Eishockey:Plus-Minus- und Ruhepol

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Mr. Bad Guy: Für seine Zurückhaltung ist Steve Pinizzotto nicht bekannt. (Foto: Imago)

Der 6:4-Derbysieg des EHC München in Augsburg ist geprägt von hohen emotionalen Ausschlägen. Steve Pinizzotto und Geburtstagskind Michael Wolf spielen dabei besondere Rollen

Von Christian Bernhard, Augsburg/München

Man muss kein Psychologe sein, um festzustellen, dass Michael Wolf und Steve Pinizzotto in ihrem Wesen unterschiedlicher kaum sein könnten. Wie groß die Divergenz zwischen den beiden Spielern des EHC München ist, zeigte sich am Sonntag beim Derby im Augsburger Curt-Frenzel-Stadion, das der EHC am 40. Spieltag der Deutschen Eishockey Liga (DEL) 6:4 (0:1, 2:0, 4:3) gewann. Sowohl Pinizzotto als auch Wolf sollten ihren jeweils sehr speziellen Anteil an diesem Auswärtssieg haben.

Pinizzotto trat bereits im Startdrittel mit einem Bandencheck gegen Augsburgs Spielmacher Drew LeBlanc in Erscheinung. AEV-Verteidiger Derek Dinger, vom live übertragenden Sender Servus TV als einer der beiden sogenannten Cable Guys während des Spiels mit einem Mikrofon ausgestattet, hatte für die Aktion Pinizzottos kein Verständnis. "Ohne Rücksicht auf Verluste, keine Gefangenen. Ey, der bringt dich um", schnaubte Dinger, ehe er Pinizzotto als "Psychopathen" bezeichnete. Dingers Äußerungen fielen aus der Emotion heraus, man darf sie nicht auf die Goldwaage legen. Aber sie erklären, warum derartige O-Töne normalerweise nicht gesendet werden. Das Augsburger Publikum jedenfalls hatte Pinizzotto fortan auf dem Kieker und ließ ihn das bei einem Live-Interview in einer Spielunterbrechung hören: Die Antworten des Amerikaners gingen in einem Pfeifkonzert unter. Pinizzotto antwortete auf seine Weise: Nachdem das Interview beendet war, drehte er sich zum Augsburger Fanblock und legte demonstrativ den Finger auf seine Lippen.

"Steve polarisiert natürlich", sagt Münchens Verteidiger Florian Kettemer. Dass der ehemalige NHL-Profi auch Eishockey spielen kann, zeigte er in der 29. Minute, als er den Puck mit 138 km/h zum 2:1 ins Kreuzeck donnerte. Außerdem hat er den drittbesten Plus-Minus-Wert beim EHC (+10). Allerdings besann sich der Strafbankkönig der DEL (125 Minuten) auch in dieser Partie nicht nur auf seine sportlichen Fähigkeiten. Nach einer Strafe gegen den Teamkollegen Daniel Sparre, mit der er nicht einverstanden war, kassierte er im Schlussdrittel eine Zehn-Minuten-Disziplinarstrafe wegen Schiedsrichterbeleidigung und applaudierte auf dem Weg zur Strafbank hämisch in Richtung der Spielleiter. Damit nicht genug knallte er wutentbrannt die Strafbanktür zu und legte sich auch noch mit einem Offiziellen an. Die Stimmung war so aufgeheizt, dass der EHC nach Klubangaben das Stadion unter Polizeischutz verlassen musste, weil Augsburger Ultras Pinizzotto angeblich auf ihre Weise verabschieden wollten.

Michael Wolf dürfte so etwas noch nie passiert sein. Der Münchner Kapitän ist so etwas wie der Gegenpol zu Pinizzotto. An seinem 35. Geburtstag war Wolf 40 Minuten lang kaum zu sehen, erkämpfte sich aber zu Beginn des Schlussdrittels in Unterzahl mit einer Energieleistung einen Penalty, den er souverän zum 3:1 verwandelte (43.). "Brutal wichtig" sei dieser Treffer gewesen, betonte Kettemer und sprach vom "Wendepunkt" in der Partie. Wolf, zuvor acht Spiele lang ohne Treffer - für seine Verhältnisse eine fast schon epochale Durststrecke -, verzichtete freilich auf Jubelgesten und verzog auch beim Abklatschen mit seinen Teamkollegen keine Miene. In der Schlussminute verbuchte er mit einem Schuss ins leere Tor noch DEL-Treffer Nummer 264, wodurch er in der Liste der besten Torjäger der DEL-Geschichte wieder näher an den führenden Nürnberger Patrick Reimer (267) heranrückte. Da der Tabellendritte Iserlohn verlor, Düsseldorf und Berlin sich im direkten Duell Punkte abnahmen und Münchens erster Verfolger Nürnberg nur einen Punkt in Hamburg holte, liegt der EHC als Vierter nur noch fünf Punkte hinter Spitzenreiter Berlin.

In das nächste Spiel am Freitag bei Meister Mannheim, der am Wochenende zweimal 3:2 siegte und bereits an diesem Dienstag zum Nachholspiel gegen Straubing antreten muss, geht der EHC nun mit dem guten Gefühl eines Sechs-Punkte-Wochenendes - und mit weiteren guten Nachrichten. Neben Zugang Konrad Abeltshauser, der die Spiele gegen Köln und in Augsburg noch von der Tribüne aus verfolgte, soll auch Nationalspieler Frank Mauer nach langer Verletzungspause in Mannheim erstmals wieder im Kader stehen. Der Konkurrenzkampf wird damit noch intensiver.

Michael Wolf und Steve Pinizzotto dürften das relativ entspannt sehen. Sie haben ihre Rollen bereits gefunden.

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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