Turnen:Landung auf dem Hosenboden

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Teilerfolg: Am Reck erreicht David Veczernyes 15,30 Punkte - die Tageshöchstwertung im Duell seines Teams Oberbayern mit der Siegerländer KV. (Foto: oh)

Trotz verpassten Erstliga-Aufstiegs blickt das Turnteam Oberbayern entspannt nach vorne

Von Andreas Liebmann, Bühl/Unterhaching

Jakob Glücks Chance bot sich ihm bereits am zweiten Gerät, dem Pferd. Nur zupacken musste der 24-Jährige, oder besser: Nicht loslassen! Vor zwei Jahren hat Glück schon einmal ein Aufstiegsfinale gegen die Siegerländer KV gewonnen, damals mit dem FC Bayern München, der seine Turnabteilung jedoch noch vor der Rückkehr in die erste Liga dichtmachte. Nun wollte Glück den Weg nach oben also mit dem Turnteam Exquisa Oberbayern einschlagen, wieder führte dieser über ein Aufstiegsfinale gegen Siegerland, und sein Gegner Sebastian Bock war soeben vom Pferd gefallen. Zwei Mal.

Im Scoring-System der Deutschen Turnliga treten pro Gerät je vier Sportler in direkten Duellen gegen Turner des Gegners an. Jakob Glück hätte seine Übung nur halbwegs unfallfrei bewältigen müssen, dann hätte er die Höchstzahl von fünf Punkten für sein Team erobern können. Doch dann fiel auch er vom Pferd. Einmal. Zweimal. "Ich weiß nicht, ob er Nerven bekommen hat", wunderte sich Oskar Paulicks, Abteilungsleiter des TSV Unterhaching, einem der Trägervereine des Teams Oberbayern. Fest stand: Glück hätte in diesem Moment das Zwischenergebnis für seine Riege erheblich freundlicher gestalten können, doch er verlor mit dem Halt auch das Duell. An insgesamt fünf Geräten blieb er ohne Punktgewinn.

Die Oberbayern waren im Vergleich zwischen Nord- und Süd-Meister die Außenseiter, und der Gegner stellte sich als erwartet stark heraus. Zwei US-Amerikaner und einen Belgier hatten die Siegerländer aufgeboten, den routinierten Jonas Rohleder und vor allem den herausragenden Philipp Herder, Teil des deutschen Nationalteams. 51:24 stand es am Ende, zur Halbzeit betrug der Siegerländer Vorsprung bereits 33:5 Scorerpunkte. "Wir sind sehr schlecht gestartet und haben ein paar Vorlagen nicht genutzt", fasste Paulicks zusammen. "Aber wenn wir keine großen Fehler gemacht hätten, hätten wir auch verloren, nur knapper." Wobei: Ganz sicher kann natürlich niemand wissen, ob die Gegner, die unbedingt in die erste Liga zurück wollten, dann nicht doch nervös geworden wären.

Es lief von Anfang an nicht so gut wie in den Liga-Wettkämpfen. Bank Selmeczi, einer von zwei Ungarn, die seit Jahren für Oberbayern turnen, landete auf der letzten Bahn seiner Boden-Übung beim Doppeltwist gehockt auf dem Hosenboden. Am Pferd folgte Glücks Missgeschick. Erst der Barren, das fünfte Gerät, fiel an das Team Oberbayern. Am Reck, dem Abschluss, sah es bis zum letzten Turner nach einem zweiten Gerätesieg aus, freilich nur von kosmetischem Wert. Bis Markus Müller zu Boden plumpste. "Der fällt sonst nie runter", staunte Paulicks, "wir hätten das sonst locker gewonnen."

So aber nicht. Bereits am Wettkampfabend hatte sein Sohn Jakob, der das Team trainiert, versichert, dass sich die Enttäuschung in Grenzen halte. Tags darauf sah Oskar Paulicks das ganz genauso. Dabei hätte ein Sieg einiges verändern können. Gleich drei Erstligaturner - Marcel Nguyen, Lukas Dauser und Jakob Paulicks - hätten es womöglich in Betracht gezogen, zu ihrem Heimatklub zurückzukehren, wenn es dafür auch keinerlei Garantien gab: "Im Aufstiegsfall wäre es sicher möglich gewesen", sagt Paulicks, der zugleich versicherte, dass auch dann keine neue Mannschaft zusammengekauft worden wäre. "Wir wollen den Turnern aus unserer Region eine Plattform bieten, dieses Konzept würden wir nicht verlassen." Nun ist es das Bestreben, die alte Mannschaft zusammenzuhalten, inklusive der ungarischen Legionäre, die bereits Interesse bekundet hätten. "Alle, die ich am Sonntag gefragt habe, klingen, als wollten sie weitermachen", berichtet Paulicks. Erste konkrete Gespräche sollen in den kommenden Tagen geführt werden.

Das größte Fragezeichen steht nun hinter dem 17-jährigen Felix Remuta, der von Erstligisten umworben wird. Sein Abiturjahr steht bevor, die Jugend-EM, in seinem Fokus müssten internationale Einsätze stehen und mittelfristig Olympische Spiele. "Wir werden mit ihm reden", sagt Paulicks. Falls er wirklich weg wolle, müsse man das akzeptieren. Auch ohne Remuta werde man in der zweiten Liga eine gute Rolle spielen, glaubt er, vielleicht nicht ganz so gut wie in diesem Jahr. Und es geht ja weiter, so oder so: In Jonas Olbrich stehe der nächste Hachinger bereit, im Turnteam der oberbayerischen Klubs an die zweite Liga herangeführt zu werden. Er ist 15 und ein guter Grund, weiter auf eigenen Nachwuchs zu setzen.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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