American Football:Große Glocke

Lesezeit: 3 min

Schnell mit dem Wurfarm und schnell auf den Beinen: Quarterback Benjamin Wilkerson. (Foto: Florian Treiber)

Mit Benjamin Wilkerson als neuem Quarterback hoffen die Munich Cowboys, sich gegen die stärker werdende Bundesliga-Konkurrenz behaupten zu können

Von Christoph Leischwitz, München

"Big Ben" ist im American Football ein bedeutungsvoller Spitzname. Ben Roethlisberger, Spielmacher der Pittsburgh Steelers und zweimaliger Super-Bowl-Gewinner, wird so genannt; er dürfte in weiten Teilen des Heimatlandes bekannter sein als die tonnenschwere Glocke im Londoner Westminster-Palast. Benjamin "Ben" Wilkerson wiederum hat mit dem großen Ben Roethlisberger schon einmal zwei Dinge gemein: Die Rückennummer sieben sowie die stattliche Erscheinung, quasi die physiognomische Voraussetzung für den Spitznamen.

Der 23-Jährige ist 1,90 Meter groß und hofft auf einen langen Nachhall in München. "Ob wir ihn Big Ben nennen dürfen, das müssen wir ihn dann mal fragen", sagt Garren Holley, der Cheftrainer des Bundesligisten Munich Cowboys. Holley kennt Wilkerson noch gar nicht persönlich. Der Quarterback wird erst Anfang März in München erwartet. Nach allem, was man so hört, ist Wilkerson aber eher ein Teamspieler ohne Allüren. Vergangene Woche unterschrieb er den Vertrag.

Es hat zuletzt bei den Munich Cowboys sehr viele neue Quarterbacks gegeben. In den vergangenen vier Spielzeiten kamen immerhin sechs als so genannte "Starter" zum Einsatz. Doch der neue Neue findet bei den Cowboys Bedingungen vor, die seine Vorgänger nicht genießen konnten. Was wiederum dazu beitragen könnte, dass Benjamin Wilkerson 2018 vielleicht auch wieder zurückkommt - vorausgesetzt natürlich, die sportliche Leistung passt und Wilkerson wird so big, wie alle hoffen.

Zum einen verfügen die Cowboys ab sofort über einen eigenen Trainingsplatz. Das hört sich banal an, doch das Fehlen der festen Heimat hatte in den vergangenen Jahren den Verein immer wieder vor erhebliche logistische Probleme gestellt und sich auch auf das Image der Cowboys ausgewirkt. "Es war ziemlich frustrierend", sagt der neue Cheftrainer Holley, der 2013 und 2014 als Co-Trainer für die Abwehr zuständig war. Jetzt hat die Stadt einen Kunstrasenplatz an der Görzerstraße umgebaut, der den Cowboys permanent zur Verfügung steht, mit markierten Football-Linien und Torstangen inklusive. Der Platz schafft Planungssicherheit und dürfte zudem dafür sorgen, dass keine weiteren Spieler abwandern - zuletzt hatte das nomadenhafte Dasein der Cowboys manche Spieler dazu bewogen. "Es könnte sogar sein, dass der eine oder andere zurückkehrt", orakelt Präsident Werner Maier.

Auch finanziell geht es den Cowboys besser als zuletzt. Es gibt einige neue Partner, und womöglich wird in den kommenden Wochen sogar noch ein großer Coup bekannt gegeben: Die Gespräche mit einem neuen Hauptsponsor seien bereits weit fortgeschritten, ist aus dem Verein zu hören. Bewährte Spieler wie etwa die so genannten "Imports" aus den USA für eine weitere Spielzeit nach München zu locken, dürfte mit einem größeren Etat deutlich leichter fallen als in der jüngeren Vergangenheit.

Vom 22. April an, wenn die neue Saison für die Cowboys beginnt, geht es allerdings erst einmal darum, in der Bundesliga eine halbwegs gute Rolle zu spielen. Andere Mannschaften haben deutlich höhere Etats. Mittelklasse-Teams wie zum Beispiel Auftaktgegner Saarland Hurricanes haben sich erheblich verstärkt, mit dem souveränen Aufsteiger Ingolstadt Dukes dürfte das Niveau der Liga weiter steigen. Deshalb hatte Chefcoach Holley nach einem Quarterback gesucht, der die Mannschaft im wahrsten Sinne nach vorne bringt: mit Pässen sowie mit den eigenen Beinen. "Wir haben einen Double-Thread-Spieler gesucht", sagt Holley, einen, der für die gegnerische Abwehr dank seines guten Wurfarms und seiner Sprintfähigkeiten schwer auszurechnen ist. "In meiner Eigenschaft als Abwehrexperte weiß ich genau, vor welche Probleme das die Abwehr stellt", sagt der Trainer. In einer Amateurliga wie der deutschen GFL sind solche Quarterbacks besonders viel wert, weil es eine Defense sehr viel Vorbereitungszeit kostet, sich auf solch einen laufstarken Spielmacher einzustellen - und diese Zeit haben viele nicht.

Eine zweite Anforderung an den Neuen lautete: Er sollte schon einmal in Europa gespielt haben, mit der hiesigen Football-Kultur vertraut sein. Wilkerson spielte in der vergangenen Saison für die Franken Knights in Rothenburg ob der Tauber. Obwohl der Zweitligist meist hoffnungslos unterlegen war und nur Vorletzter wurde, initiierte Wilkerson viele Touchdowns durch die Luft und erlief zudem in 13 Spielen sogar mehr Yards (572) als der beste Runningback des Teams (545). Gegner der Knights, darunter der Rivale Ingolstadt Dukes, gratulierten den Cowboys neidlos zur Verpflichtung. Wilkerson scheint also das Potenzial zu haben, ein großer Cowboy zu werden.

© SZ vom 25.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: