Rugby-Turnier in München:Der schnellste Mann der Südsee

Rugby - Olympics: Day 6

Die Fidschianer haben noch Rechnung offen: In der World Series wurden sie nur Dritter.

(Foto: Getty Images)
  • Das Oktoberfest Sevens ist der bedeutsamste Rugby-Wettkampf, der je in Deutschland stattgefunden hat.
  • Die Olympiasieger von den Fidschis gehen als Favoriten in das Turnier, aber außer Neuseeland nehmen auch alle anderen der führenden Nationen im Rugby teil.
  • Die Flying Fijians haben einen Mann in ihren Reihen, der vor kurzem noch erfolgreicher Sprinter war, dann aber zum Nationalsport wechselte.

Von Barbara Klimke

Mit zwei verblüffenden Begebenheiten wurde Banuve Tabakaucoro, 25, schon in den ersten Stunden in der nördlichen Hemisphäre konfrontiert. Die erste betraf das Klima. "Das ist für mich der kälteste Tag des Jahres", stellte er fest, als er nach dem Auftakttraining seine Sportjacke überstreifte und leicht skeptisch in den prachtvollen, strahlend blauen Septemberhimmel über dem Olympiacampus blinzelte: "Wenn bei uns das Thermometer unter 20 Grad zeigt", sagte er und grinste, "sieht man keinen Menschen mehr auf der Straße."

Eine weitere Überraschung hatte er schon über dem Atlantik erlebt, als er der Stewardess vom sportlichen Zweck der Reise, der Teilnahme an den Oktoberfest-Sevens in Munich, Germany, erzählte. "Sie hat mich aufgeklärt, dass das wirklich ein Fest sei, eine riesige Sache, mit viel Bier. Ich hatte gedacht, das sei nur der Name für ein Rugby-Turnier."

Es lässt sich daraus schließen, dass das angeblich weltberühmte bayerische Kulturereignis Wiesn doch nicht jedem in der Südsee vertraut ist. Aber um kuriose überdimensionale Trinkgefäße in die Höhe zu liften, hat die mit beeindruckender körperlicher Fitness gesegnete Rugby-Nationalmannschaft des Olympiasiegers Fidschi auch keine 17 000 Kilometer weite Reise angetreten. Das Team folgte der Einladung der Münchner Veranstalter zum bisher größten internationalen Rugby-Wettkampf hierzulande am kommenden Freitag und Samstag im Olympiapark, weil es ein hervorragend terminiertes Vorbereitungsturnier für die Ende November in Dubai beginnende neue Saison in der World Series zu werden verspricht; das ist die höchste Spielklasse im Siebener-Rugby.

Sie spielen das attraktivste Rugby der Welt

Außerdem bietet es dem Gold-Team von Rio die Chance, eine junge Generation von hochveranlagten Spielern in Duellen mit den besten Mannschaften der Welt zu prüfen: Das Teilnehmerfeld wird angeführt von Südafrika, dem aktuellen World-Series-Sieger, von England, Australien und Frankreich. Davon abgesehen, hat Fidschi auch noch eine kleine Rechnung mit den Rivalen offen, weil es dieses Jahr in der Weltserie nur Dritter wurde, wie Paula Dranisinukula, der Kapitän, andeutete. Auf Fidschi wurde nach dem Olympiasieg im Siebener-Rugby sogar eine Sieben-Dollar-Note als Zahlungsmittel eingeführt, das verpflichtet. Man sei um die halbe Welt geflogen, "um zu gewinnen", sagt der Kapitän, "nicht mehr und nicht weniger".

Das klingt angemessen sachlich, aber wer den Flying Fijians ein Stündchen beim Training auf einem Rasenplatz im Münchner Norden zuschaut, erhält eine Ahnung davon, warum die rasanten Riesen aus dem Pazifik nicht für Pragmatismus auf dem Feld bekannt sind, sondern für das attraktivste, schönste Rugby der Welt. Die charakteristischen Goose Steps sieht man da, verwirrende Trippelschritte, um den Gegner zu verladen; Tempo, Technik, Taktik, Tacklings und Pässe, die quer übers Feld fliegen, um bequem in den Armen der Mitspieler zu landen.

Vom besten Sprinter des Pazifikraums ins Rugby-Nationaltrikot

Von den Olympiasiegern ist keiner nach München geflogen. Das Stammpersonal der Nationalmannschaft rennt auch in dieser Woche unter dem neuen Auswahltrainer, dem Waliser Gareth Barber, die berüchtigten Sigatoka Sanddünen auf Fidschis Hauptinsel Viti Levu hinauf. Die Besten aus dem Rio-Team sind ohnehin den Lockungen der reichen Klubs aus dem Ausland gefolgt.

Auf Fidschi ist mit Rugby nicht viel Geld zu verdienen, im Gegensatz zu den Profi-Ligen Neuseelands, Australiens oder Frankreichs. So schloss sich Josua Tuisova dem Team von Toulon, Semi Kunatani dem französischen Rivalen Toulouse an. Für das Nationalteam stehen sie schon wegen der langen Flugstrecken nicht mehr zur Verfügung; abgesehen davon, dass die Klubs ihrem teuren Personal selten die Freigabe erteilen.

In München sollen am Wochenende andere Erfahrung sammeln, der flinke Banuve Tabakaucoro zum Beispiel, jener junge Mann, der bei 20 Grad in der Herbstsonne friert. Er ist nicht nur der Schnellste im Team, sondern der schnellste Mann der Südsee: Sieger der Pazifik-Spiele, der 100 Meter in 10,2 Sekunden und 200 Meter in 20,53 Sekunden laufen kann. Rugby, Fidschis Nationalport, sagt er, habe er schon früh gespielt, wie alle Kinder, die sich auf den Inseln gegenseitig das Plastikei abjagen, wo 80 000 von 900 000 Einwohnern als Rugbyspieler registriert sind.

Er wurde Leichtathlet und nahm an den Weltmeisterschaften in Moskau und Peking teil. Doch als er dann die Qualifikationsnorm für Rio um vier Hundertstelsekunden verpasste, beschloss er, die Sportart zu wechseln. Auch als Sprinter, sagt er, sei es sein Traum gewesen, das Rugby-Nationaltrikot Fidschis zu tragen: "Und Laufen ohne Ball ist ja eigentlich auch langweilig."

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