Sportschießen:Am Ziel

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Fokus auf Rio: Selina Gschwandtner, 22, verpasste das Weltcup-Finale, fliegt aber nach Brasilien. (Foto: Robert Haas)

Beim Heim-Weltcup in München sichern sich die Luftgewehr-Schützinnen Barbara Engleder und Selina Gschwandtner ihre Olympia-Tickets. Nina-Laura Kreutzer wird in der internen Qualifikation unglückliche Dritte

Von Julian Ignatowitsch, München

Immer wieder ging der Blick hoch zur Video-Leinwand. Die Positionen wechselten sekündlich, Trainer und Fans verfolgten gespannt die Ergebnisse. Den Überblick behalten? Gar nicht so leicht. Die Schützinnen, aufgereiht, eine neben der anderen, drückten unaufgeregt Schuss um Schuss ab. Jede auf sich konzentriert, jede auf den Mittelpunkt der Scheibe fokussiert. Zur Nebenfrau oder gar zur Leinwand guckte keine. Neben dem leisen Klacken der Luftgewehre hörte man hier ein Grüppchen fachkundig murmeln, dort sah man Bundestrainer Claus Dieter Roth mit dem Kopf nicken. Viel mehr als das Gesamtergebnis hatte Roth die Punktabstände zwischen seinen Athletinnen im Blick.

In diesen Tagen entscheidet sich beim Weltcup in München, wer zu den Olympischen Spielen fahren darf. Die Luftgewehr-Frauen machten den Anfang. Am Ende landete Barbara Engleder vom Bund München mit 417,1 Ringen im bayerischen Dreikampf vor Selina Gschwandtner (416,6) und Nina-Laura Kreutzer (409,8), beide von der HSG München. Damit stand fest: Engleder und Gschwandtner sind in Rio dabei, Kreutzer muss zu Hause bleiben. Bei der Verliererin flossen Tränen, die Gewinnerinnen fielen strahlend in die Arme ihrer Freunde und Familien. Auch untereinander wurde fair gratuliert.

Es war der Abschluss eines harten internen Ausscheidungswettkampfs über mehrere Monate auf höchstem Niveau. Sportlich gesehen ist das Resultat sicherlich gerecht. In Engleder und Gschwandtner qualifizieren sich die konstantesten Schützinnen der vergangenen zwei Jahre. Frühzeitig hatten sich die Gewehrfrauen ihre Startplätze gesichert, der interne Kampf um deren Besetzung zog sich dagegen nervenaufreibend in die Länge.

Ausgerechnet Gschwandtner, 22, als Europameisterin und Weltcup-Finalsiegerin zuletzt international am erfolgreichsten, stand zwischendurch vor dem Aus. Ein kleines Formtief zu Beginn des Jahres hatte sie in eine ungünstige Ausgangslage gebracht, vor dem entscheidenden Wettbewerb stand sie immens unter Druck. Die Anspannung war allen drei Starterinnen anzumerken. Ins Finale dieses Weltcups schaffte es keine, was Gschwandtner allerdings ziemlich egal war. Wie so oft behielt sie dann die Nerven, als es auf die Zielgerade ging. "Ich mag solche Situationen. Ich brauche den Druck, um meine Bestleistung abrufen zu können", erklärte sie. Dabei profitierte sie auch von einem ungewöhnlich schwachen Tag ihrer ebenfalls 22-jährigen Teamkollegin und Freundin Kreutzer. So sei eben der Sport, meinte Gschwandtner. Über die Ergebnisse der Konkurrentinnen sei sie während des Wettkampfs nicht informiert gewesen, kurz zweifelte sie, ob es für sie reichen würde. "Am Ende war es wichtig, dass ich mein eigenes Ding durchgezogen habe", sagte sie - und packte zufrieden ihr Gewehr ein.

Vor einer Woche noch hatte Gschwandtner selbst die andere Seite erlebt. Im Dreistellungswettkampf mit dem Sportgewehr, ihrer anderen Paradedisziplin, hatte sie die Qualifikation knapp verpasst. Umso wichtiger war es für sie, dass sie ihre zweite Chance jetzt nutzte. Im August wird sie dann den bis dato größten Moment ihrer noch jungen sportlichen Karriere erleben: die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. "Das kann man gar nicht oft genug hören", sagte Gschwandtner lachend. Seit dem Wechsel von den Junioren zu den Erwachsenen vor zwei Jahren läuft es für die 22-Jährige noch viel besser als geplant. Die Gewehr-Frauen sind die große deutsche Hoffnung auf eine Medaille in Brasilien. Sie holen regelmäßig Spitzenplatzierungen bei internationalen Events. Dass wie an diesem Wochenende die Luftgewehr-Männer die besseren Ergebnisse erreichen, ist die Ausnahme: Julian Justus (Homberg/Ohm) wurde im Finale Vierter und sicherte sich seinen Olympia-Startplatz, zusammen mit Michael Janker (Hofstetten). Die Chinesen (zwei Gold, zwei Silber, ein Mal Bronze) führen wieder einmal klar den vorläufigen Medaillenspiegel in München an, die Deutschen sind noch ohne Top-3-Platzierung. Diese Statistik war aber eher zweitrangig. "Ich bin bei Olympia dabei, alles andere interessiert mich nicht", sagte Engleder.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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