Basketball:Vision für Bögöz

Lesezeit: 4 min

Der Münchner BC Hellenen hat in einem transsilvanischen Dorf ein Basketballfeld errichtet. Nun legt er nach - und plant den Bau einer ganzen Sporthalle

Von Andreas Liebmann

Natürlich war es eine verrückte Idee. Es war dunkel, kalt, der Ball war nass und flutschte immer wieder durch die Finger. Und doch hatte es was: Mitten in Transsilvanien spielte eine Gruppe von Augsburger Architekturstudenten Basketball; nachts, auf einem unbeleuchteten Freiplatz, den der Münchner BC Hellenen dort errichtet hatte. Angestrahlt wurde die Szene von mehreren Autoscheinwerfern, die gespenstische Schatten erzeugten.

Noch viel kurioser ist es, was die Gruppe dort im rumänischen Dörfchen Bögöz überhaupt zu suchen hatte: Nach dem Basketballfeld will der BC Hellenen für die Kinder des Dorfes nämlich auch gleich noch eine Sporthalle errichten, als nächste Etappe seines Sozialprojekts. "Uniting Cultures" lautet der Slogan des Vereins, er bezieht sich eigentlich auf die Vielzahl von Nationalitäten, die er unter seinem Dach vereint. Aber er passt eben auch prima zu seinem sozialen Engagement. Vor zwei Jahren hat der Münchner Verein den Hartplatz in Bögöz errichtet. Das 1500-Einwohner-Dorf im ohnehin armen und strukturschwachen Transsilvanien wird bewohnt von einer ungarischen Minderheit, Szekler genannt. Nach der Schule gab es dort bisher nichts zu tun für die Kinder des Ortes, inzwischen sind viele von ihnen Basketballer. Zwei Trainer bezahlen die Hellenen dafür, der Verein Bögözi Udvar Basketball entstand. Und nun war also eine Gruppe mit 18 Studenten da, sah sich die Gegend an, maß und fotografierte, um ein noch viel größeres Projekt zu planen.

Sandy Lorenz blickt kurz zur Decke. Ob sie nicht doch ein bisschen verrückt sei, ist sie gerade gefragt worden, nun grinst sie und sagt: "Ja, vielleicht. Wenn ich so darüber rede, denke ich mir das manchmal selbst." Aber es sei wichtig, mache Freude, und, hey: Den Freiplatz hätten sie schließlich auch hinbekommen! Auch damals bei null begonnen, Spenden gesammelt, Flohmärkte veranstaltet, geplant und schließlich bauen lassen. Wobei es natürlich ein Unterschied sei: Der Freiplatz hat knapp 20 000 Euro gekostet, eine Halle dürfte mindestens auf das Zehnfache kommen.

Sandy Lorenz, 37, groß, schlank, blonde Kurzhaarfrisur, ist Jugendleiterin beim BC Hellenen, Centerin des zweiten Frauenteams und Gesicht des Bögöz-Projekts. Sie kennt dieses Dorf, seit sie vor 13 Jahren eine Rumänien-Reise mit dem Praktikum in einem Kinderheim verband. Sie hat ihren Verein vor einigen Jahren für die Idee begeistert, sich dort zu engagieren. Der Platz wurde auf dem Grundstück einer Freundin gebaut. Auch einen deutschen Unternehmer hat sie dort gefunden, der sie unterstützt. Und sie fährt nun immer wieder mit Jugendmannschaften dorthin, zuletzt mit elf Kindern im September. Sie haben auch in Bögöz einen Flohmarkt mit Kleiderspenden veranstaltet, mit den Kindern im Dorf Basketball gespielt, die Umgebung erkundet, eine Nacht mit Schlafsäcken im Freien verbracht und einen traumhaften Sonnenaufgang erlebt. Durchaus ein Abenteuer: "Es gibt dort Bären und Wölfe", sagt Lorenz, die sich vor 13 Jahren in diese Gegend verliebt hat. Vor allem sahen die Kinder, wie gut sie es doch zu Hause haben.

