Basketball:Der Ehrgeiz nach der Karriere

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Oberhachings Basketballer bezwingen Vilsbiburg im Spitzenspiel der 1. Regionalliga deutlich und übernehmen damit die Tabellenführung.

Von Matthias Schmid, Oberhaching

Moritz Wohlers hat als Erster gemerkt, dass jemand im Kreis der Verschwitzten und Feiernden fehlte. Der Kapitän der Oberhachinger Basketballer eilte also hinüber zu den Gäste-Spielern, wo er seinen vermissten Teamkollegen erspäht hatte, Wohlers packte John Boyer am langen Oberteil und zog und zerrte den Amerikaner wie ein Polizist den Ladendieb hinüber zu den anderen, um endlich gemeinsam den Sieg über den bisherigen Tabellenführer Baskets Vilsbiburg feiern zu können.

Mit dem überzeugenden 90:66-Erfolg übernahm der TSV Oberhaching-Deisenhofen selbst die Spitze in der 1. Regionalliga Südost, zwei Punkte beträgt nun der Vorsprung auf den niederbayerischen Rivalen. "Dass wir in dieser Höhe gewinnen würden, hätte ich vorher nicht gedacht", bekannte TSV-Trainer Mario Matic nach dem Spiel am Sonntagabend.

"Wir sind schwer zu verteidigen", sagt John Boyer. Der Spielmacher war drei Jahre für Vilsbiburg aktiv

Großen Anteil daran hatte Spielmacher John Boyer, der sich erst im vergangenen Sommer Oberhaching anschloss, zuvor war er drei Jahre lang für Vilsbiburg aufgelaufen. "Diesmal war es schon einfacher für mich, aber ich dachte zu Beginn des Spiels, dass ich den Anweisungen von Holger folgen müsste", erzählte der 30-Jährige mit einem Lächeln. Holger ist Holger Prote, der Vilsbiburger Cheftrainer. Sein Gegenüber Matic musste sich aber keine Sorgen um Boyer machen, er wusste dann schon, wer seine Mitspieler sind und wo der gegnerische Korb hängt. Mit 18 Punkten und acht Korbvorlagen war der ehemalige Berufsbasketballer am Ende gemeinsam mit Wohlers, der 19 Zähler sammelte, der auffälligste Oberhachinger Spieler.

Einer von Oberhachings gefährlichen Distanzschützen: Peter Zeis (links) war früher Bundesligaprofi in Bayreuth, der Zufall führte ihn nach München. (Foto: Claus Schunk)

Der Sieg gegen den direkten Konkurrenten um den Aufstieg in die drittklassige ProB öffnete sehr gut den Blick in die Stärken des TSV Oberhaching in dieser Spielzeit. "Wir haben sehr viele Waffen", bestätigt Matic. In der Tat spielt seine Mannschaft sehr variabel, strukturiert und überlegt. Sie dominiert mit dem 32-jährigen Wohlers, einem ehemaligen Erstligaspieler von Bremerhaven, und Miljan Grujic die Bretter, sie hat gute Werfer von außen wie Peter Zeis und Janosch Kögler. Und sie hat eben John Boyer, der irgendwie alles kann und seine Mitspieler nicht nur mit seinen ansatzlosen Pässen besser macht, sondern auch noch selbst aus allen Lagen trifft. "Wir sind nur sehr schwer zu verteidigen", betont Boyer, "wir haben alle sehr viel Spaß."

Dass er sich das gelbe Trikot der Tropics überstreift, ist genauso Zufall wie die Verpflichtung des früheren Bayreuther Bundesligaprofis Zeis, den nur das Referendariat nach München gebracht hat. Auch Boyer fand in München einen Arbeitsplatz und landete mit Wohlers Hilfe schließlich in Oberhaching. "Es ist für uns die Karriere nach der Karriere", sagt Boyer über die Gruppe erfahrener Spieler, die früher allesamt höherklassig gespielt haben. Viele haben inzwischen Kinder, und die Arbeit ist ihnen wichtiger geworden als der Basketball. Ehrgeizig sind sie aber noch genauso wie zu Beginn der ersten Karriere, versichert Boyer. "Wir wollen jetzt schon bis zum Schluss da oben bleiben."

Trainer Matic hält die Mannschaft, die zwölf ihrer 14 Spiele für sich entschieden hat, für stark genug, um die Meisterschaft erringen zu können. Ob diese dann auch tatsächlich in die unterste Profiklasse führen würde, liegt nicht an ihm oder den Spielern, sondern an den Klubverantwortlichen, die erst noch darüber befinden müssen, ob sich der Verein die Liga finanziell leisten könnte. "Die Spieler und ich würden schon gerne dort spielen wollen", sagt Matic. Denn niemand wisse, fügt er hinzu, "wann so eine Chance noch mal kommt." Er selbst kennt die Pro B, sieben Jahre lang war er dort Trainer der Giants Nördlingen.

Fast wäre er da schon vor vier Jahren den Oberhachingern begegnet, aber diese hatten den sicher geglaubten Aufstieg auf dramatische Weise am letzten Spieltag verspielt. Dass die Zuschauer neugierig auf eine hochwertigere Liga sind, konnte man am Sonntag auf dem Kyberg in der Gymnasiumhalle gegen Vilsbiburg beobachten. Mehr als 350 Besucher hatten vorbeigeschaut, es gibt mittlerweile sogar eine kleine Trommlergruppe. "Das macht uns alle stolz", sagt Matic, "nachdem wir in der vergangenen Saison manchmal nur zwei Leute in der Halle hatten."

Ein möglicher Aufstieg würde auch seine Kaderplanung für die neue Saison erleichtern, denn die Mannschaft könnte dann so zusammenbleiben. Mit Wohlers, Zeis, Boyer und allen anderen. Für die 1. Regionalliga müssten sie das Team dagegen im Sommer verjüngen, weil dort künftig mindestens zwei deutsche U-23-Spieler gleichzeitig auf dem Parkett stehen sollen. Oberhaching hat etliche deutsche Basketballer, aber die sind halt alle älter. "Es wäre schade, wenn wir nicht mehr zusammen spielen könnten", sagt John Boyer und sieht in der Ferne, wie Moritz Wohlers zwei Kinder gleichzeitig auf dem Arm spazieren trägt.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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