Eishockey:Vergessliche Verteidigung

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EHC München lässt gegen Straubing einen fatalen Konter zu - kein Einzelfall

Von Christian Bernhard, München

Es gibt gute Gründe, warum sich Trainer und Spieler während eines Eishockeyspiels immer wieder mal an der Bande wegducken und schützend ihre Hände vors Gesicht halten. Don Jackson, Trainer des EHC München, hat das am Sonntag auch gemacht, sein Reflex kam aber einen Tick zu spät. So landete die Scheibe bei einem misslungenen Befreiungsversuch der Straubing Tigers an der Hand des 59-Jährigen, der sie schmerzerfüllt schüttelte und dabei leicht in die Knie ging.

Auch nach der Partie standen Jacksons Hände im Mittelpunkt. Nach der Pressekonferenz knetete er einen Zettel zwischen seinen massigen Fingern so intensiv und lange, dass jedem Anwesenden klar wurde, wie sauer er war. Das hatte nichts mit dem kleinen Scheibenunfall zu tun, sondern mit jener Szene, die zum 3:2 für Straubing geführt hatte. 3:2 für die Tigers hieß es auch nach 60 Minuten, der EHC hatte damit auch das dritte Saisonduell gegen den bayerischen Rivalen verloren und das Ende seiner sieben Spiele andauernde Heimsiegserie zu beklagen.

Jackson redete nicht lauter als sonst, als er jene Szene in ihre Einzelteile zerlegte. Er sprach aber sehr bestimmt über die 39. Minute, als sich bei vier gegen vier gleich drei Münchner vor das Gäste-Gehäuse warfen, die Scheibe aber nicht im Tor unterbrachten - und so plötzlich drei Straubinger auf Frederic St. Denis, den einzig verbliebenen Münchner Verteidiger, zuliefen, ihn ausspielten und David Leggio bezwangen. Jeder Spieler müsse seine Position halten, schimpfte Jackson, und spielte dabei auf den zweiten Verteidiger Richie Regehr an, der mit der Scheibe zum Tor gezogen war. "Für einen erfahrenen Spieler war das ein fürchterlicher Fehler", urteilte der Coach und ärgerte sich wohl auch deshalb so sehr, weil die Szene repräsentativ für die in den letzten drei Spielen vermehrt aufgetretenen Defensivamnesien des EHC stand.

Jackson passte noch am Sonntag den Trainingsplan für diese Woche an. Er ordnete für den sonst trainingsfreien Montag eine Einheit an und verschob den freien Tag auf Dienstag. "Ich hoffe, dieser Rhythmuswechsel hilft uns", erklärte er seine Entscheidung nach der zweiten EHC-Niederlage in Serie. Die Münchner sind zwar weiterhin Tabellenvierter der Deutschen Eishockey Liga (DEL), allerdings beträgt ihr Vorsprung auf Rang sechs, der zur direkten Qualifikation fürs Playoff-Viertelfinale mindestens von Nöten ist, nach dem Null-Punkte-Wochenende (am Freitag hatte der EHC spielfrei) nur noch vier Punkte.

Straubings Trainer Larry Mitchell, der den vierten Sieg in Serie gegen den EHC feierte, hatte sich einmal mehr gut auf Jacksons System eingestellt. Durch Münchens frühes und aggressives Pressing, oft auch von mehreren Spielern, positionieren die EHC-Gegner gerne einen Spieler an Münchens blauer Linie, um diesen mit einem langen Pass aus dem eigenen Drittel auf die Reise zu schicken. Es ist der Versuch, das Jackson-Team auseinanderzuziehen, um blitzartig in den Rücken der Münchner Abwehr zu kommen. Jackson und seine Spieler wissen das, "das passiert jeden Abend", betonte der Trainer. Trotzdem gelang es Straubing wie zuvor auch Düsseldorf und Krefeld mehrmals. "Wir sind defensiv nicht gut genug", schimpfte Jackson, "wir können nicht dahocken und uns darauf verlassen, dass unser Goalie jeden Abend herausragende Paraden macht."

Die zeigte am Sonntag Matt Climie. 46 Münchner Schüsse wehrte Straubings Torhüter ab, nur Keith Aucoin konnte ihn im Mitteldrittel in Überzahl zweimal überwinden (33., 35.). "Wir brauchen überdurchschnittliche Torhüterleistungen, um zu gewinnen", erklärte Mitchell, "das war diesmal wieder der Fall." Das Schlussdrittel gehörte optisch den Münchnern, doch Climie war nicht zu überwinden. Die Niederlage machte Dominik Kahun "sauer", der EHC-Angreifer fand: "Wir hätten ganz klar gewinnen müssen, wir waren die bessere Mannschaft." Offensiv traf das zu, was die Defensive betrifft, hätte er das seinem Trainer an diesem Abend nicht mehr verkaufen können.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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