Eishockey:Locker vom Hocker

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Die meisten Tore, volle Punktzahl, Platz eins: Der EHC München setzt am DEL-Auftaktwochenende die Rekordmarken. Und ein Zeichen: Der Kader von Don Jackson ist nicht weniger opulent als der seines Vorgängers - aber besser besetzt

Von Christian Bernhard, München

Ein Stuhl. Es gibt Momente, in denen eine einzige Sitzgelegenheit ausreicht, um eine ganze große Angelegenheit zu versinnbildlichen. So wie am Freitagabend in der Hamburger O2-Arena, der ersten Station für den EHC München in dieser 21. Saison der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). In der hochmodernen Arena bat der EHC um einen zusätzlichen Stuhl, um seine Spielerbank zu erweitern. Das vom Gastgeber zur Verfügung gestellte Sitzmobiliar war schlicht und einfach zu kurz für den opulenten Münchner Kader.

Eine lange Bank. Vier qualitativ gut und tief besetzte Reihen. Viel Energie.

Der EHC München hat bereits am ersten DEL-Wochenende das umgesetzt, was ihn in den Augen vieler Beobachter in dieser Saison besonders stark machen wird. Die Mannschaft von Trainer Don Jackson feierte bei den Hamburg Freezers (6:3) und gegen die Schwenninger Wild Wings (7:0) zwei überzeugende Siege und führt die Tabelle an. "Die Münchner haben uns viel laufen lassen", sagte Schwenningens Kapitän Sascha Goc nach dem Debakel vom Sonntag. "Irgendwann war unsere Kraft aus, und das haben sie ausgenutzt."

Die zwei Münchner Siege sollten indes nicht überbewertet werden, beide Gegner waren keine Gradmesser, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: Hamburg, Hauptrunden-Sieger der vergangenen Saison und in voller Mannschaftsstärke ein Kandidat auf einen der vordersten DEL-Plätze, spielte verletzungsbedingt phasenweise nur mit 13 Feldspielern, die Schwenninger verbrachten einen Großteil ihres Gastspiels in der Olympia-Eishalle auf der Strafbank. Durch die vielen Strafzeiten sei "alles den Bach runtergegangen", konstatierte Wild-Wings-Trainer Stefan Mair.

Die vielen Überzahlsituationen "haben uns in Tritt gebracht", folgerte Münchens Nationalstürmer Martin Hinterstocker, der gegen die Wild Wings sein Saisondebüt feierte. Ihm Platz machen musste Dominik Kahun, 19, ein großes Talent, das beim Deutschland-Cup im November bereits sein Debüt in der Nationalmannschaft gegeben hat. Alleine das zeigt, wie tief der Münchner Kader besetzt ist. Damit lässt sich Jacksons aggressive und laufintensive Spielweise bestens umsetzen: Vier qualitativ gute Reihen geben über drei Drittel Gas. Nach dem Auftakt in Hamburg betonte Jackson, die vielen Torchancen seiner Mannschaft hätten sich dadurch ergeben, "da wir das Tempo bewusst hochgehalten haben".

6:3 in Hamburg, 7:0 zu Hause gegen Schwenningen - die Profis des EHC München um Yannic Seidenberg (re. vorne) feiern ihren perfekten Start. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Die 13 Tore am ersten Wochenende - Ligaspitze - erzielten acht verschiedene Torschützen. Die spektakulärste Neuverpflichtung, DEB-Kapitän Michael Wolf, der von Jackson gleich zum Spielführer ernannt wurde, oder Alexander Barta, EHC-Topscorer der vergangenen Saison, scheinen in der Torjägerliste noch gar nicht auf. Wenig überraschend war Jackson mit diesem Start sehr zufrieden. Der US-Amerikaner sprach nach dem Spiel gegen Schwenningen von einem "Mannschaftssieg", zu dem jeder Spieler seinen Teil beigetragen habe. Jackson hob keinen Spieler explizit hervor, dafür aber die Disziplin seiner Mannschaft. Diese habe den Unterschied ausgemacht, betonte er, und unterstrich, dass dieser Punkt bei ihm immer an erster Stelle stehe.

Barta sagte, der EHC habe gegen Schwenningen "vieles richtig gemacht". Das scheint auch für die Zusammenstellung des Kaders zu gelten. Anders als in der vergangenen Saison, als zwar namhafte Profis aus Übersee geholt wurden, die vielversprechende Statistiken in Kanada oder den USA vorzuweisen hatten, bringen die neuen EHC-Ausländer allesamt Europa-Erfahrung mit. Und nicht nur das: Bis auf Jeremy Dehner kennen alle bereits die DEL oder haben schon mit Jackson zusammengearbeitet. Sie sind damit bereits an das europäische Eishockey, das aufgrund der größeren Eisfläche laufintensiver ist, gewöhnt.

Die Mannschaft dürfe nach diesem Wochenende nicht abheben, sondern müsse weiter arbeiten, sagte Barta. Und in der Tat gibt es ja noch Verbesserungsbedarf. Beim Feiern mit den Fans etwa: Diese forderten nach dem Schützenfest gegen Schwenningen Rückkehrer Florian Kettemer als Humba-Vorsänger. Der Verteidiger, der in Hamburg und gegen die Wild Wings getroffen hatte, war aber nicht auf dem Eis, als seine Teamkollegen bereits vor der Kurve knieten. Bis auch er aus der Kabine zurückkam, dauerte es ein wenig - es sollte die einzige EHC-Panne des Auftakt-Wochenendes sein.

© SZ vom 16.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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