Deutsche Eishockey-Liga:Schtürmi und Drang

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Der EHC München schiebt sich als bester bayerischer Verein auf Rang fünf - doch das Siegtor in Köln schießt ein Kölner.

Johannes Schnitzler

Es gibt sie, diese Momente, in denen einem bewusst wird, dass der EHC München noch ein recht junger Verein ist, gerade aufgestiegen in die Deutsche Eishockey-Liga (DEL). Man vergisst das leicht. Vier Wochen vor dem Ende der Hauptrunde steht der EHC auf Platz fünf, der die Direktqualifikation für die Playoffs bedeuten würde. So weit oben hat sich zu diesem Zeitpunkt noch kein Neuling etabliert. Am Mittwoch gastierte das Team in Köln. Die Haie waren acht Mal Deutscher Meister. Vor der Partie wurde KEC-Verteidiger Mirko Lüdemann, 37, für 893 Spiele in der DEL geehrt, so viele wie kein anderer, alle für Köln - es hätte sein Abend werden sollen. Doch dann kam der Aufsteiger, mit einer Mannschaft, die 2505 DEL-Spiele auf dem Buckel hat - alle 18Profis zusammen, wohlgemerkt - und besiegte den KEC vor 10036 Zuschauern 5:2 (2:2, 2:0, 1:0). Der EHC ist die bestplatzierte bayerische Mannschaft, Köln Letzter. Und wie das im Sport so ist: Das entscheidende Tor für den EHC schoss Sören Sturm - ene echte kölsche Jung.

Von wegen Kölscher Klüngel: "Ich bin jetzt Münchner", sagt Sören Sturm. Und wenn jemand seinen Torwart attackiert, geht der 21-Jährige (rechts) auch auf ehemalige Teamkollegen wie Moritz Müller los. Beim EHC finden sie, Sturm sei auf einem guten Weg. (Foto: Fishing4)

Sturm ist in Köln geboren und aufgewachsen, hier hat er das Eishockeyspielen gelernt. Bis zur vergangenen Saison spielte er für den KEC, hier feierte er vor vier Jahren sein DEL-Debüt. Aber zum Stammspieler hat es nie gereicht. Die Haie verliehen ihn nach Essen, nach Heilbronn und Bremerhaven. Zweite Liga. In der DEL kam er über sporadische Einsätze nicht hinaus. "Man hat mich abgeschoben und mir am Ende keinen Vertrag mehr gegeben", sagt Sturm. 2010 wechselte er nach München. Am Mittwoch, sagt Sturm, war er "sehr motiviert".

Sturm ist eigentlich Abwehrspieler. EHC-Trainer Pat Cortina hatte ihn als Verteidiger Nummer sieben in die Startaufstellung schreiben lassen. Der siebte Verteidiger ist normalerweise der, der erst ran darf, wenn ein anderer sich verletzt, auf der Strafbank sitzt oder einen schwachen Tag hat. Manchmal treffe es René Kramer, manchmal Patrik Vogl und manchmal eben Sturm, sagt Cortina. Der Kanadier nennt Sturm "Schtürmi", Schtürmi mit weichem R. Mittwoch war Schtürmis Tag. Am Ende hatte der 21-Jährige neben Kapitän Stéphane Julien und Johan Ejdepalm, den beiden erfahrensten Münchner Verteidigern, die meiste Eiszeit gehabt, er hatte nach Stürmer Eric Schneider die meisten Schüsse aufs Tor abgegeben, und, weil ihn Cortina auch im Powerplay einsetzte, in Überzahl das sogenannte game winning goal erzielt. Das 4:2 (36.) von Julien (der auch vier Jahre für Köln gespielt hat) und das 5:2 in der Schlussminute, als Schneider auf Vorlage Sturms ins leere Tor traf, hätte es statistisch nicht mehr gebraucht.

Sturm schießt nicht viele Tore. Das 3:2 gegen den KEC war erst sein dritter Treffer in dieser Saison, zuletzt hatte er die Scheibe kurz nach Weihnachten versenkt, gegen Meister Hannover, an diesem Freitag (19.30Uhr, Olympia-Eisstadion) nächster Gegner des EHC. "Sören ist auf einem sehr guten Weg", sagt EHC-Manager Christian Winkler. So sicher waren sie sich darüber nicht immer in München. "Er hatte ein paar Probleme mit der Einstellung", sagt Winkler. Sturm räumt ein: "Ich habe am Anfang vielleicht nicht ganz so getickt, wie man es von mir erwartet hat." Es kam zur Aussprache, es fielen harte Worte, "und ich habe sie angenommen". Cortina sagt: "Schtürmi ist noch jung", irgendwo "between boy and man", manchmal verliere er den Fokus. Sturm ist 1,84 Meter groß, aber sein Gesicht trägt noch kindliche Züge. Braune Knopfaugen, Pausbacken, ein flaumiger Bart: Typ knuffiger Bär - der aber rasend schnell zum Grizzly mutieren kann, wenn er gereizt wird. Als Kölns Nationalspieler Moritz Müller EHC-Torwart Sebastian Elwing attackiert, nimmt sich Sturm den ehemaligen Kollegen zur Brust. "Ich bin jetzt Münchner", sagt er mit fester Männerstimme, "ich spiele jetzt für den EHC."

"Für Sören ist es wichtig, dass er jetzt in die Spur findet", dass er verinnerliche, was es bedeute, Profi zu sein, sagt Manager Winkler. "Das werden ihm die Haie auch öfter gesagt haben." Was sie ihm wohl nicht so oft gesagt haben: "Er arbeitet hart." Sagt Pat Cortina. Und dass er Sturm im Powerplay spielen lasse, weil der es sich "verdient hat".

Am Freitag empfängt Aufsteiger München also Meister Hannover. Der EHC, nochmal, ist Fünfter. Die Scorpions liegen auf Platz zehn und müssen kämpfen, um überhaupt die Pre-Playoffs zu erreichen. "Das ist ein kleines Märchen, ja", sagt Christian Winkler. Eine Momentaufnahme, "aber wir schauen sie gerne an". Für Pat Cortina ist es das nächste von noch sieben Endspielen, "jeder sucht jetzt verzweifelt Punkte". Für Sören Sturm ist es der nächste Schritt auf seinem Weg mit dem EHC: "Unser Ziel sollte jetzt die direkte Playoff-Qualifikation sein." Klingt, als dränge es ihn, in München alt zu werden.

© SZ vom 18.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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