Der Kontakt zu den Studenten entstand zufällig: Architekt Wolfgang Huß, bisher an der Technischen Universität München, erhielt diesen Sommer eine Professur in Augsburg. Seine Tochter spielt beim BC Hellenen, sie war dabei in Bögöz, irgendwie fügte sich alles. "Es ist ein Trend in unserer Ausbildung, Projekte mit realem Hintergrund zu wählen", erläutert Huß. 18 seiner Studenten fanden Bögöz interessant. "Sie sind hoch motiviert", erzählt er, "sie haben die Bedürftigkeit des Landstrichs erlebt, den Charme intakter dörflicher Strukturen, aber auch den Verfall." Es sei sehr eindrücklich, auf kaum geteerten Straßen mehr Pferdefuhrwerke als Autos zu sehen.

Von zwei Seiten wird nun an dem Projekt gearbeitet. Der vom BC Hellenen gegründete Förderverein Basketball Leben e.V. (der einen Blog im Internet unterhält) muss Geldgeber finden, und die Studenten wetteifern um die besten Ideen. Sie haben den Baustil vor Ort studiert. "Die Halle soll dort hinpassen", sagt Lorenz. Sie solle "nicht wie ein Ufo dastehen", sagt Huß. Und am besten auch der Schule zugänglich sein, die keine Sporthalle hat, sondern nur Sprossenwände in einem Klassenzimmer. Die Gemeinde hat großes Interesse. Geplant ist ein Stufenmodell: Zunächst "eine einfache Hülle", sagt Huß, also ein Bau, der ohne Umkleiden, Toiletten und Tribünen auskommt, aber erweiterbar ist. Und der über Solar abgekoppelt wird von der wackligen Stromversorgung des Ortes. Im Januar ende die erste Entwurfsphase.

Sandy Lorenz ist froh, so viel Knowhow an ihrer Seite zu wissen. Sie hofft, in Rumänien tätige deutsche Unternehmen als Unterstützer zu finden. Auch die Studenten kümmern sich um Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierungsideen. "Wir bringen unser Netzwerk ein", verspricht Huß, Kontakte zu Hochschulen und zur Bauindustrie. Trotz allem bleibt es ein Mammutprojekt, das die Hellenen da angestoßen haben. Doch Sandy Lorenz' Begeisterung ist ansteckend. "Ich bin mir sehr sicher, dass es klappt", sagt sie mit unerschütterlicher Zuversicht. "Es wird sogar schnell klappen."

Die Sache läuft tatsächlich rasant an. Unverhofft hat sich Anfang dieser Woche ein prominenter Unterstützer eingefunden: John Bryant, bis vor einigen Monaten Center des FC Bayern. Der 2,11-Meter-Mann ist vereinslos, seit sein Vertrag in Valencia aufgelöst wurde. Er hat eine junge Familie in München. Zurzeit hält er sich beim BC Hellenen fit. Dessen Männer spielen in der 2. Regionalliga, vor allem ist sein Fitness-Coach Christopher Herrmann Teil des Teams. "Ich hatte ihn eigentlich nur gefragt, ob er mal für ein Foto im Jugendtraining vorbeikommen würde", erzählt Lorenz. Doch Bryant kam nicht nur, er übte auch gleich mit den U11-Mädchen, und er begeisterte sich für das Projekt in Bögöz. So sehr, dass er nun dessen Schirmherr ist.

"Basketball kann Leben verändern", sagt Bryant, er wisse das aus eigener Erfahrung, weshalb er auch die Jugendarbeit seines Heimatklubs bis heute unterstützt. "Er ist sehr unkompliziert und nett", schwärmt Lorenz. Natürlich werde er bald irgendwo einen neuen Vertrag haben, aber: "Er wird uns helfen, Aufmerksamkeit für unser Vorhaben zu bekommen." Und wer weiß: Bei Bryant könne sie sich sogar vorstellen, dass er mal mit nach Bögöz reist, wenn es seine Termine zulassen. Ob er dann allerdings nachts auf einem nassen Spielfeld dabei wäre? Mal sehen.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: