FC Bayern München:Wachmacher von der Bank

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Das Warten hat ein Ende: Nach 110 Tagen Pause erzielte Vladimir Lucic gegen Göttingen seine beiden ersten Bundesliga-Punkte. Doch das Nägelkauen geht weiter: Am Wochenende startet der FC Bayern in die Pokal-Endrunde. (Foto: Oryk Haist/imago)

Erst nach einer Ansprache ihres Trainers kommen die Basketballer des FCB gegen Göttingen in Schwung. Die größte Begeisterung beim 91:77 löst die Rückkehr des lange verletzten Vladimir Lucic aus.

Von Jonas Kraus, München

Sein erster Pass verirrte sich noch in die Hände eines Gegenspielers, sein erster Wurf klatschte an den Ring, ebenso sein zweiter. Dann aber, Mitte des dritten Viertels, war es endlich so weit. Vladimir Lucic ging an die Freiwurflinie - und verwandelte beide Versuche sicher. Es waren seine ersten Punkte in der Basketball-Bundesliga nach 110 Tagen Verletzungspause, die Fans waren begeistert. Und auch wenn viele Aktionen des Forwards des FC Bayern nach seinem verheilten Mittelfußbruch noch etwas verhalten wirkten und er nicht immer ins flüssige Offensivspiel der Münchner integriert war: Nach dem 91:77-Erfolg gegen die nun seit elf Spielen in Folge sieglosen Göttinger freuten sich alle für den Rückkehrer.

Mitspieler Anton Gavel fasste die Stimmung innerhalb der Mannschaft recht knapp zusammen: "Alle sind froh, dass er zurück ist." Und auch der Rückkehrer selbst war "einfach nur glücklich", dass er wieder dabei sein konnte, wenngleich er "natürlich noch nicht bei 100 Prozent" sei.

Das merkte man Lucic auch deutlich an. Den zwei Punkten von der Freiwurflinie konnte er keine mehr hinzufügen, lediglich mit einer spektakulären Vorlage fiel er noch auf, als er einen langen Pass von Alex King in vollem Lauf fing und dann, ohne zu schauen, nach hinten passte auf den mitgelaufenen Nihad Djedovic, der den Ball locker in den Korb legte. "Ich war im Abschluss noch nicht so gut", sagte Lucic, "aber ich kann der Mannschaft anders helfen." Gerne hätten sie den Flügelspieler noch mehr miteingebunden, aber Göttingen spielte deutlich stärker, als es der vorletzte Tabellenplatz vermuten ließ. Über weite Strecken hielt der Außenseiter gut mit und verlangte den Bayern alles ab. "Wir mussten unseren besten Basketballball spielen, um zu gewinnen", sagte Bayern-Trainer Sasa Djordjevic.

In Ulm wollen die Bayern am Wochenende ihren ersten Pokalsieg seit 1968 holen

Die Gäste waren zu Beginn sogar besser als der Spitzenreiter. Angetrieben vom überragenden Michael Stockton, der sieben seiner 27 Punkte im ersten Viertel erzielte, ging der Außenseiter 20:17 in Führung. Der Sohn von NBA-Legende John Stockton verteilte zwar nicht so viele Assists, wie es sein Vater für gewöhnlich tat, der die Rangliste der besten Vorlagengeber der NBA bis heute anführt. Dafür ging Stockton junior immer wieder zum Korb oder drückte aus der Mitteldistanz ab.

Djordjevic gefiel augenscheinlich nicht, was er sah. Den verletzungsbedingten Ausfall von Stefan Jovic wollte er nicht als Ausrede gelten lassen: "Wir kannten die Qualität von Göttingen, leisten uns aber trotzdem sieben Ballverluste in der ersten Halbzeit. Das ist zu viel." Erst nach einer Ansprache des Coaches kamen die Münchner besser ins Spiel. Das Comeback von Lucic drei Minuten vor Ende des ersten Viertels, begleitet vom warmen Applaus der Zuschauer, wirkte wie ein Wachmacher auf sie.

Angeführt vom starken Rekordspieler Nihad Djedovic, der insgesamt 19 Punkte erzielte, übernahm der FCB das Kommando. Durch seinen 159. Bundesliga-Einsatz im Dress der Münchner zog der bosnische Nationalspieler mit dem bisherigen Rekordhalter Robin Benzing gleich. "Ich hoffe, dass noch viele Spiele dazukommen", sagte der Jubilar, der im zweiten Viertel zusammen mit Karim Jallow auf dem Parkett stand. Der 20-Jährige, der bisher nur sporadisch zum Zug kommt, legte in seinen sechseinhalb Minuten Spielzeit starke fünf Punkte in Serie auf. So ging es mit 48:38 in die Pause.

Nach dem Wechsel spielten dann die Bayern ihre Qualität aus. Göttingen hielt tapfer dagegen, aber ohne den am Knie verletzten Brion Rush, der im Hinspiel 35 Punkte erzielt hatte, fehlte vorne Entlastung für Stockton. Lediglich Dennis Kramer kam im Trikot der Göttinger noch auf eine zweistellige Punktausbeute. "Sobald Bayern einen Gang höher geschaltet hat, wurde es für uns hart dagegenzuhalten", gestand Gäste-Trainer Johan Roijakkers. Beim Tabellenführer ragte kein Akteur heraus, dafür punkteten neben Djedovic noch vier andere Spieler (Cunningham, Barthel, Booker, Redding) zweistellig - zu viel für Göttingen. Im letzten Viertel kämpften sich die Gäste zwar noch mal auf vier Punkte heran, mehr war aber nicht drin.

Letztlich setzten sich die Bayern verdient durch - und richteten ihren Fokus dann schnell auf das Pokal-Final-Four, das am Wochenende in Ulm ausgetragen wird. Dort wollen die Bayern ihren ersten Pokaltitel seit 1968 holen. Im Halbfinale am Samstag wartet auf die Bayern zunächst Gastgeber Ulm. Mithelfen soll auch wieder Rückkehrer Lucic, den Trainer Djordjevic langsam aufbauen will. "Minuten auf dem Parkett werden ihm sicher helfen", sagt Djordjevic. Ob er ihm schon wieder zwei Spiele in zwei Tagen zutraut, ließ der Trainer offen. Lucic fühlt sich natürlich bereit. "Klar kann ich zweimal hintereinander spielen", sagte der serbische Nationalspieler und fügte hinzu: "Es wird endlich Zeit, Trophäen zu gewinnen."

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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