Sport und Studium:Populärwissenschaftliche Praxis

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Standortnachteil München: Die begabtesten Spieler wie Johannes Stumpf wandern ab. (Foto: Johannes Simon)

Die Handballakademie Bayern sucht gemeinsam mit der Hochschule München nach Wegen, um Talente länger in der Region zu halten

Von Lisa Meyer, München

Nachrichten, das weiß die Forschung spätestens seit den Arbeiten des Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun, können von Sender und Empfänger ganz unterschiedlich verstanden werden: Weil wir Botschaften auf verschiedenen Ebenen verschieden interpretieren, kann es passieren, dass B nicht hört, was A sagt, und bei B ankommt, was A vielleicht gar nicht meint.

Eine Kooperation mit der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule für angewandte Wissenschaften München hatte die Handballakademie Bayern (HAB) verkündet. Kooperation, findet Professor Jörg Puchan von eben jener Fakultät dann aber, das sei "ein bisschen zu dramatisch formuliert". Ja, was denn nun?

Die Handballakademie Bayern, eine ehrenamtliche Initiative mit Sitz in Unterhaching, bietet seit einem Jahr ein umfangreiches Angebot für Handballspieler, -trainer und -vereine an. Im Zentrum steht die individuelle Förderung begabter Handballer zwischen 16 und 19 Jahren aus dem Raum München. Weil Spieler dieses Alters nicht mehr von der Talentförderung der Landesverbände profitieren, sollen sie in der HAB vereinsunabhängig unterstützt und an den Leistungs- und Spitzensport herangeführt werden. Nicht nur durch zusätzliches Fördertraining, auch durch Workshops zur Berufswahl und die Vermittlung von Praktikums- oder Studienplätzen in Partnerfirmen und -institutionen. Ein solcher Partner sollte nun die Hochschule München werden. Oder aber: Ein solcher Partner ist nun die Hochschule München geworden. Ein Versuch der Aufklärung.

"Mit der Hochschule München startet die Handballakademie Bayern ihre Zusammenarbeit mit regionalen Hochschulen. Studierende der Fakultät können ihre Abschlussarbeiten in einem Teilbereich der Handballakademie schreiben oder über den Handball mit Partnerunternehmen der HAB verknüpft werden." So verkündet es die Pressemitteilung der Akademie.

Die HAB sei eine ehrenwerte Angelegenheit, findet Jörg Puchan, doch könne man den geförderten Spielern keine gesonderten Studienplätze einräumen oder anderweitige Vorzüge verschaffen. Kooperation sei in diesem Kontext vielleicht ein etwas irreführender Begriff. "Es gibt keine Sonderbehandlung. Auswahlverfahren und Studium laufen für die Handballer ganz regulär." Von großer Zusammenarbeit möchte Puchan deshalb lieber nicht sprechen: "Niemand soll denken, dass Handballer bei uns etwas geschenkt bekommen, Fußballer dafür arbeiten müssen und an Basketballer erst gar keiner denkt." Nichtsdestotrotz stehe man beispielsweise Abschlussarbeiten aus dem Umfeld der HAB aufgeschlossen gegenüber - genauso wie Themen aus großen und mittelständischen Unternehmen. Denkbar wären etwa Marketingstudien oder Arbeiten, die sich mit der Entwicklung neuer Handballprodukte auseinandersetzen.

Die Relativierungen seines neuen Partners stehen für HAB-Vorstand Christian Emrich nicht im Widerspruch zu den anvisierten Zielen. Die Akademie habe sich eines Problems angenommen, das viele Verantwortliche im Handball noch nicht erkannt hätten: Durch das achtstufige Gymnasium (G8) kommen viele Spieler früher zum Abitur und beginnen noch als A-Jugendliche ein Studium, wechseln den Wohnort und kämpfen damit, den Spagat zwischen Leistungssport und Studium zu meistern. Dabei will die HAB helfen.

Mit der Möglichkeit, etwa eine Abschlussarbeit mit Handballbezug schreiben zu können, sollen talentierte Spieler in der Region gehalten oder sogar nach München gelockt werden. Mit Kontakten zu internationalen Vereinen will die HAB den von ihnen geförderten Spielern zudem helfen, auch während eines Auslandssemesters Sport und Studium miteinander verbinden zu können. Dass die Spieler an den regulären Auswahlverfahren wie dem der Hochschule München scheitern könnten, darüber macht sich Emrich keine Sorgen: "Wir wissen, dass Sportler in solchen Verfahren gut sind. Sie sind leistungsorientiert, willensstark und zielgerichtet."

Auch mit anderen Hochschulen aus dem Münchner Umland steht die HAB inzwischen in Kontakt. Doch egal wie groß das Netzwerk wird, ein Problem bleibt, das natürlich auch Emrich sieht: Selbst bei optimalen Studienbedingungen ist München kein perfekter Standort für Handballtalente mit größeren Ambitionen. "Der Leistungsbereich ist hier in München verkümmert", sagt der HAB-Vorstand. Bei Männern (TuS Fürstenfeldbruck) und Frauen (HCD Gröbenzell) ist im Großraum derzeit in der dritten Liga das Maximum erreicht. "Aber wir wollen versuchen, Talente etwas länger zu halten, vielleicht bis zur U21, bis sie dann den Sprung in den Profibereich wagen."

Die Entwicklung des einzelnen Spielers hat in der Handballakademie Bayern oberste Priorität und steht vor Vereinsinteressen, so das offizielle Credo. Primär gehe es um eine optimale individuelle Förderung, sagt Emrich. Und auch darum, dass die Jugendlichen erst einmal eine solide Ausbildung erhalten, bevor dann vielleicht der nächste Schritt in Richtung Profikarriere erfolgt. "Sekundär profitiert natürlich auch der Handballstandort München."

Botschaft angekommen.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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