitet", sagt Harald Lehmann.

Am Ende setzte sich die SG nicht zuletzt dank der starken Defensivleistung einer Gastspielerin aus Geretsried mit 2:1 Toren durch und alle versöhnten sich miteinander. "Das ist typisch für unseren Sport", sagt Lehmann. "Unser Vereinsmotto ist: ,Wir werden nicht nett sein.' Aber nach dem Spiel können alle gemeinsam feiern."

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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