Eishockey:Regisseur und Hauptdarsteller

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Kleiner Mann mit langem Schläger: Keith Aucoin misst nur 1,73 Meter. Seine Technik und seine Spielübersicht sind indes überragend. (Foto: Johannes Simon)

Bei DEL-Primus EHC München einen Spieler hervorzuheben, geht nicht? Dafür zieht Keith Aucoin ziemlich viele Blicke auf sich

Von Christian Bernhard, München

Keith Aucoin hat die letzten Tage sehr genossen - nicht nur wegen der Vorweihnachtszeit. Der Angreifer des EHC Red Bull München war viel mit seiner Familie unterwegs und freute sich über den Besuch seiner Mutter. Für Aucoin und seine Frau Maureen bedeutete das auch: Abends mal alleine ausgehen, denn die Babysitter-Suche für ihre zwei Jungs Brayden und Nathan hatte sich erübrigt. Dem 38-Jährigen scheint derzeit nahezu alles in den Schoß zu fallen. Der EHC führt die Tabelle der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mit acht Punkten Vorsprung auf den Zweiten aus Nürnberg an, Aucoin ist mit 28 Punkten (Tore plus Vorlagen) der drittbeste Scorer der Liga; nur Nick Petersen (Eisbären Berlin) und Brandon Buck (ERC Ingolstadt) haben einen Scorerpunkt mehr. In den Mittelpunkt stellt sich Aucoin deshalb aber nicht, Teamkollege Jason Jaffray beschreibt ihn als einen "der ruhigen Sorte".

Es ist ziemlich schwer, beim EHC einzelne Spieler hervorzuheben, zu ausgeglichen, zu gut sind alle Mannschaftsteile. Die Kader-Tiefe und Don Jacksons Ruhe auf der Bank sind die großen Stärken des Meisters. Aucoin, mit zehn Treffern zusammen mit Mads Christensen Münchens bester Torschütze, zieht die Blicke allerdings regelmäßig auf sich - zuletzt am vergangenen Spieltag, als er den EHC im Spitzenspiel gegen den Tabellendritten aus Mannheim mit dem sehenswerten Tor zum 2:1 auf die Siegerstraße brachte.

Aucoin ist mitverantwortlich dafür, dass der EHC mit 98 Treffern den besten Angriff der Liga stellt und in seinen jüngsten 15 Spielen immer gepunktet hat. Aucoin war immer dabei und blieb nur in drei dieser 15 Spiele ohne Scorerpunkt. Damit hat der US-Amerikaner, der sich selbst mehr als Spielmacher sieht, nach etwas mehr als der Hälfte der Hauptrunde schon fast so viele Tore auf seinem Konto wie in der kompletten Hauptrunde 2015/16. Das Zusammenspiel mit seinen Reihenkollegen Christensen und Steven Pinizzotto klappe "sehr gut", sagt er, "die Chemie passt einfach". Sogar das lange Zeit schwache Überzahlspiel hat er zuletzt wieder mit angekurbelt.

Aucoin ist auf dem besten Weg, dort weiterzumachen, wo er in Nordamerikas zweiter Liga, der AHL, aufgehört hat. Anders als in der NHL, wo er trotz 165 Einsätzen nie wirklich den Durchbruch schaffte, bastelte er in der AHL schnell an seinem Legendenstatus. Mit 613 Assists in 769 Spielen ist er der fünftbeste Vorlagengeber und die Nummer sieben der Scorerliste in der Geschichte der AHL. Gleichzeitig ist er der einzige Nicht-Kanadier in den Top 30.

"Wir machen bisher definitiv vieles richtig, die Mannschaft spielt mit einer hohen Intensität", sagt Trainer Don Jackson. Einer der Gründe dafür sei das Auftreten der erfahrenen Spieler: "Unsere Leader gehen voran." Aucoin ist Teil der Anführer-Gruppe, die Jackson immer wieder hervorhebt. Trotz seiner nur 1,73 Meter Körpergröße spielt er in Jacksons Planungen eine zentrale Rolle, Überzahl, Unterzahl, Fünf-gegen-Fünf: Der US-Amerikaner nimmt immer wichtige Rollen ein.

Seine Spiel-Übersicht im offensiven Drittel gehört zum besten, was die Liga zu bieten hat, und eine gehörige Portion Giftigkeit hat er auch in seinem Repertoire. Aucoin lässt sich nichts gefallen und sorgt bisweilen auch selbst dafür, dass die Gegner aus dem Spielrhythmus kommen.

Bevor der EHC Ende des Jahres für zwei Heimspiele in der große Olympia-Halle umzieht, stehen noch drei Partien auf dem Programm - die ersten zwei davon auswärts. In Straubing (Freitag, 19.30 Uhr), Krefeld (Montag, 19 Uhr) und gegen Schwenningen (Mittwoch, 19.30 Uhr) warten die drei Letzten der Tabelle auf den Spitzenreiter. Mit dabei ist dann auch wieder Matt Smaby. Der Verteidiger, der sich Anfang Dezember eine Oberkörperverletzung zugezogen hatte, ist wieder im Mannschaftstraining und kehrt nach Klubangaben voraussichtlich am Freitag in Straubing auf das DEL-Eis zurück. Für Aucoin sind die auf dem Papier nicht eben prickelnden Partien kein Thema, er sagt, der EHC gehe in jedes Spiel gleich - egal ob auf der anderen Seite des Eises ein großer Name warte oder nicht. "Wir schauen auf uns, nicht auf den Gegner", betont er.

Ein Mann seiner Erfahrung weiß schließlich ganz genau: In die Statistik gehen alle Scorerpunkte ein, auch die gegen die Kleinen.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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