Head Trophy:Schwimmen ohne Grenzen

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Der einarmige Andreas Onea begeistert das Münchner Publikum

Von Sebastian Winter, München

Florian Vogel und Andreas Onea waren gefragte Männer am Wochenende in der Münchner Olympia-Schwimmhalle. Sie stiegen zum einen ins 50-Meter-Becken, um bei der Head- Trophy zu starten, der 37. Auflage des alljährlichen internationalen Jahrgangs-Pokal-Schwimmens des SV Ottobrunn. Zum anderen waren sie auch Werbeträger des Frühjahrs-Meetings, die sich am Samstag zwei Stunden Zeit nahmen für Autogramme und viele Fragen der meist jugendlichen Fans. Man kann die beiden durchaus als Galionsfiguren dieses Mammutwettkampfes mit knapp 1000 Teilnehmern aus zehn Ländern und fast 5000 Starts sehen, der die Sommersaison mit ihrem Höhepunkt in Rio de Janeiro einleitet. Gerade weil sie das Spitzenschwimmen in seinem ganzen Spektrum repräsentieren. Hier Vogel, der 21-Jährige von der SG Stadtwerke München, Lokalmatador und WM-Teilnehmer, der längst in der deutschen Spitze etabliert ist und sich für die Olympischen Spiele qualifizieren möchte. Dort der 23-jährige Onea, der hierzulande weitgehend unbekannte Niederösterreicher, den die Kinder bei der Autogrammstunde ganz ungeniert fragten: "Was ist mit deinem Arm?"

Onea hat seinen linken Arm als Sechsjähriger bei einem schweren Autounfall verloren. Die Familie war gerade auf der Heimreise aus dem Urlaub in Rumänien, als ihr Kleinbus auf einer Ölspur bei Regen ins Schleudern geriet und sich überschlug. Oneas Großvater starb drei Wochen später infolge des Unfalls, seine Eltern wurden schwer verletzt, die Brüder blieben fast unverletzt. Er selbst bezeichnet es als "Wunder Gottes, dass ich noch lebe". Und Onea lässt die Zuschauer staunen, die ihn im und neben dem Wasser erleben. Auch, weil er als einziger Schwimmer mit Handicap bei dem Münchner Meeting startet - und so manchen Nichtbehinderten hinter sich lässt. Über 200 Meter Brust wurde Onea, der nebenbei noch studiert und für den Österreichischen Rundfunk das Behindertensport-Magazin "Ohne Grenzen" moderiert, beispielsweise starker Siebter.

Onea hat schon vier Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften gewonnen, in seiner Paradedisziplin, den 100 Metern Brust, wurde er bei den Paralympics 2012 in London Vierter. Für die Spiele in Rio hat sich der für die SU Wien startende Athlet bereits qualifiziert. Nach München reiste er unter anderem mit den österreichischen Spitzenschwimmern Martin Spitzer und Birgit Koschischek - und erfuhr viel Zuspruch. "Kurz vor dem Start der 50 Meter wollte ein anderer Schwimmer noch ein Foto mit mir machen", sagt Onea, außerdem hat ihn die Offenheit der Kinder sehr beeindruckt, die Grenzen und Barrieren gegenüber Behinderten oft nicht so wahrnehmen wie Erwachsene. "Man muss ihnen eben erklären, dass eine Behinderung nicht abnormal ist", findet Onea.

Auch Florian Vogel war sehr angetan von der außergewöhnlichen Geschichte seines Kollegen, auch wenn der Freistilexperte und der Brustschwimmer sich nicht direkt im Wasser messen konnten. Dafür haben sie während der Autogrammstunde einige Worte gewechselt. "Ich habe großen Respekt davor, dass er seinen Traum trotz des Handicaps lebt, er ist ein sehr aufgeschlossener Typ, der sich viel Zeit genommen hat für die Kinder", sagt Vogel.

Während Onea nach dem Wettkampf gleich weiter ins Trainingslager nach Spanien gereist ist, kann sich Vogel nach seiner letzten Semesterprüfung am Freitag ganz auf die deutsche Meisterschaft im Mai und die dortige Olympia-Qualifikation konzentrieren. In der Olympia-Schwimmhalle hatte er kaum Konkurrenz auf der 200-Meter-Freistil-Distanz, in 1:50,01 Minuten kam er mehr als fünf Sekunden vor dem zweitplatzierten Leipziger Tobias Horn ins Ziel. "Zu diesem Zeitpunkt in der Saison war ich noch nie so schnell", sagt Vogel, der aber noch zwei Sekunden aufholen muss, um die Norm zu unterbieten. Wobei: Vogels Schwerpunkt liegt ohnehin auf den 400 Metern Freistil.

Sein Jahr läuft bislang sehr gut, auch die sportlichen Duelle mit Paul Biedermann und Yannick Lebherz im dreiwöchigen Januar-Trainingslager auf der thailändischen Insel Phuket haben ihm sehr geholfen. Zur Abwechslung sind sie Jetski gefahren und haben sich die "James-Bond-Insel" Khao Phing Kan angeschaut. Der Münchner Wettkampf war für Vogel auch eine kleine Standortbestimmung vor den entscheidenden Trainingswochen. Für ihn würden die Olympischen Spiele am 5. August starten, für Onea, den schon Qualifizierten, die Paralympics am 7. September. In der Olympia-Schwimmhalle haben beide schon mal gezeigt, wie sehr ihr Sport verbinden kann.

© SZ vom 08.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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