Deutsche Eishockey Liga:Mit dem Herzen in der Heimat

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Nach Startschwierigkeiten hat sich Torhüter Florian Hardy beim EHC München sportlich etabliert. Emotional waren die vergangenen Tage für den Franzosen alles andere als leicht

Von Johannes Schnitzler

Die vergangenen Tage waren nicht leicht für Florian Hardy. Der französische Nationaltorhüter des EHC München blickte wie der Rest der Welt gebannt nach Paris und verfolgte, was in seiner Heimat vor sich ging. Hardy ist zwar in Nantes geboren, im Westen der Republik, und hat dort auch die meiste Zeit gespielt. Aber in diesen Tagen, da ganz Frankreich Charlie ist, spielte es keine Rolle, ob einer aus Paris kommt oder aus der Provinz. Die Grande Nation trauerte gemeinsam. "Vor dem Spiel am Freitag gegen Ingolstadt", sagt Hardy, "da war es ehrlich gesagt nicht leicht, sich auf Eishockey zu konzentrieren. Ich habe den ganzen Tag vor dem Fernseher gesessen." Er habe mit Freunden daheim gesprochen und natürlich mit seinen Eltern. Aber begreifen konnte er das Geschehen so wenig wie alle anderen: nichts, was man einfach so wegwischen kann wie einen Puck, der vors Tor geschlittert kommt. Auch am Sonntag, als dreieinhalb Millionen Franzosen gegen Gewalt und Terror marschierten, wäre er gerne solidarisch mit seinen Landsleuten auf die Straße gegangen. Aber Hardy musste spielen, in Nürnberg diesmal. Der EHC verlor 4:5 nach Penaltyschießen, Hardy spielte stark. "Aber mit dem Herzen war ich zu Hause."

Sportlich waren die vergangenen Tage für Florian Hardy vermutlich die glücklichsten, seit er in Deutschland spielt. Seit Jahresbeginn stand er in vier von fünf Partien zwischen den Pfosten, feierte zum Auftakt gegen Wolfsburg (3:0) seinen dritten Shut-out, gewann gegen Ingolstadt (4:2) und gab seinem Team auch in Nürnberg lange die Chance, drei Punkte zu holen. In der DEL seien die Spieler schneller und stärker als in der Ligue Magnus, sagt Hardy. Die Unterschiede zwischen den Top-Teams beider Länder seien nicht so groß. Aber das Gefälle innerhalb der Liga ist in Frankreich größer. "In Deutschland kann jeder jeden schlagen. Ich habe eine Zeit gebraucht, um mich an das Level zu gewöhnen. Aber jetzt fühle ich mich hervorragend." Das war nicht immer so.

Als der EHC Mitte Juni als Nachfolger für Nationaltorwart und Publikumsliebling Jochen Reimer einen hierzulande nahezu unbekannten Franzosen präsentierte, fragten sich auch Experten: Florian wer? Und noch bevor der 29-Jährige sich persönlich hätte vorstellen können, zog er sich eine Verletzung zu und verpasste den Saisonauftakt. Als er dann endlich ran durfte, wirkte er verunsichert, fahrig, und sah oft alles andere als glücklich aus. Nicht nur im Publikum murmelten einige schon halblaut, ob nicht dieser Torwart selbst ein Fehlgriff sei. "So hatte ich mir den Start nicht vorgestellt", sagt Hardy.

Den Penalty von Corey Locke abwehren und die 4:5-Niederlage des EHC München in Nürnberg verhindern konnte Florian Hardy nicht. (Foto: Eibner/Imago)

Trainer Don Jackson verlegte sich auf ein Wechselspiel im Tor. Hardy spielte oft auswärts, Niklas Treutle zu Hause. In geradezu absurdem Gleichklang stehen die Münchner Torhüter an der Spitze der DEL-Statistik. Beide haben exakt denselben Gegentorschnitt (2,12), Hardy (92,4 Prozent) die um eine Winzigkeit bessere Fangquote als Treutle (92,2). Sie hätten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, sagt Jackson, "das macht meinen Job schwieriger." Welcher von beiden spielt, teilt der Trainer seinen Schlussmännern immer am Tag vor einem Spiel mit. "Wir hätten gerne ein Muster etabliert", sagt Jackson, was sich allerdings schwierig gestaltete: Mal fiel Treutle aus, dann wieder Hardy. Jetzt aber scheint der Franzose im Vorteil zu sein. Er hoffe, dass er künftig mehr spiele: "Ich bin schließlich als Nummer eins gekommen."

Bevor er 2014 zum EHC wechselte, wurde er mit Les Ducs, den "Enten" aus Angers, französischer Meister. Von Deutschland ist er angetan. Die Stadien seien toll, die Fans , die Stadt München und die ganze Organisation großartig: "Hier wird alles getan, dass man gute Leistungen bringen kann." In Köln vor 18 000 Zuschauern zu spielen, sei auch für ihn ein Erlebnis gewesen, sagt Hardy: "Ich habe nicht oft in so großen Stadien gespielt." In Angers finden gerade etwas mehr als 1000 Zuschauer Platz. Aber es ist nicht allein die Zahl der Fans, sondern die Art, wie sie mitgehen, die ihn fasziniert. Beeindrucken lässt er sich von der Kulisse allerdings nicht: "Ich bin sehr ruhig. Ich versuche das Spiel zu lesen. Und ich spiele gern unter Druck."

Das ist auch Don Jackson aufgefallen. Bei der WM 2014 musste Hardy als Frankreichs Nummer zwei gegen die Top-Teams antreten, um die Nummer eins Cristobal Huet, 39, für die Pflichtaufgaben zu schonen. Hardy stand beim 1:2 gegen Schweden und beim 4:5 gegen die Tschechen im Tor. Frankreich wurde Achter, Deutschland kam nur auf Platz 14. "Er hat sehr gut gespielt", sagt Jackson.

Dass er Hardy zuletzt öfter einsetzte als Treutle, sei "für Niklas sicher schwer zu schlucken" gewesen, glaubt der Trainer. "Aber sie sind Profis. Sie müssen beide mental stark sein, sie müssen beide bereit sein." Aus der Niederlage gegen Nürnberg müsse sein Team nun die richtigen Lehren ziehen, sagt Jackson. Er selbst durfte dies mit aus dem vergangenen Wochenende nehmen: Dass Florian Hardy sich auf den Punkt fokussieren kann. Selbst wenn es ihm schwerfällt.

© SZ vom 13.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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