Basketball:Wanderarbeiter sucht Festanstellung

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Jared Cunningham holte mit LeBron James den NBA-Titel. Dann setzte ihn der Verein vor die Tür. Nun hofft der 26-Jährige, beim FC Bayern eine zweite Heimat gefunden zu haben.

Von Raphael Weiss, München

Alter Kavalier: Jared Cunningham (rechts im Cleveland-Trikot mit Portlands Damian Lillard) spielte zuletzt in China. Der Spielstil dort sei "komplett anders". (Foto: imago/ZUMA Press)

In der Saison 2015/16, in der die Cleveland Cavaliers zum ersten Mal den Titel in der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA gewannen, war Jared Cunningham ein Teil der Mannschaft um den alle überragenden LeBron James. Cunningham machte 40 Spiele, war durchschnittlich neun Minuten pro Partie auf dem Parkett. Doch dann wurde er von einem Tag auf den nächsten abgegeben. Mitten in der Saison. Ob er den begehrten NBA-Ring dennoch erhalten habe, wird der neue Shooting Guard des FC Bayern bei einem Pressegespräch in München gefragt. Er grinst kurz, schaut dann auf den Boden, schüttelt den Kopf und sagt lang gezogen: "Noooo." Die Transfer-Methoden in der besten Basketballliga des Planeten sind berüchtigt, auf Einzelschicksale wird selten Rücksicht genommen. "Es ist einfach nur Business, du hast kaum Einfluss darauf", sagt Cunningham und wirkt, als hätte er seinen Abschied aus Cleveland noch nicht ganz verdaut.

Für den Kalifornier folgte ein Zehn-Tages-Vertrag bei den Milwaukee Bucks und ein Engagement in der D-League, der Ausbildungsliga der NBA. In vier Jahren, in denen er in den USA professionell Basketball spielte, war der 26-Jährige bei zehn Vereinen. Zuletzt spielte er ein Jahr in China, bei Jiangsu Tongxi Monkey King. "Dort haben sie von mir erwartet, dass ich so viele Punkte wie möglich mache, im Schnitt 30", sagt Cunningham. Er machte dann 34 Punkte pro Spiel, einmal sogar 74.

In Europa, weiß der Amerikaner, "ist der Spielstil komplett anders, man spielt Teambasketball." Den Sommer verbrachte Cunningham zunächst bei den Washington Wizards in der Summer League. Wo er die Liga-Saison verbringen würde, wusste er indes lange nicht: "Ich wäre sogar wieder nach China gegangen". Dann nahm der FC Bayern Kontakt zu seinem Agenten auf, und danach ging alles "richtig, richtig schnell", wie er erzählt - obwohl er zuvor noch nie von einem FC Bayern gehört hatte, weder von den Basket- noch von den Fußballern. Mittlerweile kennt er sogar den Spieler, der bei den Kollegen aus der Rekordmeister-Abteilung seine Trikotnummer trägt, die Neun - fast zumindest: "Lewowski, right?"

Cunningham ist ein athletischer Spieler. Er kann verteidigen und sucht den Weg zum gegnerischen Korb. Auch in Sachen Einstellung zeigt er Gemeinsamkeiten mit dem polnischen Stürmer: "Wenn du die Meisterschaft nicht gewinnen willst, brauchst du hier gar nicht erst antreten. Ich will der Mannschaft dabei so gut es geht helfen." Beim Testspiel gegen Real Madrid am vergangenen Samstag zeigte er gleich, wie er sich das vorstellt: Mit 18 Punkten war er bester Werfer der Partie.

Es sei sehr einfach gewesen, sich in München zurechtzufinden, alle hätten ihm geholfen, sagt Cunningham. Seine Mitspieler bezeichnet er als "really cool", das Trainer-Team als "chilled" und "down to earth"; Chefcoach Sasa Djordjevic hat er allerdings noch nicht kennengelernt. Der Trainer war mit der serbischen Nationalmannschaft bis vor kurzem bei der Europameisterschaft, ihn wird Cunningham im Laufe des Vorbereitungsturniers kennenlernen, das der FC Bayern von Donnerstag bis Sonntag in Kroatien bestreitet.

Es scheint tatsächlich so, als wäre Cunningham sehr zufrieden in München: "Ich habe einen tollen Vertrag, ich bin hier für ein Jahr und muss mir um nichts Sorgen machen, kann mich nur auf den Basketball konzentrieren", sagt er. Sein persönliches Ziel sei es, einen langfristigen Vertrag zu erhalten: "Ein Zuhause finden, ein Team, das mich für lange Zeit binden möchte." Anders also, als es ihm bisher in seiner Karriere und vor allen Dingen in der NBA erging, auch wenn er irgendwann dorthin zurück möchte: "Ich habe da angefangen, und das möchte ich auch zu Ende bringen."

Noch heute hat er regelmäßig Kontakt zu seinen ehemaligen Teamkollegen. Mit James und Tristan Thompson war er vor kurzem im Urlaub, in Kanada. Mit James, der sich als sein Mentor sieht, habe er noch nicht über seinen neuen Verein gesprochen, sagt Cunningham. Aber Thompson habe ihm einen Tipp geben: "Just kill! Just play hard every day, just kill!"

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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