Judo:Die Stunde der Chorknaben

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Nach der Niederlage in Esslingen untermauert Großhadern im ersten Heimkampf gegen Leipzig seine Finalambitionen.

Von Fabian Swidrak, München

Der Chor war in Stellung gegangen. Dicht gedrängt standen sie nebeneinander auf der Bank, einheitlich gekleidet in ihren Kapuzenjacken, die Hände vor dem Mund zu einem Trichter geformt, um ihre Darbietung noch zu verstärken. Ein Lied hatten die Judoka des TSV Großhadern zwar nicht eingeübt, was äußerst schade war, in regelmäßigen Abständen aber riefen sie einigermaßen gleichzeitig den Namen von Hugo Murphy, den sie als Ersten auf die Matte geschickt hatten.

Es verging nur etwas mehr als eine Minute, bis Murphy, unterlegt von der Darbietung des Chors, dann wiederum seinen Gegner zweimal auf die Matte geschickt hatte, und Großhadern in Führung ging. Fünf weitere Siege der Chorknaben folgten nacheinander. Der Sieg der Münchner Judoka schien schon nach dem ersten Durchgang fast sicher, am Ende gewann der TSV Großhadern den ersten Heimkampftag dieser Saison gegen den JC Leipzig mit 11:3.

Noch vor dem Chor war gleich zu Beginn des Wettkampfs Ralf Matusche in Stellung gegangen, der sich als Solist versuchte. Im vergangenen Jahr hatte Matusche angekündigt, sich aufgrund seiner Tätigkeit als bayerischer Landestrainer in der Bundesliga etwas zurücknehmen zu wollen. Noch immer aber sieht und hört man deutlich, wie eng Matusche emotional mit Großhadern verbunden ist, wie schwer ihm die Zurückhaltung fällt. Erst nach dem Sieg machte Matusche sich rar und schickte Tobias Englmaier vor, der gemeinsam mit Gerhard Dempf in seine zweite Saison als Trainer der Münchner Judoka gestartet ist. "Man hat heute gesehen, dass wir hier daheim sind und dass wir dem Kampf von Anfang an unseren Stempel aufdrücken wollten", sagte Englmaier.

Fingerzeig an die Konkurrenz: Großhaderns Lukas Vennekold bezwang Laszlo Zsolt Szoke (unten) und später Philipp Mackeldey jeweils mit 10:0. (Foto: Robert Haas)

Über die Arbeit im Trainerteam sagte Englmaier, der früher selbst für Großhadern in der Bundesliga gekämpft hatte: "Ralf lässt uns freie Hand. In Esslingen war er gar nicht dabei." Nach einer kurzen Pause schob er mit breitem Grinsen nach: "Okay, das ist schief gegangen." Den ersten Saisonkampf beim KSV Esslingen hatten die Münchner vor einer Woche knapp verloren. Bei einer weiteren Niederlage gegen Leipzig am Samstag hätte Großhadern die Saison fast schon abhaken können. Erstmals qualifizieren sich in dieser Saison nur die beiden jeweils bestplatzierten Teams der Süd- und Nordstaffel für die Finalrunde. Münchens vermeintlich größte Konkurrenten: Abensberg, Esslingen und Leipzig.

"Als Spieler lebst du doch für solche Situationen", sagte Englmaier. "Wir haben in Esslingen unnötig verloren. Der Sieg gegen Leipzig jetzt war ein Fingerzeig an die Konkurrenz. Die wissen jetzt, dass mit uns schon zu rechnen ist." Gefreut habe er sich besonders darüber, "dass diejenigen, die gegen Esslingen Federn gelassen haben, sich heute richtig reingehauen haben".

Besonders hob Englmaier Niklas Blöchl (bis 81 kg) hervor, von dessen Leistung in Esslingen er enttäuscht gewesen sei und der seinen Kampf gegen Leipzig nach genau einer Minute mit einem Wurf beendete, Sieg durch Ippon. Laurin Böhler (bis 100 kg) und Lukas Vennekold (bis 73 kg) gewannen am Samstag gar jeweils zweimal. Niederlagen mussten nur die beiden 17-jährigen Peter Thomas (bis 66 kg) und Severin Edmeier (bis 60 kg) wegstecken, die laut Engelmaier erstmals in der Bundesliga auf der Matte gestanden und "einen riesen Kampf abgeliefert" hatten. "Diese Dinge stimmen mich positiv, dass wir mittelfristig wieder um die Meisterschaft mitkämpfen können."

Im Juni trifft Großhadern auf den dritten großen Konkurrenten im Rennen um die beiden Finalrunden-Tickets, den früheren Serienmeister TSV Abensberg. Zuvor stehen Kämpfe gegen den TV Erlangen und Samurai Offenbach an, zwei vermeintlich leichtere Gegner, die es definitiv zu schlagen gilt, will man die Chance auf den Einzug in die Finalrunde wahren. Englmaier sagt: "Und trotzdem müssen wir da seriös rangehen. Entsprechend hart werden wir in den kommenden Wochen trainieren." Vermutlich also wird für den Chor aus Großhadern erneut keine Zeit bleiben, um ein Lied einzuüben.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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