EHC München:Münchner Momentum

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"Wir haben unser Bestes gezeigt": Beim 4:2 gegen Mannheim führt der Titelverteidiger den Konkurrenten phasenweise vor. In der Champions League dürfen sich nun einige Stammkräfte erholen

Von Christian Bernhard, München

Pavel Gross hatte gute Gründe, exakt jene zwei Mannschaften zu nennen. Wolfsburgs Trainer, der mit seinem Team in den vergangenen zwei Jahren erst im Playoff-Finale an München gescheitert ist, beantwortete zu Saisonbeginn die Frage nach dem Meistertipp so: "München oder Mannheim aufgrund ihrer Voraussetzungen." München und Mannheim sind zwei der finanzstärksten Teams der Deutschen Eishockey Liga (DEL), von ihrer Tiefe im Kader können zwei Drittel der Konkurrenz nur träumen. Wer schickt nicht gerne Nationalspieler wie Brent Raedeke in der vierten Angriffsformation oder David Wolf in der dritten Reihe aufs Eis?

Am Sonntagnachmittag trafen die zwei Schwergewichte im Münchner Olympia-Eisstadion aufeinander. Mannheims Problem dabei: Weder Wolf noch Raedeke noch Ryan MacMurchy noch Verteidiger Mathieu Carle standen auf dem Eis, sie fehlten alle verletzt. Ob es nur an den Ausfällen lag, sei dahingestellt - Fakt ist: 50 Minuten lang reichte das Mannheimer Angebot nicht aus, um mit einem EHC in Bestbesetzung mithalten zu können. In den restlichen zehn Minuten machten es die Adler urplötzlich spannend, am Ende gewann der EHC aber verdient mit 4:2 (1:0, 2:2, 1:0) und machte so die 1:2-Niederlage nach Verlängerung in Nürnberg vom Freitag wett.

Die Laune von Adler-Trainer Sean Simpson in der Pressekonferenz ließ erahnen, was er vom Großteil des Spiels seiner Mannschaft hielt. "So viel habe ich nicht zu sagen", erklärte er, "München war besser und hat verdient gewonnen." Punkt.

Dreißig Minuten lang zaubert der EHC. Nur Nationaltorwart Dennis Endras stellt sich dagegen

Der EHC nahm von Beginn an Mannheims Torhüter Dennis Endras ins Visier. Kapitän Michael Wolf war einer jener, die es immer wieder probierten. In Minute acht klappte es auch: Nach einem schönen Pass von Frank Mauer bezwang Wolf Endras im Powerplay. Die Adler kassierten zwei weitere Strafen, und die Münchner deckten Endras weiterhin mit Schüssen ein. Dass Mannheim nur mit einem 0:1-Rückstand in die erste Pause ging, hatten die Adler einzig ihrem Schlussmann zu verdanken. Mannheims Garrett Festerling hielt auf dem Weg in die Kabine fest: "Wir müssen aufwachen."

Seine Forderung war richtig und gut gemeint. Allerdings machte der Titelverteidiger zu Beginn des zweiten Spielabschnitts genau so weiter wie im ersten und schnürte die Gäste in deren Drittel ein. 23:4 lautete die Schuss-Statistik nach 27 Spielminuten zu Gunsten des EHC - und auch das Zwischen-Ergebnis hatte sich währenddessen dem Spielverlauf angepasst: Nach den ersten DEL-Treffern dieser Saison von Konrad Abeltshauser (22.) und Brooks Macek (27.) stand es 3:0 für den EHC, der noch höher hätte führen können, wenn Jerome Flaake in seinem 500. DEL-Spiel die Scheibe ins Tor und nicht an den Pfosten befördert hätte (23.).

Dreißig Minuten lang zauberte der EHC das nahezu perfekte Spiel aufs Eis, der Titelkandidat aus Baden wurde dabei vom Meister phasenweise vorgeführt. "Wir haben vom Start weg definitiv unser Bestes gezeigt", sagte EHC-Trainer Don Jackson, "vielleicht unser bestes Spiel der Saison." Dann aber drehte sich das oft beschworene Momentum - und zwar ohne Vorwarnung. Chad Kolarik hatte Platz und bezwang Münchens Torwart David Leggio mit einem platzierten Schuss (30.). Drei Minuten später hatte auch Garrett Festerling Platz - und auch er traf ins Münchner Tor. Weitere zwei weitere Minuten später hätte es 3:3 stehen können, doch der Überzahlschuss von Sinan Akdag knallte an die Latte.

Der EHC sei zweimal "eiskalt bei Kontern erwischt" worden, sagte Mauer nach dem Mitteldrittel, "wir müssen jetzt noch mehr laufen, noch mehr zum Tor ziehen und weniger Konter zulassen." Das gelang. Das Momentum, jenes flüchtige Element, entschied sich für die Münchner, die im Schlussdrittel wieder das Kommando übernahmen. Jason Jaffray traf zum 4:2-Endstand (48.).

Jaffray wird so wie Michael Wolf nicht dabei sein, wenn der EHC am Montag ins Flugzeug nach Schweden steigt. Dort tritt er am Dienstag im letzten Gruppenspiel der Champions Hockey League (CHL) bei Brynäs IF an. Da die Qualifikation für die K.o.-Runde bereits fixiert ist, schont Jackson gegen die Skandinavier wie schon in der Vorwoche einige Stammspieler. Ob Sean Simpson beim CHL-Spiel der Adler gegen Esbjerg ähnlich gnädig ist, war nicht zu erfahren.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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