Kult-Kino und Opern-Fieber:Stille Genießer

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Ricarda Geary träumt von neuen Projekten, etwa der "Die Kluge" von Orff. (Foto: Johannes Simon)

Ricarda Geary und Stefan Stefanov, die Preisträger aus dem Landkreis München, zeigen sich auf der Bühne eher zurückhaltend, freuen sich aber ungemein über die Auszeichnung

Von Udo Watter

Den Preis für die größte Rampensau des Abends dürfte Stefan Stefanov nicht gewinnen. Der Unterschleißheimer mag zwar großes Kino, aber dann doch lieber als Zuseher denn als Darsteller. Als er bei der Tassilo-Preisverleihung in Krailling von den SZ-Moderatoren Sabine Reithmaier und Christian Krügel auf die Bühne gebeten wird, gibt er sich eher zurückhaltend. Im Blickfeld der anderen stehen? Nicht sein Ding. "Wir Kinobetreiber mögen so was überhaupt nicht. Normalerweise sitzen wir in der letzten Reihe mit kaltem Bier", sagt er schmunzelnd.

Auch Ricarda Geary drängt es nicht gerade unwiderstehlich ins Scheinwerferlicht. Die Oberhachinger Musiklehrerin, die in ihrer Gemeinde ein erstaunliches lokales Opernprojekt mit Profis und (vielen jungen) Laien initiiert hat - die Produktion von Mozarts "Die Entführung aus dem Serail" läuft diese noch Woche freitags, samstags und sonntags in der Maschinenhalle Ödenpullach - ist zielstrebig und leidenschaftlich in ihren kulturellen Unternehmungen, aber keinesfalls jemand, der dies um öffentlicher Aufmerksamkeit willen tut. Sie agiert auf der Bühne leise-zurückhaltend, macht nicht viel Aufhebens um sich, aber das mit schönen Sätzen wie: "Die Jugendlichen lieben Musik und Theater. Da muss man gar nicht so viel motivieren."

Der warme Applaus des mit 320 Gästen gefüllten Zeltes in Krailling ist ihr natürlich dennoch sicher, ebenso wie Stefanov. Mögen die beiden Tassilo-Preisträger aus dem Landkreis München auch keine auffallenden Entertainer sein - wobei man als Kinobetreiber respektive Regisseurin und Chorleiterin ohne Chor verständlicherweise im Nachteil gegenüber einem Jazz-Streich-Orchester oder einem Soul-Pop-Duo ist - sie werden ebenso gewürdigt.

Stefanov, der seit acht Jahren das kleine, im Unterschleißheimer Ortsteil Lohhof gelegene Kino "Capitol" betreibt, und bereits sechs Mal vom Film-Fernseh-Fonds Bayern für sein Programm ausgezeichnet wurde, ist ganz begeistert vom Flair der Veranstaltung: "Für mich war es eine Riesenehre, dort oben auf der Bühne zu stehen." Wieder herunten, entfaltet der gebürtige Bulgare im Gespräch ungebrochene Begeisterung für sein Haus mit gerade mal 80 Plätzen und einer Leinwand, mit dessen Übernahme er sich auch eine "kleinen persönlichen Traum" erfüllt habe. "Ich will, dass man Kino als einen besonderen Ort wahrnimmt, einen Ort, an dem es auch eine persönliche Ansprache gibt."

Wie von einem Drehbuchschreiber im dramaturgisch richtigen Moment geschickt, passieren just zwei adrette Damen aus Oberschleißheim Stefanovs Tisch und versichern ihm, wie sehr sie seinem Kino die Treue hielten und sich über seinen Preis freuten. Stammkundschaft aus der Nachbarschaft - zum Einzugsgebiet des "Capitol" gehören neben Unterschleißheim vor allem Oberschleißheim, Eching oder Haimhausen - sie zu gewinnen und halten ist elementar für Stefanov. Als junger Familienvater, der ohne Förderung finanziell kaum überleben könnte, ist er angewiesen auf die Leute, die im Kinobesuch mehr sehen als die Lust auf sinnlich-seichte Überflutung in anonymen Kino-Komplexen. "Die Mischung macht's" sagt Stefanov: deutsche Filme, französische Filme, Kinderkino, Seniorenkino, und hin und wieder auch ein guter Blockbuster. "Es ist nicht leicht in einer Stadt wie Unterschleißheim, aber es funktioniert." Auch die Zusammenarbeit mit dem hiesigen Kulturamt laufe gut - Daniela Benker, Leiterin des Forums Unterschleißheim ist ebenfalls in Krailling zu Gast - was sich auch in zwei Open-Air-Vorführungen nächstes Wochenende am Rathausplatz niederschlägt.

Über suboptimale Kooperation mit der Gemeinde Oberhaching kann auch Ricarda Geary nicht klagen. Und sie genießt zudem einen speziellen Standortvorteil, wie sie auf der Bühne kund tut: "Oberhaching ist eine besondere Gemeinde. Hier wohnen viele Profimusiker und Mitarbeiter am Residenztheater, die sich bei unseren Opernproduktionen alle einbringen." Geary, die auch das Kammerorchester und den Kammerchor Oberhaching gegründet hat und jenseits von Ödenpullach weitere größere Musikprojekte regelmäßig in der Gemeinde realisiert, ist ebenfalls angetan vom Verlauf des Abends: "Eine sehr schöne Veranstaltung." Ein hübscher Nebeneffekt für die Künstler und Kulturschaffenden ist überdies die Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens und der Vernetzung.

So tauscht sich Geary länger mit der jungen Poetry Slammerin Felicia "Fee" Brembeck aus Eichenau aus und vielleicht wird sogar ein ganz besonderer personeller Coup an diesem Abend in die Wege geleitet: Jenny Evans, vom Time Magazine mal als "the leading female jazz singer in Germany" bezeichnet und heuer eine der beiden Tassilo-Paten, erzählt, dass sie im klassischen Bereich neben John Dowland oder Erik Satie auch gerne Carl Orff singe. Geary wiederum plant irgendwann einmal eine Aufführung von Orffs "Die Kluge" - das SZ-Moderatorenteam ergriff stante pede die Gelegenheit, um eine eventuelle Zusammenarbeit anzubahnen. Ob sich das wirklich realisieren lässt, ist ungewiss, aber eines macht Geary an diesem Abend klar: Auf die Frage, ob sie sich denn nach Mozart und Richard Strauss vorstellen könne, auch mal Wagner in Ödenpullach zu inszenieren, erklärt sie kurz und knackig: "Nie".

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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