Linksaußen:Blassrosa Drohkulisse

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Der Fußball ist in Bewegung - seine Sportstätten sind es nicht

Von Andreas Liebmann

Vielleicht würde es im Fall der Fälle ja ähnlich werden wie in der Tabernaswüste nahe dem andalusischen Ferienort Almería. Alle paar Kilometer stößt man dort auf verfallende Filmkulissen. Die Gegend hat sich mal prima als Drehort für Italo-Western geeignet, also entstanden, eilig hingezimmert, ganze Westernstädte. Verkleidete Holzgerippe mit morbidem Charme, die man bis heute besichtigen kann. Selbst 50 Jahre, nachdem die Filmteams weiterzogen, hat sie niemand abgerissen.

Vielleicht würde - nur im Fall der Fälle, wie gesagt - auch einfach alles zugeschüttet. Und in einigen hundert Jahren gräbt dann irgendein Hobbyarchäologe im Unterhachinger Erdreich mit seinem Klappspaten einen blassrosa Schalensitz aus. Er müsste vermutlich etwas nachforschen, aber dann käme er schon darauf, dass hier mal ein Fußballstadion für 15 053 Zuschauer stand; dass der Verein nach dem Absturz ins Amateurlager aber umzog in seine alte Spielstätte, die mit 5000 Plätzen allemal groß genug war. Der Mann würde sich vermutlich trotzdem wundern, denn in seiner Zeit wird man sicher irgendeinen Weg gefunden haben, Stadien so zu bauen, dass man sie je nach Bedarf verkleinern, vergrößern oder mühelos versetzen kann.

In der Gegenwart ist es ein Problem: Der Fußball ist in Bewegung, seine Sportstätten sind es nicht. Sie sind als Immobilien konzipiert, und immobil heißt unbeweglich (Wer sich das nicht merken kann, darf jenen Stürmer als Eselsbrücke nehmen, der auf Dortmunds Ersatzbank festgemauert ist: Ciro Immobile). Kürzlich spielte Unterhaching in Weismain, die Arena für 18 000 Menschen ist Heimat eines Kreisligisten. Ach, könnte man diese verflixten Stadien doch heute schon flexibler hinbekommen! Die Gemeinde Ismaning hat Pläne für eine Spielstätte in der Schublade, die für 5000 bis 10 000 Fans gedacht ist, aus einer Zeit, als der örtliche Landesligist von der dritten Liga träumte. Der SV Pullach wäre wohl in die Regionalliga aufgestiegen, würde er an ein solches Stadion kommen. Falke Markt Schwaben hätte sein für einen Kreisklassisten arg luxuriöses Domizil sicher gut in Ebay losgebracht, der TSV 1860 München hätte das Giesinger locker auch zweitligatauglich bekommen. Diverse Ringtausch-Optionen böten sich an. So aber kann es - im Fall der Fälle - passieren, dass der Klub mit den vielen rosa Schalensitzen bald gegen Pipinsried spielt. Wo es nichts gibt als eine kleine Holztribüne. Und einen Präsidenten, der davor den Rasen mäht.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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