Linksaußen:Es knarzt in der Wall-Halla

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Der Randsport verlangt von Topvereinen mittlerweile: Show! Was manchmal seltsame Blüten treibt, bis hin zu scheppernder Einlaufmusik aus dem alten Kassettenrekorder.

Kolumne von Andreas Liebmann

Die Anekdote mit dem alten Kassettenrekorder erzählt Abteilungsleiter Helmut Pfeil immer wieder gerne. Tischtennis, zweite Frauen-Bundesliga, sein TSV Schwabhausen war zu Gast beim TTC Schwarza, Thüringen. Gerade als die Partie anfangen sollte, kam dieses scheppernde, leiernde Geräusch.

Rausschmeißen konnte man den Störenfried nicht. Es war ein Vertreter des Gastgebers, der pflichtschuldig auf Play gedrückt hatte. Denn der Deutsche Tischtennis-Bund verlangt von den Vereinen für diese Liga ein wenig: Show! Die Mannschaften müssen verpflichtend zu Musik einmarschieren. Selbst wenn diese von einem tragbaren Museumsstück kommt und klingt, als kippe jemand einen Eimer kaputter Bälle aus. Und selbst wenn, wie damals beim Tabellenletzten, kein einziger Zuschauer in der Halle sitzt. Hätte der Verband einen feierlichen Einmarsch im Scheinwerferkegel einer abgedunkelten Halle vorgeschrieben, dann hätten die Thüringer eben kurz die Vorhänge zugezogen und die Spielerinnen reihum mit einer Taschenlampe angeleuchtet. Vermutlich hätten diese dann sogar verlegen ins imaginäre Publikum gewinkt.

Selbst Pfahlsitzen hat bessere Chancen auf Übertragungszeit

Natürlich ist es uneingeschränkt zu loben, wenn Verbände dafür Sorge tragen, dass ihre Sportart sich gut verkauft. Kaum etwas ist schlimmer als der Eindruck, dass man eigentlich lieber unter sich bliebe. Nur treffen solche Vorschriften eben manchmal auf die Realität. Wie jener rote Hallenboden, den sich alle Männer-Erstligisten anschaffen müssen, um telegen zu sein. Zwar wird im Fernsehen eher noch Gummistiefelweitwurf übertragen als Tischtennis, auch Doppelkopf und Pfahlsitzen dürften weit größere Chancen auf Sendezeit haben, doch dafür sehen nun wenigstens die Tischtennis-Livestreams im Internet schick aus.

Fest steht: Eine Sportart, in der kaum jemand in die erste Liga will (Schwabhausen hat erneut verzichtet), die hat Probleme, gegen die man vorgehen muss.

Bis vor zwei Jahren war auch der TuS Fürstenfeldbruck ein Tischtennis-Zweitligist, er trug seine Heimspiele wohl behütet hinter einer dicken Metalltür aus, von der allenfalls Eingeweihte wussten, wie sie zu überwinden war. Drinnen war es oft so still, dass man nicht sicher sein konnte, ob die Zuschauer im Anschluss heimgehen oder zusammen mit Platten, Netzen und Banden im Geräteraum bis zum nächsten Heimspiel verwahrt werden würden. Zu gerne hätte man mal den Kini der Herrschinger Volleyballer vorbeigeschickt, um zu erzählen, wie er bei den Spielen am Ammersee Stimmung macht.

Der selbsternannte "Geilste Club der Welt" ist ein Gegenentwurf, das Publikum verrückt, die Nikolaushalle meist gerammelt voll. Dieses Tollhaus müsste ein Glücksfall für jeden Verband sein. Doch auch Herrschings Volleyballer haben ein Problem. Dem Verband ist ihre Halle für tausend Zuschauer zu klein. Für die Playoffs müssen sie nach Vilsbiburg ausweichen, müssen ihre Werbebanden, den Kini und am besten auch ihr Publikum in einen Lkw verladen und nach Niederbayern karren. Stand jetzt gibt es keine Zukunft in der ersten Liga. Und auch die Halle der Alpenvolleys in Unterhaching läuft nur per zeitlich befristeter Ausnahmegenehmigung. Wie es danach für die Austrohachinger weitergeht, ist offen. Schon fraglich, ob eine zu zwei Dritteln leere Fraport-Arena für die Volleyball-Bundesliga wirklich erstrebenswerter ist.

Die Professionalisierungswut hat auch den FC Pipinsried erfasst

Apropos Professionalisierungswut: Der Fußball-Regionalligist FC Pipinsried ist ja gerade aus eigenem Antrieb dabei, vieles zu verändern, was dereinst gegen Naturgesetze (also den Willen des bisherigen Präsidenten Konrad Höß) verstoßen hätte. Dreimal Training pro Woche, zum Beispiel. Demnächst, hört man, will er an seinem Rasenplatz einen Wall aufschütten, um zur Partie gegen den TSV 1860 ein paar tausend Zuschauer mehr fassen zu können. Früher hat man Wälle eher aufgeschüttet, um Menschen abzuhalten (doch nicht etwa den wütenden Höß?) und unter sich zu bleiben (klappt in Wolfratshausen, wo mangels Tribüne der ganze Platz von einem Wall umschlossen ist, bestens) - aber warum nicht. Und zum Einmarsch knarzt Wagners Wall-Küre.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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