BCF Wolfratshausen:Acht Tore, ein Punkt

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Zu spät gegrätscht: Heimstettens Hugo Lopes (hier gegen Michael Rödl) trifft nach nur drei Minuten zum 1:0. (Foto: Claus Schunk)

Im spektakulären Derby in Heimstetten holt Wolfratshausen einen 0:3-Rückstand auf.

Von Christian Bernhard, Heimstetten

Sonnenanbeter wären auf die Plätze, die Lars Nummer und Onur Misirlioglu am frühen Samstagnachmittag einnahmen, neidisch gewesen. Die Sonne löste im Heimstettener Sportpark Sommergefühle aus, doch die beiden saßen ziemlich bedröppelt auf ihrer Bank am Spielfeldrand. Nummer und Misirlioglu sind Innenverteidiger beim BCF Wolfratshausen, sie standen am Samstagnachmittag im Bayernliga-Derby in der Startelf. Von der 22. Minute an verfolgten sie die Partie aber von der Seitenlinie aus. Beide Innenverteidiger nach so kurzer Spieldauer auf die Bank? Sieht man nicht so oft. Man sieht aber auch nicht so oft, dass ein abstiegsbedrohter Verein, für den jeder Punkt zählt, gegen einen Gegner, für den es tabellarisch um nichts mehr geht, nach zwölf Minuten mit 0:3 zurückliegt. Am Ende einer äußerst turbulenten Partie stand der BCF dennoch nicht mit leeren Händen da: 4:4 hieß es am Ende, Wolfratshausens Trainer Marco Stier musste erst einmal seine "gemischten Gefühle" ordnen. Durch das zweite Remis in Serie ist der BCF zwei Spieltage vor dem Saisonende mit 30 Punkten weiterhin Tabellen-Vorletzter, der Vorsprung auf den Letzten aus Gundelfingen wuchs auf drei Punkte an. Platz 13, der den direkten Klassenerhalt bedeuten würde, ist vier Zähler entfernt.

Der katastrophale Start hatte Stiers Ansagen ("Für mich ist das ein K.-o.-Spiel, da zählt nur der Sieg", "Man muss definitiv erkennen können, welches Team um seine Existenz spielt", "Die Jungs stehen in der Pflicht, sie müssen jetzt liefern") schnell verpuffen lassen. Hugo Lopes (3.), Sebastiano Nappo (7.) und Manuel Duhnke (12.) spazierten bei ihren Toren durch die BCF-Hintermannschaft. "Ja ist denn heut' scho Weihnachten", rief Heimstettens Stadionsprecher ins Mikrofon. Stier schickte direkt nach dem 0:3 seine komplette Bank zum Aufwärmen und sprach hinterher von "drei Eigentoren" und einer zu diesem Zeitpunkt "desolaten Innenverteidigung". Der BCF-Trainer war so aufgebracht, dass er mit dem Rücken zum Spielfeld gewandt vehement auf seinen Co-Trainer Günter Wernthaler einredete, ehe er seinen ungewöhnlichen Doppelwechsel tätigte.

Die eingewechselten Angelo Hauk und Sandro Wolfinger brachten Schwung ins BCF-Spiel, Hauk erzielte kurz vor der Pause mit einem Schuss von der Strafraumgrenze das wichtige 1:3 (44.). "Als dieses Tor fiel, habe ich an die Mannschaft geglaubt", sagte Stier. "Da hatte ich das Gefühl, dass wir noch was holen." In der zweiten Hälfte bestätigte sich Stiers Gefühl: Erst verkürzte Gregoire Diep auf Pass von Hauk auf 2:3 (50.), dann traf sein Bruder Gilbert Diep nach schöner Vorarbeit von Wolfinger aus kürzester Distanz zum 3:3. Gespielt waren da 63 Minuten, Wolfratshausen hatte also noch eine gute halbe Stunde Zeit, um den Sieg einzutüten. Doch was passierte? Stier: "Der Akkurt kommt rein und macht nach zwei Minuten ein Tor." Orhan Akkurt, Top-Torjäger der Bayernliga Süd, hatte von Heimstettens Trainer Borislav Vujanovic eine Pause bekommen, doch ihm reichten nach seiner Einwechslung wenige Minuten, um seinen 25. Ligatreffer zu erzielen (78.). "Den dürfen wir nicht kriegen", betonte Stier, "da müssen wir hinten konsequenter sein und mit Kopf spielen."

Wieder musste der BCF einem Rückstand hinterherlaufen - und wieder konnte er ihn wettmachen. Nachdem Heimstettens Innenverteidiger Rene Schäffer von Hauk ungewollt mit dem Fuß im Gesicht getroffen worden war und am Spielfeldrand behandelt werden musste, sorgte Gilbert Diep in Überzahl in der 91. Minute für das 4:4. Vujanovic stand nach der wilden Partie dennoch entspannt auf dem Rasen und erklärte, dass "so verrückte Spiele" meistens zu Saisonende zustande kommen. Er betonte, dass das Spiel die zwei Gesichter seiner Mannschaft gezeigt habe: "Wenn alles passt, spielen wir ordentlich und stehen gut da, wenn wir aber ein paar Prozent weniger geben, sind wir anfällig und werden bestraft." Stier haderte währenddessen mit der Einstellung einiger seiner Spieler. Wahrscheinlich sei der ein oder andere, der in der nächsten Saison nicht mehr in Wolfratshausen spielt, schon jetzt "mit dem Kopf nicht mehr da", sagte er. "Das habe ich registriert." Der Wille nach dem 0:3 und die Chancenverwertung gefielen Stier, "diesen Weg müssen wir weitergehen". Gegen Pipinsried erwartet er am Samstag ein "Spiel auf Biegen und Brechen". Sein Team brauche auf jeden Fall noch einen Dreier, betonte er, "und den holen wir".

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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