Frauenfußball:Auf Distanz zum Trainer

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"Melanie war der Motor": Olympiasiegerin Behringer war in Freiburg an allen Bayern-Toren beteiligt. (Foto: Imago)

Titelverteidiger Bayern München hält mit einem hart erkämpften 3:2 in Freiburg Anschluss an Tabellenführer Potsdam

In manchen unzufriedenen Momenten hätte er wohl gestikuliert wie Pep Guardiola. Er wäre nach links und nach rechts gelaufen, hätte Anweisungen auf das Spielfeld gerufen und dann wieder konzentriert zugeschaut. Aber Thomas Wörle blieb ruhig, er konnte nicht anders. Dabei hätte es durchaus Phasen in diesem Spiel gegeben ... Aber der Trainer der Bundesliga-Fußballerinnen des FC Bayern München stand während des Rückrunden-Starts beim SC Freiburg nicht an der Seitenlinie, sondern in den Zuschauerrängen des Freiburger Möslestadions. "Das war schon sehr seltsam und ungewohnt, nicht eingreifen zu können - vor allem bei so einem engen Spiel", sagte Wörle. "Aber ich konnte ja nichts daran ändern."

Der 35-Jährige war vom Deutschen Fußball-Bund mit einem Innenraumverbot und einer Geldstrafe belegt worden, nachdem er im Dezember beim Spiel gegen Turbine Potsdam gegenüber Schiedsrichterin und vierter Offizieller ausfällig geworden war. So musste er bis eine halbe Stunde vor Spielbeginn und eine halbe Stunde nach Abpfiff aus der Ferne zuschauen. Innenraum, Kabine, Kabinengang oder Spielertunnel waren am zwölften Spieltag für ihn tabu. Kontakt mit der Mannschaft sowieso. Unmittelbar nach dem Spiel sprach also ausnahmsweise Co-Trainer Roman Langer: "Meiner Mannschaft muss ich für den Ehrgeiz und die Mentalität ein großes Kompliment machen. Es war das erwartet schwere Spiel gegen eine starke Freiburger Mannschaft."

Dass Langer nach dem Aufeinandertreffen Dritter gegen Vierter Grund zu loben hatte, lag vor allem an Olympiasiegerin Melanie Behringer. Die ehemalige Freiburgerin war beim 3:2 (1:1) vor 1227 Zuschauern an allen Toren beteiligt. "Melanie war der Motor in unserem Spiel, hat Stabilität reingebracht und uns den Weg zum Sieg geebnet", sagte Wörle später. Mit ihrer verlässlich guten Leistung wurde Behringer zur entscheidenden Stütze einer Mannschaft, die derzeit auf Spielerinnen wie Zugang Fridolina Rolfö, Stefanie van der Gragt, Viktoria Schnaderbeck, Mana Iwabuchi und Sarah Romert verzichten muss - kürzlich verletzte oder Langzeitpatienten auf dem Weg der Besserung, deren Ausfall die angepeilten Titelgewinne in Liga, Pokal und Champions League schwieriger macht.

Am schwersten dürfte die erneute Verletzung von Nationalspielerin Simone Laudehr wiegen. Nachdem sich die 30-Jährige im Trainingslager gerade erst von einer bei den Olympischen Spielen erlittenen Sprunggelenksverletzung erholt hatte, wird sie wohl für den Rest der Saison ausfallen. Laudehr hatte sich im Testspiel gegen Slavia Prag (3:0) das vordere Syndesmose- sowie des Außenband im linken Sprunggelenk gerissen. Eine erfreuliche medizinische Nachricht gab es aber doch: Lena Lotzen feierte nach 586 Tagen Verletzungspause ihr Comeback - noch nicht auf dem Rasen, aber immerhin auf der Bank.

Gegen Freiburg kamen die Bayern trotz der Ausfälle gut ins Spiel. Nach nur vier Minuten traf Behringer per Freistoß aus etwa 20 Metern zum 1:0. Dem SC gelang durch Carolin Simon der Ausgleich (32.), nach der Pause traf Vivianne Miedema per Kopf nach einer Ecke von Behringer (49.), eine Viertelstunde später erzielte Lena Petermann abermals den Ausgleich (64.). In der 70. Minute brachte Nora Holstad - ebenfalls nach einer Ecke von Behringer - dem aktuellen deutschen Meister die 3:2-Führung. Fünf Minuten später holte Lina Magull einen Strafstoß für den Tabellenvierten Freiburg heraus, Carolina Schiewe scheiterte jedoch an Manuela Zinsberger (75.). "Wir hatten oft einfache Ballverluste und haben so unser eigenes Spiel unnötig zerstückelt", sagte Wörle. "Aber der Elfmeter war eine absolute Fehlentscheidung, das habe ich von da oben gut gesehen."

Nach einer fast makellosen Bilanz (fünf Siege, ein Remis), die in der Hinrunde auch Tabellenführer 1. FFC Turbine Potsdam nicht trüben konnte, musste Freiburg gegen München seine erste Heimniederlage hinnehmen. Die Spielerinnen des FC Bayern wiederum konnten zu ihrer bisherigen Bilanz nach sechs Wochen Vorbereitung, acht Tagen Trainingslager und drei gewonnenen Testspielen den ersehnten guten Rückrundenstart hinzufügen. Während Wörles Team in der vergangenen Saison zu diesem Zeitpunkt mit zwölf Punkten Vorsprung auf den VfL Wolfsburg auf Platz eins gelistet wurde, steht dort dieses Jahr Potsdam. Bayern München ist nach zwei Jahren an der Spitze wieder Jäger statt Gejagter. Weil Wolfsburg gegen den SC Sand (4:1) ebenfalls gewann, ändert sich an der Tabellensituation der Münchner nichts: Rang drei mit einem Punkt Rückstand auf Wolfsburg und fünf Punkten Vorsprung auf Freiburg. Am Ende dieses Spieltags konnte Thomas Wörle dennoch, wie so oft in den vergangenen Jahren, wieder mit einem Lächeln zahlreiche Hände abklatschen. Welche es waren, war ihm in dem Moment erst mal egal.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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