Eishockey:Schwerer als drei Kilo Leberkäs

Lesezeit: 3 min

Nicht immer souverän: Münchens Daryl Boyle, Kapitän Michael Wolf und Jon Matsumoto (v.l.) suchen gegen Nürnberg Halt und Orientierung. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Das 1:2 gegen Nürnberg ist im sechsten Spiel die sechste Niederlage für den EHC München gegen seine schärfsten Verfolger. Für Trainer Don Jackson und sein Team noch kein Grund zur Unruhe: "Sie haben unser bestes Eishockey noch nicht gesehen."

Von Christian Bernhard

Für all jene, die es mit dem deutschen Meister EHC Red Bull München halten, hat die aktuelle Woche wie die vorangegangenen begonnen: mit einem erfreulichen Blick auf die Tabelle der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Seit Ende Oktober prangt dort neben dem Logo des Münchner Klubs eine Eins. Der Titelverteidiger führt die Tabelle an. Die Begleitumstände haben sich in den vergangenen Wochen allerdings ins Unerfreuliche entwickelt. Die 1:2-Heimniederlage vom Sonntagabend gegen die Nürnberg Ice Tigers war bereits die vierte Niederlage für den EHC im noch sehr jungen Jahr 2017, bei zwei Siegen; vor dem Jahreswechsel waren zwischen vier EHC-Niederlagen noch mehr als neun Wochen vergangen.

Das 1:2 gegen Nürnberg war für EHC-Verteidiger Konrad Abeltshauser nicht nur deshalb besonders bitter, weil er nun dem Nürnberger Leo Pföderl drei Kilogramm Leberkäs nach Franken schicken muss, eine Wettschuld. "Die sollen sie haben", knurrte Abeltshauser nach dem Spiel. Die Niederlage wog deshalb besonders schwer, weil der EHC nun auch den dritten Vergleich der Oberbayern gegen die Mittelfranken verloren hat. Diese sind nun in der Tabelle nur noch einen Punkt von den Münchnern entfernt, und falls Köln, der Tabellendritte, sein Nachholspiel gewinnen sollte, lägen die Rheinländer auch nur noch zwei Punkte dahinter. Auch gegen Köln hat der EHC in dieser Saison dreimal gespielt - und dreimal verloren.

In vier dieser sechs Spitzenspiele gegen die direkten Konkurrenten um Platz eins erzielte der Meister, der über den besten Angriff der Liga verfügt (im Schnitt 3,5 Tore pro Partie), nur einen Treffer. Der EHC 2016/2017: Stark gegen die Kleinen, schwach gegen die Großen? Sechs Spiele gegen die ersten Verfolger, sechs Niederlagen: Solche Zahlen findet kein Trainer der Welt gut. Erst recht nicht Don Jackson, dessen Mission es ist, jedes Jahr den Titel zu gewinnen, was ihm als DEL-Cheftrainer bereits sechsmal gelungen ist. Einer wie Jackson spürt sofort, dass da was nicht passt.

Auf Platz eins zu stehen, sei "really, really" schön, erklärte der Amerikaner, "aber viel wichtiger ist die Art und Weise, wie wir in der restlichen Saison spielen werden". Vielleicht, so Jackson, seien diese Spiele gegen Nürnberg und Köln ein "Weckruf" für seine Mannschaft gewesen. Mit Ausnahme des 1:3 in Köln am Eröffnungsspieltag war der EHC in all diesen Partien bis zu den Schlussminuten dran, alle waren eng und hart umkämpft. Aber er hat sie eben alle: verloren.

Besorgt Sie das, Herr Jackson? "Ich fühle mich momentan ziemlich ruhig", sagte der 60-Jährige am Sonntag, die Trainingsleistungen seiner Spieler seien intensiv und gut. Die Situation sei eine "Herausforderung" für sein Team. Auch die Münchner Spieler geben sich nach außen gelassen. Ihm bereiteten die Niederlagen gegen Köln und Nürnberg keine Sorgen, erklärte Angreifer Frank Mauer, der wie Steve Pinizzotto nach einer Verletzungspause erst kürzlich wieder aufs Eis zurückgekehrt ist. "Alle Spiele waren eng, wir hätten alle gewinnen können", sagte Mauer, er mache sich daher keinen Kopf. Die Nürnberger seien einmal mehr "recht schlau" gegen den EHC aufgetreten, betonte Stürmer Tobias Wörle, "aber die Art und Weise, wie wir bisher gegen sie gespielt haben, stimmt mich positiv, dass wir eigentlich keine Angst vor ihnen haben müssen. Gerade da sie unser bestes Eishockey in den drei Spielen noch nicht gesehen haben". Das Selbstverständnis, das den EHC bis zum Jahreswechsel zum Souverän der Liga erhoben hatte, ist allerdings weg.

"Wir hatten eine Phase, in der wir scheinbar unbesiegbar waren und uns auch so gefühlt haben", sagte Mauer rückblickend, "aber leider haben wir jetzt ein kleines Tief." Fehlende Intensität und Bereitschaft kann man dem EHC in den Top-Spielen nicht vorwerfen, auch am Sonntag hatte er wieder mehr vom Spiel, gab deutlich mehr Schüsse ab (40 zu 28) und scheiterte mehrmals am glänzend parierenden Andreas Jenike im Nürnberger Tor. Der Meister ließ aber erneut einige gefährliche Konterchancen zu und präsentierte sich nicht so abgebrüht wie die Gäste aus Franken. "Nürnberg hat das am Schluss clever gemacht", konstatierte Mauer, "sie hatten den besseren Riecher."

Den hatte David Steckel, der davon profitierte, dass EHC-Torhüter Danny aus den Birken einen nicht sonderlich harten Schuss von der Blauen Linie nicht festhielt. Der Nürnberger Angreifer reagierte schneller als Münchens Verteidiger Deron Quint und drückte die Scheibe in der vorletzten Spielminute zum 2:1-Siegtreffer über die Linie.

"Nürnberg hatte den besseren Start und das bessere Ende", erklärte Jackson und spielte damit auf Milan Jurcinas 1:0 nach nur 34 Sekunden an, das Jason Jaffray in Überzahl im Mitteldrittel ausgeglichen hatte (25.). Nicht nur deshalb wird der EHC-Trainer am 3. und 24. Februar ganz genau hinschauen. Dann geht es zum letzten Mal gegen Nürnberg und Köln - zumindest, was die Hauptrunde betrifft.

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: