Fußball:Solo im Sportwagen

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Mit dem langjährigen Profi Erdal Kilicaslan schien dem Landesligisten Türkgücü ein echter Transfer-Coup gelungen zu sein. Nun streiten beide Parteien über die Gründe für die rasche Trennung.

Von Stefan Galler

Er sollte das fehlende Puzzlestück sein im Ensemble des haushohen Meisterschaftsfavoriten. Als der SV Türkgücü-Ataspor Anfang August Erdal Kilicaslan als Zugang präsentierte, dürfte das manchen Konkurrenten in der Fußball-Landesliga Südost endgültig frustriert haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Mannschaft des neuen Trainers Andreas Pummer bereits die ersten drei Saisonspiele siegreich absolviert - und nun stieß zum ohnehin bereits prominent besetzten Kader auch noch ein Profi, der beim FC Bayern München mal als Supertalent galt und anschließend in der ersten und zweiten türkischen Liga in zwölf Spielzeiten rund 250 Partien bestritt; unter anderem bei den Klubs Konyaspor und Osmanlispor, mit dem er in der vergangenen Saison sogar in der Europa League unterwegs war. Für den Deutschen Fußball-Bund hatte Kilicaslan einst 64 Länderspiele in verschiedenen Jahrgängen bestritten, seine dabei erzielten 41 Treffer sind bis heute Rekord in den Junioren-Mannschaften.

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Erdal Kilicaslan feiert 2001 mit Franz Beckenbauer, Bastian Schweinsteiger und dem FC Bayern den Gewinn der deutschen Jugendmeisterschaft.

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2002 jubelt er als Kapitän der deutschen U18 mit Marco Stier, heute Trainer des Bayernligisten BCF Wolfratshausen.

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2015 trifft er mit Osmanlispor in der türkischen Süper Lig auf Galatasaray Istanbul und Lukas Podolski.

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2017 wollte er dem SV Türkgücü-Ataspor München zum Aufstieg aus der Landesliga verhelfen - hier gegen den aktuellen Tabellenführer Freising.

Ein echter Star also, den sich der ambitionierte türkische Landesligist da an die Heinrich-Wieland-Straße geholt hatte. Mittlerweile ist der Traum vom harmonischen Durchmarsch in die Bayernliga vorbei - vor rund vier Wochen trennten sich die Wege von Türkgücü und Kilicaslan. Offiziell geschah dies in beiderseitigem Einvernehmen. Doch nun ist Kilicaslan an die Öffentlichkeit gegangen. In einem Interview mit dem Münchner Merkur stellte er klar, dass man sich keineswegs im Guten getrennt habe. Er attackierte Trainer Andreas Pummer und Teammanager Kadir Alkan harsch, warf ihnen Respektlosigkeit vor und sprach davon, dass Alkans sportliche Führung die Mannschaft "nicht glücklich, sondern kaputt" mache. Auf SZ-Nachfrage bleibt er nicht nur dabei, sondern legt sogar nach. "Es kann nicht sein, dass Kadir in meinem Namen verlauten lässt, wir hätten uns freundschaftlich getrennt", schimpft er. "Ich will nicht, dass die Leute einem Lügner glauben. Ich habe die Mannschaft nicht im Stich gelassen."

Kilicaslan erläutert den Auslöser für die Trennung wie folgt: In der Partie gegen den TuS Geretsried Ende Oktober hatte ihn Trainer Pummer 80 Minuten lang auf der Bank gelassen, er habe ihn zuvor darüber aber nicht informiert: "Ich habe extra meine Beziehungen spielen lassen und mich von Doktor Müller-Wohlfahrt fitspritzen lassen", klagt der 33 Jahre alte Linksaußen. "Und dann erzählt mir ein Mitspieler, dass ich gar nicht von Anfang an dabei sein würde." Anschließend habe er sich von seinen Teamkameraden verabschiedet und sich bei der Vereinsleitung per E-Mail abgemeldet. "Danach hat sich niemand aus dem Klub mehr bei mir gemeldet. Kein Anruf, nichts", betont der gebürtige Münchner. Er habe auch kein Oktobergehalt mehr erhalten, obgleich er betont, "nicht wegen des Geldes" bei Türkgücü angeheuert zu haben: "Ich wollte der Mannschaft als Führungsspieler weiterhelfen und außerdem hatte ich den Plan, andere deutsch-türkische Profis, die in meinem Alter sind und jetzt langsam alle wieder nach Deutschland zurückkehren, an Türkgücü zu vermitteln." Dahin, wo sein Vater mal Kapitän war. Das sei nun freilich kein Thema mehr, überhaupt habe er nun genug vom Fußball, wie er betont: "Meine Karriere ist zu Ende, ich konzentriere mich auf mein Lokal."

Türkgücü-Trainer Andreas Pummer. (Foto: Lackovic/imago)

Von Vereinsseite gibt es keine entsprechende Reaktion auf die deutlichen Worte von Kilicaslan. "Für uns ist es wichtig, dass alle Verantwortlichen, vor allem die Mannschaft, genau wissen, wie es war", lässt Teammanager Kadir Alkan verlauten. Und Trainer Andreas Pummer ergänzt: "Wir werden keinen Gebrauch davon machen, etwas richtigzustellen. Wir wollen uns voll auf das Sportliche konzentrieren und nicht mit einer Schlammschlacht in die Winterpause gehen."

Aus dem Umfeld des Klubs ist allerdings zu hören, dass der erfahrene Profi durchaus polarisiert hatte, insbesondere, weil er einige Sonderrechte in Anspruch nahm. So soll Kilicaslan einzelnen Trainingseinheiten ferngeblieben sein, ohne dass dies Konsequenzen gehabt hätte. Es habe auch Gerüchte gegeben, dass der Star im Team erheblich mehr verdiente als der Rest. "Und wenn er dann mit seinem Sportwagen vorfährt, führt das eben zu Neid beim ein oder anderen", sagt einer, der nicht mit seinem Namen in der Zeitung stehen will. Zumal die Siegesserie des Teams vom Saisonstart trotz des Mitwirkens eines so prominenten Spielers (der zunächst gleich mal zehn Tore erzielte) Ende September abrupt endete: Fünf Partien lang blieb Türkgücü sieglos, in dieser Zeit enteilte Konkurrent Freising, der die Tabelle aktuell mit vier Punkten Vorsprung anführt und noch ein Nachholspiel in der Hinterhand hat. Die zwischenzeitliche Krise wurde intern nicht zuletzt Kilicaslan angekreidet, erst recht, als das Team nach der Trennung wieder in die Erfolgsspur zurückfand. In der Winterpause will Coach Pummer nun das Team vor allem "körperlich aufs Toplevel bringen", um dann zur Aufholjagd zu blasen. "Wir wären aber gut beraten, nicht dauernd auf Freising zu schauen." Es bringe nichts, ständig auf Ausrutscher zu warten. "Zunächst muss man seine eigenen Aufgaben erfüllen."

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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