Schießen:Neue Waffen-Brüderlichkeit

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"Wir möchten nicht gegeneinander antreten": Andreas (links) und Michael Heise haben sich das Motto der Klitschkos zu eigen gemacht. (Foto: Robert Haas)

Die Pistolenschützen der HSG München haben sich vorzeitig für die Bundesliga-Endrunde qualifiziert. Dass sie erstmals die Chance auf eine Team-Medaille haben, liegt nicht zuletzt an der Integration der Zwillinge Michael und Andreas Heise

Von Julian Ignatowitsch, München

Samstagmorgen, zum Frühstück gibt es Kaffee. Der jüngere Bruder bringt dem älteren eine Tasse mit. Die Zwillinge Andreas und Michael Heise haben sich in eine ruhige Ecke im Schützenheim zurückgezogen. Den Löffel teilen sie sich.

Die brüderliche Kontemplation hat sich ausgezahlt. Zwei Siege hat die Hauptschützengesellschaft München (HSG) an diesem Wochenende in der Luftpistolen-Bundesliga gefeiert, 5:0 gegen Hambrücken und 3:2 gegen Waldenburg. Michael Heise, der ältere der beiden Brüder, durfte am Sonntag gegen seinen ehemaligen Teamkollegen Andreas Schneider an den Schießstand und gewann das Duell durch ein starkes Finish mit 373 Ringen. Sein Bruder war tags zuvor gegen Hambrücken im Einsatz und gewann ebenfalls (380 Ringe). Mit dem achten Sieg im neunten Wettkampf hat die HSG nicht nur die Tabellenführung verteidigt, sondern auch vorzeitig die Qualifikation für die Endrunde im Februar in Rotenburg an der Fulda geschafft. Die Münchner sind die stärkste Mannschaft in der Gruppe Süd, das unterstreichen auch die guten Teamergebnisse. Mit 1913 Ringen am Samstag hätte die HSG beinahe den kürzlich erst aufgestellten Rekord noch einmal verbessert. "Wir sind rundum zufrieden," sagte Trainer Detlef Polter, "gerade der Sieg gegen Waldenburg war enorm wichtig, damit haben wir den Vorsprung gegen einen direkten Konkurrenten ausgebaut."

Für Andreas und Michael Heise war die Begegnung mit Waldenburg ohnehin etwas Besonderes. "Wir sind vier Mal mit der Mannschaft Meister geworden und haben dort noch Freunde", erzählt Michael. Nach einem schweren Jahr 2014 mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen finden die Heises gerade wieder zu ihrer Form - und das ausgerechnet im Kreis ihres neuen, alten Teams. Denn die Konstellation in der Vergangenheit war kompliziert: Seit 2012 sind die Zwillinge Mitglieder bei der HSG. Weil sie zu Beginn Probleme bei der Eingewöhnung in München hatten, starteten sie in der Bundesliga aber für Waldenburg.

Das Verhältnis zur HSG war nicht immer einfach, aber jetzt haben sie sich im Verein eingelebt und profitieren vom Lauf der Mannschaft. "Das Teamgefüge ist so harmonisch wie noch nie. Wir fühlen uns mittlerweile richtig wohl", sagt Michael Heise. Die Leistungen der Teamkollegen würden sich positiv auf die eigenen Resultate auswirken. Von internationalen Spitzenschützen wie Olena Kostevych und Munkhbayar Dorjsuren könne man sich viel abschauen. Und der starke Kader entlastet vom mentalen Druck, der im Schießsport eine große Rolle spielt und für das Brüderpaar manchmal ein Hindernis war.

Jetzt sind die Ergebnisse der beiden 24-Jährigen wieder stabil. In diesem Jahr wurden sowohl Michael (Luftpistole) als auch Andreas (Freie Pistole) deutsche Meister im Einzelwettbewerb. "Die Titel haben wir uns gut aufgeteilt," sagt Michael lachend. Überhaupt machen die Zwillinge sehr viel gemeinsam, ihr sportlicher Lebenslauf liest sich nahezu identisch, gerne ziehen sie den Vergleich zu den Klitschkos: "Wir möchten nicht gegeneinander antreten." Was sie mit Waldenburg in den vergangen Jahren schon geschafft haben, wollen sie jetzt mit der HSG ebenfalls erreichen: den Meistertitel im Mannschaftswettbewerb. "Eine Medaille ist auf jeden Fall realistisch", sagt Michael Heise mit Blick auf das Finale. Sein Bruder stimmt zu, es wäre die erste für die HSG. Mit den aktuellen Leistungen sind die Münchner eigentlich sogar Titelfavorit.

Am Sonntag nach dem Wettkampf sitzen die Heises gemeinsam im Auto nach Niedersachsen. Beide sind im Sportförderprogramm der Bundeswehr, beide absolvieren aktuell einen Ausbildungskurs. "In den letzten Tagen haben wir fast nie mehr als fünf Stunden pro Nacht geschlafen", erzählt Andreas. "Eine Nacht sind wir komplett durchmarschiert." Das heißt: viel Kaffee, nicht so viel Training. Vor Weihnachten, wenn die Bundesliga pausiert, stehen ein paar Tage Ruhe an. Nächstes Jahr wollen die Heises auch bei internationalen Wettkämpfen wieder vorne mitmischen.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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