Basketball:Der lange Hans ist zurück

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Die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei: John Bryant (Mitte) war der überragende Mann beim 101:85-Sieg der Bayern gegen Ulm (Raymar Morgan). (Foto: Rauchensteiner)

Nach schwierigen Monaten, in denen er seinen "absoluten Tiefpunkt" erlebt habe, zeigt Bayern-Center John Bryant gegen Ulm alte Qualitäten. "Alles ist wieder gut", meint der 2,11-Meter-Mann - und schlägt sich zum Beweis auf die Brust

Von Matthias Schmid, München

John Bryant lebt schon seit fünfeinhalb Jahren in Deutschland. Er versteht die Sprache, er kennt die Eigenheiten der Menschen und des Landes, er hat sich zum Beispiel gleich in seinem ersten Jahr in Ulm eine Lederhose gekauft. "Natürlich", entgegnet der Basketballer des FC Bayern also auf Deutsch, als er am Sonntag nach dem Spiel gegen seinen früheren Klub von einer Frau gefragt wird, ob ihr Begleiter sich mit ihm ablichten lassen dürfe. Der US-Amerikaner nimmt den Mann liebevoll in den Arm, was putzig aussieht, denn neben dem 2,11 Meter hoch gewachsenen Basketballer wirkt sein Nebenmann wie ein Kind.

Bryant ist in den vergangenen Spielen bei den Münchner Sympathisanten wieder zu einem begehrten Fotomodell aufgestiegen. Er hat langsam wieder zu seiner Form zurückgefunden, mit der er ein Spiel durch seine Präsenz unter dem Korb, mit seinen Punkten und Rebounds prägen kann. Beim 101:85 gegen Ulm gelang dem Center im zweiten Spiel nacheinander ein sogenanntes Double-Double - also zweistellige Werte in zwei verschiedenen statistischen Kategorien. Das kommt nicht so häufig vor im Basketball. Er kam nicht nur auf zwölf Punkte, sondern sammelte zudem noch elf Abpraller (Rebounds) vom Brett. "Ich spiele wieder auf einem guten Niveau, aber ich kann noch besser werden", findet Bryant. Er sagt das auf Englisch. Deutsch redet er nur mit den Fans.

Der Aufschwung der Münchner in der Basketball-Bundesliga (BBL) mit zuletzt sechs Siegen in Serie hat viel mit den großen Spielern zu tun, mit den formverbesserten Deon Thompson und John Bryant. Seit die beiden wieder das eigene und das gegnerische Brett dominieren, tut sich die gesamte Mannschaft leichter in der Offensive. "Inside"-Spiel nennen die Basketballer die Aktionen der großen, kräftigen Männer unter den Körben. "Wir beginnen eine Partie meistens so", sagt Münchens Cheftrainer Svetislav Pesic. Die einfachen Punkte sollen die Kollegen selbstsicherer machen. Zu Beginn der Saison noch, als die Münchner überraschend in der Bundesliga zu Hause gegen Bonn oder auswärts in Frankfurt das Nachsehen hatten, bewirkten die ersten Aktionen der Großen meistens das Gegenteil: Thompson und Bryant verunsicherten ihre Mitspieler eher, als sie zu vitalisieren, weil sie ihrer Form hinterherliefen. Beide plage die eine oder andere Verletzung, hieß es von Seiten des Klubs. Nichts Dramatisches. Aber schwerwiegend genug, "um in der Vorbereitung nicht richtig trainieren zu können", wie Svetislav Pesic immer wieder hervorhob.

Bryant indes schüttelt den Kopf, als er am Sonntagabend mit seinen körperlichen Leiden konfrontiert wird. Er schaut etwas irritiert und antwortet dann: "Es waren Dinge in der Familie und weniger physische Probleme." Persönliche Angelegenheiten also. Seine Mitspieler nennen Bryant liebevoll "Big John", sie wissen, dass er ein harmoniesüchtiger Mensch ist, der nur dann sein ganzes Können entfalten kann, wenn er sich gut fühlt, wenn er mit sich im Reinen ist.

Zu seiner College-Zeit an der Santa Clara University soll Bryant mal 170 Kilo gewogen haben. In den ersten Spielen der Saison "erlebte ich aber meinen absoluten Tiefpunkt", sagt Bryant. Öffentlich erzählen, was ihn bedrückt hat, mag er nicht. Der 28-Jährige aus Kalifornien ist eher ein zurückhaltender, ein introvertierter Mensch, der die Dinge mit sich ausmacht. Er hat in dieser für ihn bleiernen Zeit auch nicht mit Trainer Pesic darüber gesprochen. "Ich wollte damit die Mannschaft nicht belasten", sagt Bryant. Aber in der damaligen Phase konnte man sogar als Außenstehender erahnen, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung war. Er lächelte wenig auf und neben dem Platz, er verlegte einfachste Korbleger und saß häufig mit hängenden Schultern und traurigem Blick auf der Bank, als wäre er überall mit seinen Gedanken, nur nicht beim Spiel. Inzwischen hat er aber alles ausgestanden, versichert er: "Alles ist wieder gut, und ich kann mich wieder auf Basketball konzentrieren. Ich sehe, dass ich mich ständig verbessere. Das hilft mir und dem Team."

Bei wichtigen Punkten schlägt sich John Bryant mit der Faust wieder auf das Herz. Es ist ein Zeichen, dass er ganz bei sich ist. Auf dem Platz. Gegen Ulm spielte er wie der Rest der Mannschaft mit viel Energie und Hingabe, er packte beim Rebound wieder kräftiger zu, er traf auch schwierige Würfe. Vor allem im ersten Viertel, in dem die Münchner nach acht Minuten bereits mit 31:14 Punkten führten. "Es ist schwierig auf diesem Energie-Level und mit so viel Enthusiasmus ein ganzes Spiel zu spielen, aber es ist möglich", sagt John Bryant vor dem nächsten Spiel im Eurocup an diesem Mittwoch (17 Uhr) beim türkischen Vertreter Banvit Bandirma. Trainer Pesic wird das gerne hören. Die Fans sind sowieso ganz begeistert von ihrem langen Hans.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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