Nationalelf: Weggefährten berichten:Kreisliga statt Kap

Lahm, Badstuber, Brode - sie alle haben das Kicken beim FC Bayern gelernt. Einige spielen nun bei der WM, andere in Amateurligen. Fünf Beispiele, warum eine Jugend beim Rekordmeister nicht nach Südafrika führen muss.

A. Liebmann, J. Schnitzler, R. Tögel u. W. Wittl

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Die WM verfolgt Hermann Gerland zu Hause vor dem Fernseher: Der 56-Jährige hat sich beim Fußballtennis die Achillessehne gerissen. Trotzdem spielt Gerland in Joachim Löws Kader eine zentrale Rolle. Gerland hat als U-23-Trainer beim FC Bayern München die meisten aktuellen Nationalspieler geformt: Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Piotr Trochowski, Thomas Müller und Holger Badstuber. Gerlands Pendant heißt Gerti Wanke. Die 58-Jährige leitet seit drei Jahren das Jugendhaus des FC Bayern. Bei Problemen in der Schule, mit der Freundin oder den Eltern ist Wanke erste Ansprechpartnerin für die Talente, die mit 15 Jahren ins Bayern-Internat einziehen. Manche seien vom ersten Tag an sehr selbständig, andere bräuchten "die häusliche Unterstützung", sagt Wanke. "Bei manchem macht es erst mit 16, 17Jahren 'klick'." Als etwa Badstuber in diesem Alter gewesen sei, verrät Wanke, "da hätte niemand gesagt: ,Mensch, in drei Jahren ist der bei der WM dabei.'" Die Süddeutsche Zeitung hat Fußballer gesucht, die mit Lahm, Schweinsteiger, Trochowski, Badstuber und Müller trainiert, den Sprung ins Profigeschäft aber nicht geschafft haben, und sie gefragt, warum die einen jetzt in Südafrika, die anderen in der Kreisliga spielen. Stephan Müller, 26, vereinslos: "Philipp hat Potential" "Ich blicke gerade auf ein Foto von 1999: Philipp Lahm und ich, als wir Deutsche Meister mit der Bayern-Auswahl geworden sind. Er von Bayern, ich von Sechzig. Ich war Stürmer, aber in der Auswahl war ich wie Philipp fürs linke Mittelfeld vorgesehen - weshalb Philipp meist auf der Bank saß. Er war eben klein und schmächtig. Bayern wollte ihn mehrmals aussortieren, aber sein Trainer Hermann Hummels hat ihn immer geschützt und gesagt: Der hat Potential und taktisches Verständnis. Erst gegen Ende der A-Jugend hat sich gezeigt, dass Hummels recht hatte. Solches Glück gehört dazu, um Profi zu werden. Vor allem braucht es den Ehrgeiz, den ganzen Lebenswandel auf das Ziel Fußballkarriere auszurichten. Ich hatte mit 18 das Gefühl: Das hier ist nicht das, was ich vom Leben will. Also bin ich zur Jugendleitung gegangen und habe gesagt, ich höre auf. Nicht einmal mein Vater wusste davon. Zuvor hatte ich ein halbes Jahr lang Rückenschmerzen gehabt, die kein Arzt erklären konnte. Klar, wenn ich nun nach Südafrika schaue, denke ich schon: Hättest du das auch geschafft? Aber ich bin zufrieden. Und die Liebe zum Fußball bleibt." Ehe er im Alter von 14 Jahren zum TSV 1860 München kam, spielte Stürmer Stephan Müller beim TSV Schäftlarn und beim FC Starnberg. Mit 18 wechselte er zum BCF Wolfratshausen, mit dem er von der Bezirksoberliga zweimal aufstieg. Zuletzt pausierte er wegen seines Studiums.

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Christoph Herberth, 19, Bayernliga: "Holger ist riesig" "Thomas Müller hat im ersten Jahr A-Jugend gleich 15 Tore oder noch mehr gemacht. Der war immer gut, ein Kämpfer mit der richtigen Einstellung. Was mich beeindruckt hat: Er hat nebenbei sein Abitur durchgezogen. Das machen wenige, die in diesem Alter schon auf diesem Niveau dabei sind. Das Zeug zum Profi hat bei Bayern fast jeder. Dazu gehört dann auch Glück. Man muss eben am richtigen Ort von den richtigen Leuten gesehen werden. Zu Holger Badstuber zum Beispiel hat Hermann Gerland (Trainer FC Bayern München II) eine besondere Beziehung. Er hat seinen Vater gut gekannt und den Holger 2002 aus Stuttgart geholt. Der hat schon was drauf. Er ist halt riesig groß. Wegen ihm musste ich damals weg von Bayern. Vor dem Viertelfinale um die Deutsche B-Jugendmeisterschaft 2007 gegen Kaiserslautern hat man mir gesagt, dass ich gehen muss, weil vier Innenverteidiger zu viele sind. Im Halbfinale habe ich dann sehr gut gespielt, darum durfte ich nach einem Jahr bei Unterhaching wiederkommen. Als ich 2008 zurückkam, hatten sie den Badstuber zu den Amateuren hochgezogen. Ich will es schon noch mal versuchen, höherklassig zu spielen. Die zehn Jahre bei Bayern möchte ich nicht einfach so wegwerfen, denn einen richtigen Unterschied habe ich eigentlich nie gesehen." Christoph Herberth kam als E-Jugendlicher von den Fußballfreunden Geretsried zum FC Bayern. In der abgelaufenen Saison spielte er für Unterhaching II.

