Radsport:Zwei Stunden Stillstand

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Die Münchner Einradfahrerin Ana Schrödinger gewinnt drei EM-Titel in den Disziplinen Langsam vorwärts, Langsam rückwärts und Stillstand und stellt zwei Weltrekorde auf.

Von Sebastian Winter, München

Im Sport soll alles ja immer schneller, weiter, höher gehen. Bloß kein Stillstand, ja kein Schritt zurück. Alles, was zählt, ist der nächste Lauf, das nächste Spiel, die nächste Chance also, es den anderen zu zeigen. Ana Schrödinger hat sich in diesem Sinne eine ganz außergewöhnliche Spielart herausgesucht. Die Münchnerin fährt Einrad, ihre bevorzugten Disziplinen: Langsam vorwärts. Langsam rückwärts. Stillstand. Schrödinger, 22, ist so gut wie kaum jemand sonst darin, möglichst langsam zu sein - weltweit.

Bei der Einrad-Europameisterschaft im niederländischen Städtchen Sittard, die am Sonntag zu Ende ging, hat die Athletin des Sportvereins Solidarität München ihre Ausnahmestellung erneut unter Beweis gestellt. Sie gewann drei EM-Titel und stellte dabei zwei neue Weltrekorde auf. In der Königsdisziplin des Gleichgewichts, dem Stillstand, was wörtlich zu nehmen ist, verbesserte sie ihren 2014 bei der WM in Montreal aufgestellten Weltrekord um 43:05 Minuten auf 1:49:08 Stunden. Ein wenig Vorsprung auf die zweitplatzierte Französin Fanny Riom hatte Schrödinger auch - die musste nämlich schon nach gut acht Minuten vom Rad steigen. Beim Stillstand sind ein extrem guter Gleichgewichtssinn, Konzentration und Kraft nötig, da die Fahrer so lange wie möglich auf ihrem Rad auf einem zehn Mal 25 Zentimeter kleinen Brett stehen müssen.

Auch in der Disziplin Langsam vorwärts, bei der es darum geht, so langsam wie möglich über ein zehn Meter langes und nur 15 Zentimeter breites Brett zu fahren, ohne dabei zu pendeln, das Rad seitwärts zu drehen, oder den Fahrfluss durch einen Stillstand zu unterbrechen, glänzte Schrödinger. In 2:56,02 Minuten stellte sie auch hier eine neue Weltrekordmarke auf - und lag ebenfalls weit vor der Konkurrenz. Julia Sandner aus Kastl in der Oberpfalz kam auf Platz zwei nur halb so langsam ins Ziel. Nur in der Disziplin Langsam rückwärts gelang Schrödinger kein neuer Rekord, dafür verteidigte sie ihren Europameistertitel von Mondovi/Italien aus dem Jahr 2015 in immer noch sehr behäbigen 2:59 Minuten.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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