Motorsport:Ohne Smolinski zur EM

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Verzockt: Ausgerechnet bei seinem Heimrennen verpasst der Speedway-Profi aus Olching die Qualifikation für die Serie der besten europäischen Fahrer

Von Christoph Leischwitz, Olching

Martin Smolinski und Krzysztof Kasprzak gaben gleichzeitig Interviews im Fahrerlager, sie standen höchstens zehn Meter auseinander, doch sie hätten kaum unterschiedlicher aussehen können: Dort der Deutsche, bereits umgezogen in seiner aufgeräumten Box, dort der Pole, noch im sandbedeckten Rennanzug, mit weißgerahmter Sonnenbrille. Vor allem: Kasprzak hielt den Siegerpokal in der Hand. Smolinski, Speedway-Profi aus Olching, hatte während der Siegerehrung Zeit gehabt, zu duschen und seine Sachen zu packen. Bevor er dann die rund 400 Meter nach Hause fuhr, sagte er mit bittersüßem Lächeln: "Ich war einfach nicht schnell genug." Aber das war nur die halbe Wahrheit.

Eigentlich war Smolinski in diesem Moment der Pokal sogar relativ egal. Noch unwichtiger war gewesen, wer beim Fronleichnamsrennen in Olching Zweiter und Dritter wird. Denn Olching war diesmal Entscheidungsort dafür, wer bei der "Speedway Euro Championship" (SEC) mitfahren darf. Die sieben Besten dieser EM-Qualifikation dürfen an der Rennserie im Sommer teilnehmen. Es ist für einen Speedway-Fahrer zu verkraften, wenn er in einem einzigen internationalen Rennen auf das Treppchen und eine Platzierungsprämie verzichten muss. Bei der EM nicht mitfahren zu dürfen bedeutet indes, in diesem Jahr einfach nicht zu den Besten in Europa zu gehören.

Hinterher statt vorn dabei: Martin Smolinski (rechts) konnte am Donnerstag keinen seiner fünf Läufe gewinnen. (Foto: Günther Reger)

Einerseits hatte es für Smolinski rein fahrtechnisch nicht gereicht. "Alle hatten Schwierigkeiten, alle haben sich gegenseitig die Punkte weggenommen", sagte der 31-Jährige später. Das starke Fahrerfeld hatte ja den Reiz ausgemacht: Etwa 3500 Zuschauer waren nach Olching gekommen, weil europäische Größen dabei waren, renommierte Fahrer, für die Fans weite Reisen auf sich nehmen. Smolinski ließ allerdings einfach ein paar Punkte zu viel liegen. Gleich im ersten Rennen auf seiner Heimatbahn wurde er Letzter. Er habe da "ein bisschen anders gepokert" und viel verloren, erklärte er später. Der Däne Leon Madsen war auf der Außenbahn schneller. Der langsamere Tscheche Eduard Krcmar habe sich davon irritieren lassen, Smolinski selbst fand dadurch keine gute Linie mehr und wurde sogar noch vom zweiten auf den vierten Platz durchgereicht.

Der viermalige deutsche Meister gewann am Donnerstag keinen einzigen Lauf. In seinem fünften und letzten hätte trotzdem noch alles gut werden können, doch da wurde er im direkten Duell mit dem späteren Sieger Kasprzak nur Zweiter. Wären der Pole und der Deutsche in umgekehrter Reihenfolge ins Ziel gefahren, der Rennnachmittag wäre noch einmal deutlich länger geworden: Kasprzak hätte dann nämlich in einem Stechen um Platz eins fahren müssen, und Smolinski hätte ein Stechen um Platz sieben erwirkt. So aber gab es trotz des ausgeglichenen Fahrerfeldes kein einziges Zusatzrennen. Wer in seinem Stadionheft nicht fleißig alle Ergebnisse der insgesamt 20 Rennen mitgeschrieben hatte, war von dem abrupten Ende der Veranstaltung überrascht.

Martin Smolinski. (Foto: Günther Reger)

Die Enttäuschung, dass Smolinski nicht zumindest noch eine weitere Chance bekam, stand vielen Fans auf dem Weg zum Ausgang ins Gesicht geschrieben. Im Stadion herrschte eine ähnliche Atmosphäre wie nach einem Fußballballspiel, das die Heimmannschaft knapp verloren hat. Einige Speedway-Kenner waren aber auch verärgert. Denn Smolinski hatte seinen achten Platz gar nicht allein sich selbst zuzuschreiben. Im 17. Rennen war der vom Start weg in Führung liegende Däne Hans Andersen auf der Zielgeraden plötzlich deutlich langsamer geworden, offensichtlich gewollt. So konnte ihn der Schwede Peter Ljung überraschend noch überholen. Laut Reglement muss jeder Fahrer zu jedem Zeitpunkt "sein Bestes geben", um zu gewinnen, deshalb wurde Andersen disqualifiziert. Andersen war zu diesem Zeitpunkt mit zehn Punkten schon für die EM-Läufe qualifiziert. Ljung hingegen bekam nun plötzlich drei statt zwei Punkte zugesprochen - und hatte damit in der Gesamtwertung plötzlich drei Punkte Vorsprung auf Smolinski und nicht nur zwei. "Das ist Rennsport", sagte Smolinski und bekannte: Er selbst habe so etwas auch schon gemacht in seiner Karriere. Solche Manöver unternehme man schon mal unter befreundeten Fahrern.

Verhindern lassen sich solche Freundschaftsdienste durch Regeländerungen kaum. Zur Not täuscht ein Fahrer einfach einen Schaden an seiner Maschine vor. "Das ist wie beim Grand Prix: Es gibt Länder, die schieben sich gegenseitig die Punkte zu", rief hernach ein Funktionär in der Boxengasse einem Kollegen zu. Er meinte damit nicht das SEC-Rennen, sondern den ESC, den Eurovision Song Contest aus dem Fernsehen. Zumindest insofern hat Smolinski deutlich besser abgeschnitten als so manch anderer deutsche Vertreter auf der europäischen Bühne.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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