Integration von Asylbewerbern:Raus aus dem Heim, rein ins Trikot

Integration von Asylbewerbern: "Es gibt viele, die etwas machen wollen": Beim FC Wacker München spielen Asylbewerber in integrativen Mannschaften Fußball.

"Es gibt viele, die etwas machen wollen": Beim FC Wacker München spielen Asylbewerber in integrativen Mannschaften Fußball.

(Foto: Stephan Rumpf)

Flüchtlinge sind in einigen Münchner Vereinen längst angekommen, nun sollen sich weitere Sportvereine für sie öffnen. Leute, die helfen wollen, gibt es viele - aber auch immer wieder Probleme.

Von Andreas Liebmann

Die Münchner Sportvereine haben Post bekommen im Dezember, einen Brief vom Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV). Mit ihm dürfte bei den Klubchefs endgültig ein Thema angekommen sein, das einige von ihnen vermutlich ohnehin, andere vielleicht noch nicht auf ihrer Agenda hatten - das aber unweigerlich auf sie alle zukommen wird. Es ist die Integration von Flüchtlingen.

Der Kreisvorsitzende Uli Hesse bezeichnet es in seinem Schreiben als wichtigen "Bestandteil der Aufgaben der Münchner Sportvereine", den Neuankömmlingen kostenloses Sporttreiben zu ermöglichen, und er bittet die Vereine eindringlich um Engagement.

In vielen Vereinen rund um die Landeshauptstadt ist nicht nur das Thema angekommen - längst sind es die Menschen selbst. Bei den Fußballern der FT Starnberg spielen Asylbewerber bereits in mehreren Jugend- und Männermannschaften, sie haben Ausrüstung bekommen, Unterstützung, und sie engagieren sich ihrerseits im Verein. Sie kommen aus Nigeria, Sierra Leone, Afghanistan.

Integration mit viel Reibung verbunden

Der Kreisligist hat die Chancen der Integration früh erkannt, aber schnell auch die Schwierigkeiten zu spüren bekommen. Vor drei Monaten gab es in mehreren Auswärtsspielen der Männer rassistische Schmähungen. Seitdem ist es gottlob ruhiger geworden um die Neuen. Viele Vereine in der Region sammeln Sportutensilien für Flüchtlinge, bieten ihnen Trainingsmöglichkeiten.

Integration von Asylbewerbern: "Es gibt viele, die etwas machen wollen": Beim FC Wacker München spielen Asylbewerber in integrativen Mannschaften Fußball.

"Es gibt viele, die etwas machen wollen": Beim FC Wacker München spielen Asylbewerber in integrativen Mannschaften Fußball.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für Bernhard Slawinski, den Kreisvorsitzenden des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) in München, waren die Vorfälle um das Starnberger Team nicht überraschend, er nennt sie "absehbar". Er ahnt, dass die Integration in der Landeshauptstadt noch viel mehr Reibung verursachen wird. Im Rahmen seines Gewaltpräventionsprojektes "Fairplay München" hat er zur Genüge festgestellt, wie schwierig es schon ist, wenn städtische auf ländliche Klubs träfen: Von den einen kämen "ausländerfeindliche Äußerungen", von den anderen Schimpfworte wie "Nazis".

Mit dem Eintreffen Tausender Flüchtlinge erwarte er "ganz neue Konfliktlinien". Man sehe ja gerade in Dresden, dass die Angst vor Fremdem tief in vielen Menschen verankert sei. "Man muss frühzeitig Verständnis schaffen, es geht darum, über viele Gespräche die gegenseitige Angst zu nehmen."

"Es gibt viele, die etwas machen wollen"

Slawinski ist es gerade erst gelungen, die Zahl der Gewaltvorfälle auf Münchens Fußballplätzen zu senken, nun ist er dabei, sich auch für die neuen Herausforderungen ein passendes Konzept zu überlegen. Er habe einen Ehrenamtlichen gefunden, der eine Art Pate dafür sein könne, habe sich eine Übersicht über die Wohnstätten der Flüchtlinge kommen lassen, nun gehe es darum herauszufinden, welche Fußballvereine wie viele Kapazitäten frei hätten, um sich hier einzubringen.

"Es gibt viele, die etwas machen wollen", weiß er, "aber noch ist alles sehr unkoordiniert. Es löst ja das Problem nicht, den Jungs Schuhe und ein Trikot zu geben, es geht darum, sie aus den Heimen raus und in die Gesellschaft hineinzuholen." Nur wie? Und vor allem: Wie weiter? Es gehe dann ja auch um Traumabewältigung. Niemand wisse, wie jemand, der in Kriegsgebieten oder auf seiner Flucht schrecklichste Dinge erlebt habe, in Stresssituationen während eines hitzigen Punktspiels reagiere.

Klar ist Slawinski bisher nur: "Wir sind gefordert, hier etwas Koordiniertes hinzukriegen." Er werde in Gesprächen mit Vertretern von Rathaus und Schulen versuchen, eine gemeinsame Linie herzustellen, und dann wolle er mit interessierten Vereinen auf die Bewohner in den Unterkünften zugehen.

Sportamt spricht Vereine direkt an

Was Slawinski für den Fußball plant, hat Uli Hesse sportartübergreifend für den BLSV bereits in die Wege geleitet. Er bittet die Vereine in seinem Schreiben, "sich nach besten Kräften einzubringen" und sich für Flüchtlinge zu öffnen. Das Sportamt der Stadt werde mit dem Sozialreferat ermitteln, für welche Standorte es Bedarf an Sportangeboten für die Asylbewerber gebe, das Sportamt werde die für eine Kooperation infrage kommenden Vereine dann direkt ansprechen. Bis Mitte Januar sollen die Vereine ihrerseits mitteilen, welche Möglichkeiten sie sehen, Sportangebote für die Gemeinschaftsunterkünfte in ihrer Nähe zu machen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Münchner Großsportvereine habe sich dabei bewusst gegen separate Sportangebote für Migranten entschieden, schreibt Hesse, "da dies zur Isolation statt zur Integration dieser Menschen auch im Sport führen würde". Die vielleicht wichtigste Information für die Klubchefs: Die Flüchtlinge seien bei Vereinsangeboten durch den BLSV "pauschal gegen Unfall- und Haftpflichtschäden" versichert, auch ohne Vereinsmitgliedschaft. Solange sie nicht am Wettkampfbetrieb teilnähmen, müssten sie dem BLSV dafür nicht mal namentlich gemeldet werden. Sport sei "ein sehr gutes Mittel, diesen Flüchtlingen Abwechslung und Betätigung im Alltag zu bieten", schreibt Hesse und wirbt: "Dies ist die beste Art gelebter Integration - ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand und ohne zusätzliche Kosten."

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