Fußball-Regionalliga:Vorrücken akut gefährdet

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"Kindergarten": Der FC Bayern München II verliert beim 2:2 gegen klar unterlegene Schweinfurter wieder an Boden auf die Spitze. Das ärgert Trainer ten Hag, der erstmals deutliche Worte findet

Von Ralf Tögel

Erik ten Hag hatte seinen Spielern offenbar einiges mitzuteilen, Worte, die nicht an die Öffentlichkeit dringen sollten. Jedenfalls blieb die Kabinentür nach dem Spiel des FC Bayern München II gegen den 1. FC Schweinfurt 05 ungewöhnlich lange verschlossen. Nach einem Spiel, das die Münchner klar dominiert hatten, mit gefühlten 90 Prozent Ballbesitz, ein Spiel, das zum Großteil in der Hälfte der Gäste stattgefunden hatte. Doch dieses 2:2 war für ten Hag eine Niederlage, zwei verschenkte Punkte.

In solchen Momenten pflegte sein berühmter Vorvorgänger Hermann Gerland mit tief rotem Gesicht loszublaffen. Bei Mehmet Scholl, dem nicht weniger berühmten Vorgänger ten Hags, bekamen die Analysen einen schneidenden Ton, während seine Halsschlagader bedenklich anschwoll. Nun also trat ten Hag vor die Kabine und teilte tief im Bauch des Grünwalder Stadions seine Gedanken mit. Ganz ruhig stand er da, sprach leise, fast bedacht, wie immer. Von Emotionen war wenig zu spüren, doch was der Niederländer sagte, sollte seinem Personal zu denken geben. Ten Hag sprach das "Bewusstsein" seiner Spieler an, deren Sorglosigkeit und Leichtsinn. Das Abwehrverhalten der Spieler nannte er "Kindergarten".

"Spiele werden durch Defensivleistungen gewonnen. Wer das nicht versteht, muss sich fragen, ob er in der Lage ist, Profi zu werden", sagte ten Hag. Genau das ist die originäre Aufgabe dieser Ausbildungsabteilung des FC Bayern München, in der U23 sollen die Talente den letzten Schliff zum Berufsspieler erhalten. Ten Hag stellte in diesem Moment die Befähigung seiner Spieler für diesen finalen Schritt infrage. Es ist selten, dass sich der FCB-Trainer zu derart deutlicher Kritik hinreißen lässt. Und spätestens jetzt war klar, wie es in ihm brodelte.

Der Niederländer hatte auch allen Grund, denn wie sich seine Mannschaft den Abschied in die Winterpause selbst vermieste, war erschreckend. Gegen eine Schweinfurter Mannschaft, die fünf Stammkräfte ersetzen musste, der Trainer Gerd Klaus eine äußerst defensive Taktik verordnet hatte. Entsprechend begann die Partie, die Bayern setzten den Gegner, der sich im eigenen Strafraum verbarrikadierte, sofort unter Druck. Nach fünf Minuten fabrizierte Schweinfurts Manuel Müller den ersten Befreiungsschlag, nach sieben Minuten lenkte 05-Keeper Christopher Pfeiffer in höchster Not den strammen Schuss von Nikola Jelisic an den Innenpfosten. Kurz darauf (17.) strich ein Seitfallzieher von Gerrit Wegkamp knapp am Tor vorbei, ehe Patrick Weihrauch technisch fein einen Pass mit links aus der Luft pflückte und mit rechts ins lange Eck zum 1:0 (21.) schoss.

Giesinger Krabbelgruppe: Offensiv agieren die Münchner (rechts Nikola Jelisic gegen den Schweinfurter Andreas Bauer) schwungvoll. (Foto: Foto2press/Imago)

Es lief alles nach Plan, wegen der Jahreshauptversammlung hatten die Bayern das Spiel auf Donnerstag vorverlegt, auch deshalb blieb es im Gegensatz zum Vorjahr ruhig. Damals hatte es Ausschreitungen gegeben, es laufen immer noch Klagen. Dieses Mal keine Spur von Ärger, was an der ungemütlichen Kälte und der Zahl der Gästefans lag, die erreichte den zweistelligen Bereich nur knapp. Auch auf dem Spielfeld blieb Schweinfurt unterlegen, nach einer halben Stunde wäre Weihrauch fast die Kopie des 1:0 gelungen.

Doch mit zunehmender Spieldauer häuften sich die Unaufmerksamkeiten in der Bayern-Defensive: Erst tauchte Keeper Daniel Müller einen Flachschuss aus dem Eck, dann traf Tom Jäckel völlig frei per Kopf zum 1:1 (43.).

War es vor der Pause die linke Bayern-Seite mit Jelisic und Ylli Sallahi, die viel Dampf machte, war es nach dem Wechsel die rechte mit Weihrauch und Steeven Ribéry, dem das verdiente 2:1 (58.) gelang. Und wieder durfte Jäckel völlig frei zum 2:2 (63.) ausgleichen. Die Bayern verpassten danach mehrmals die Chance zur dritten Führung, rannten in den letzten 20 Minuten aber auch planlos an, gegen eine Schweinfurter Mannschaft, die sich so einen Punkt ermauerte.

Ob er die Meisterschaft noch im Auge habe, wurde ten Hag gefragt. Und wenn man genau hinsah, war etwas Emotion zu erkennen, als er antwortete: "Natürlich, beim FC Bayern geht es immer um die Meisterschaft." Nach einem durchwachsenen Saisonstart sei sein Team "gut durchgestartet, die Mannschaft hat sich ganz gut entwickelt. Deshalb tut so ein Abschluss besonders weh." Nächste Woche werde er noch trainieren lassen, dann gönnt er den Spielern eine Pause bis zum 7. Januar. Man befinde sich in einem Prozess, merkte der Niederländer noch an, dieses Remis sei ein bedenkliches Signal.

Nun sollen sich die Spieler erholen, seit der verpatzten Relegation im Mai gab es nur eine minimale Pause. Vor allem mental, merkte ten Hag an, denn es gehe "nicht nur darum, technisch gut Fußball zu spielen", wichtige Dinge würden im Kopf passieren. Keine Spur von vorweihnachtlicher Milde beim Trainer, der seinen Spielern noch einen guten Rat auf den Weg in die Nacht mitgab: "Ich hoffe, dass sie unter dem Weihnachtsbaum nachdenken."

© SZ vom 29.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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