Leichtathletik:Träume im Elefantenland

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Paul Walschburger, Jahrgangsbester im Dreisprung, wechselt zur LG Stadtwerke

Von Andreas Liebmann, München

Peter Pan kann fliegen, der hat es leicht. Ein richtig guter Dreisprung mag sich ähnlich anfühlen, aber dahinter steckt hartes Training. Fliegen ist doch etwas anderes. Außerdem hat Peter Pan viele Träume, immerhin das hat er mit Paul Walschburger gemeinsam. Walschburger ist 18, er besucht die Eliteschule des Sports in Nürnberg und er ist einer der besten deutschen Nachwuchs-Dreispringer. Das ist insofern erstaunlich, als er diese Disziplin überhaupt erst seit einigen Monaten betreibt. Seine Träume waren mal andere.

Zum einen wollte Walschburger ein guter Weitspringer werden. Als er nach Nürnberg ging, war er noch die deutsche Nummer eins seines Alters. Nun steht er kurz vor dem Abitur, aber sportlich ist er "durchgereicht worden", wie er sagt. Wie es kommt, dass er nun als einer der besten deutschen Dreispringer zur LG Stadtwerke München wechselt, ist eine der verblüffenden Geschichten, die er erzählen kann.

Seinen anderen Traum setzt er gerade in die Tat um: In einigen Wochen wird sein Debüt-Album herauskommen. Walschburger macht Musik. Ein Singer-Songwriter, der Gitarre spielt, seine eigenen Texte singt, der in Fußgängerzonen auftritt, auf kleineren Bühnen und bei Poetry Slams. "Ich versuche meinen Tag sehr gut auszufüllen", sagt er. Weil man sowohl als Leichtathlet als auch als Liedermacher oft "allein auf weiter Flur" sei, habe er in Nürnberg "wegen der sozialen Komponente" noch an einem Musical-Projekt teilgenommen; die letzte große Produktion hieß: Peter Pan.

Walschburger hatte darin keine tragende Rolle, das hätte zu dieser Zeit vielleicht auch gar nicht gepasst. Denn ihm war nicht zum Fliegen zumute, sein sportlicher Traum war geplatzt. "Psychologisch war es eine schwierige Zeit, ich hatte absolut keine Lust mehr." Dreimal so viel wie früher habe er in Nürnberg trainiert, aber die Leistung stagnierte, die Anlaufgeschwindigkeit war miserabel. Dann kam dieses Trainingslager im April in Brixen, das alles veränderte. Richard Kick, Münchner Landestrainer für Weit- und Dreisprung, ließ ihn Dreisprung probieren. "Es war nur eine Idee", sagt Kick, ehemaliger deutscher Meister in dieser Disziplin, "sonst hätte er ganz aufgehört." Das Experiment glückte weit besser, als Kick, der Walschburger seit der B-Jugend kennt, das für möglich gehalten hätte. Im ersten Wettkampf habe der Quereinsteiger Kicks Münchner Springer "geschockt", im dritten in Mannheim bereits die U-20-WM-Teilnehmer Christoph Garritsen und Benjamin Bauer hinter sich gelassen. Kurz darauf in Mönchengladbach holte er hinter diesen beiden Bronze bei den deutschen U-20-Meisterschaften, mit neuer Bestleistung von 15,36 Meter und als Bester seines Jahrgangs. "Das hat sich sensationell entwickelt", findet Kick.

"Ich bin im Anlauf vielleicht nicht der Schnellste, aber habe große Kraft in den Beinen", so erklärt sich Walschburger, wieso es im Dreisprung auf Anhieb so gut klappte. Und natürlich mit seiner großen Sprungerfahrung: "Die Basics sind doch in beiden Disziplinen dieselben." Der fast 70-jährige Kick jedenfalls, der seinem Namen in Bezug auf Walschburgers Karriere alle Ehre machte, kümmerte sich seit jenem Trainingslager um Walschburger, er schrieb dessen Trainingspläne, fuhr so oft es ging nach Nürnberg, empfing ihn in München oder nahm seinen neuen Schützling mit zu Charles Friedek, dem C-Kader-Trainer des Deutschen Leichtathletik-Verbands. Und weil die Zusammenarbeit so gut lief, entschied sich Walschburger, vom LAZ Kreis Günzburg zur LG Stadtwerke zu wechseln. In München hofft er nach dem Abitur auf einen Platz in der Spitzensportgruppe der Polizei. Selbst wenn nicht: "Der Wechsel meines Lebensmittelpunkts nach München steht fest", sagt er. Bis zu seinem Umzug müsse improvisiert werden, danach hofft er auf weitere Leistungsschübe.

Kick sei für ihn "ein Volltreffer", schwärmt er. "Ich hatte keine Hoffnung mehr. Er hat aus einem gescheiterten Weitspringer einen Dreispringer mit ziemlich guter Perspektive gemacht und ganz viel in mich investiert - auch zu der Zeit, als ich eine Konkurrenz für seine eigenen Springer war. Ich bin ihm extrem dankbar."

Eigentlich könnte ihm Walschburger dafür ein Lied schreiben. Er wird seine Musik weitermachen, er brauche das als Ausgleich. Man werde ihn in der Fußgängerzone sehen und vielleicht in so mancher Bar. Sein Debüt-Album "Elefantenland" sei ohnehin eine Art vertontes Tagebuch, sagt er. Ein Lied für Kick wird es aber wohl dennoch nicht geben. Die Begründung klingt lustig aus seinem Mund. Er sagt: "Sport und Musik sind zwei Welten, die nicht gut zusammenpassen."

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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