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Daniel Brode, 26, Kreisliga: "Piotr war der Beste" "Das Talent war bei allen Spielern ähnlich. Piotr Trochowski war vielleicht der Beste, vom Talent her. Er war beidfüßig überragend und ist schon etwas aus der Mannschaft herausgestochen. Dann haben sich unsere Wege getrennt. Bastian Schweinsteiger wurde von Hermann Gerland zu den Amateuren geholt, Philipp Lahm bekam damals ein Angebot vom VfB Stuttgart. Dort wurde er von Felix Magath gefördert. Bei denen hat es halt gepasst. Man muss zur richtigen Zeit die richtigen Kontakte haben. Auch ich hatte damals ein Angebot vom VfB, aber der Trainer ging dann zurück zu den Junioren, das war's. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Wie in Regensburg. In der Regionalliga lief es gut, bis Mario Basler als Trainer ging. Die WM verfolge ich natürlich, aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. Einmal analytisch, also etwa welche Systeme die Mannschaften spielen. Und als Fan, da schaue ich besonders, was meine ehemaligen Mannschaftskameraden machen." Abwehrspieler Daniel Brode begann mit Fußball beim SV Germering. Nach der F-Jugend wechselte er zum FC Bayern. Dort wurde er mit der B- und mit der A-Jugend Deutscher Meister, wechselte danach zum Bayernligisten SC Fürstenfeldbruck. Weitere Stationen waren die Amateure des 1. FC Köln und Jahn Regensburg. Nach einer Schulterverletzung kehrte er zum SV Germering zurück, mit dem er in die Kreisliga aufstieg.

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Matthias Luginger, 19, Bayernliga: "Thomas puscht alle" "Ich habe ein Jahr mit Thomas Müller gespielt: Da gab es nie eine Diskussion, ob er vielleicht mal auf der Bank sitzt. Thomas war als Stammspieler immer gesetzt. Bei Spielformen im Abschlusstraining zum Beispiel hat man gemerkt: Die Mannschaft, die Thomas vorne drin hatte, hat meistens auch gewonnen. Als Torwart habe ich versucht, ihn öfter anzuspielen, weil er den Ball gut abschirmt und immer etwas damit anzufangen weiß. Und obwohl er nicht Kapitän war, hat er immer die Führung übernommen, ein Wort mehr gesprochen als andere und die Mannschaft gepuscht. Holger Badstuber hat nicht so viel gesprochen. Aber er hat große Ruhe ausgestrahlt, die Bälle verarbeitet, konstant seine Leistung gebracht und kaum Fehler gemacht. Ich selbst habe mich vom Profifußball zwar noch nicht verabschiedet. Aber ich habe zuletzt die Doppelbelastung Fußball und Schule ziemlich gemerkt - am vergangenen Mittwoch hatte ich meine letzte Abiturprüfung. Jetzt schaue ich zu, wie meine früheren Kumpels bei der Weltmeisterschaft in Südafrika spielen: Etwas kritischer vielleicht, aber ich werde auf jeden Fall mit ihnen fiebern. Sie waren immer fleißig und haben sich das verdient. Ich drücke ihnen die Daumen." Torwart Matthias Luginger gelangte über den FC Neuhadern und den TSV Forstenried zum FC Bayern München. Momentan steht er bei der SpVgg Unterhaching II im Tor.

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Dominik Putzke, 24, Landesliga: "Bastian ist souverän" "Als wir 2001 mit 4:0 gegen Dortmund Deutscher B-Jugendmeister wurden, hat Bastian Schweinsteiger zwei Tore gemacht. Er hatte eine überragende Technik, hervorragende Spielübersicht und einen sehr guten Schuss. Ich bin ein Jahr jünger als er und damals in die B-Jugend aufgerückt. Nach dem ersten Jahr A-Jugend hat mich der Verein weggeschickt, weil meine Entwicklung nicht so gut gewesen sein soll. Das hat weh getan, nach sechs Jahren bei den Bayern. Man träumt ja davon, sein Geld als Profi zu verdienen. Es war eine Mentalitätsfrage bei mir, ich hatte wohl zu viele Selbstzweifel. Bastian hatte immer großes Selbstvertrauen, ist unbeirrbar seinen Weg gegangen. Dass er so rasant aufsteigen würde, hätte ich nicht vermutet. Er hat sehr früh regelmäßig spielen dürfen, das hat ihn weitergebracht. Wenn ich ihn heute sehe, hat seine Persönlichkeit mit damals nichts mehr zu tun. Er wirkt sehr souverän. Er hatte bei Bayern eine überragende Saison, ich denke, er bestätigt das jetzt bei der Nationalmannschaft. Im Nachhinein bin ich extrem stolz, dass ich mit ihm spielen durfte. Es ist zwar auch ein bisschen Wehmut dabei, aber ich gönne es jedem, der es geschafft hat." Abwehrspieler Dominik Putzke startete seine Karriere beim SV Taufkirchen. Weitere Stationen waren die SpVgg Unterhaching, der FC Bayern, 1860 Rosenheim und der BCF Wolfratshausen. Mit dem SV Heimstetten ist er diese Saison in die Bayernliga aufgestiegen.

© SZ vom 14.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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