American Football:Defensive unter Dauerdruck

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Auf der Suche nach mehr Durchschlagskraft: Cheftrainer Garren Holley (rechts) schwört sein Team auf den nächsten Spielzug ein. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Munich Cowboys warten nach dem 24:27 gegen Ingolstadt weiter auf den ersten Heimsieg.

Von Christoph Leischwitz, München

Ben Wilkerson hatte sehr viele Schweißtropfen um die Nase, und als er dann auch noch "I'm sorry" sagte, es tue ihm leid, da spätestens sahen die Tropfen aus wie Tränen. Wilkerson war viel gerannt mit dem Ball in der Hand, er hatte sich von seinen Gegnern zu Boden rammen lassen, hatte sie zur Not mit sich geschleift, um noch das eine oder andere Extra-Yard herauszuholen. Doch der Spielmacher der Munich Cowboys hatte am Samstagnachmittag eben auch zwei Mal einen Pass in die Arme des Gegners geworfen: "Wir haben ein gutes Spiel gemacht, es geht nur noch um die Verwertung", sagte er. Dann humpelte er in die Kabine.

Das Schlimmste sei, sagt Holley: "Wir werden nicht geschlagen, wir schlagen uns selbst."

Schon mehrmals in dieser Saison hatten die Cowboys unglücklich verloren, so knapp wie diesmal aber nie: 24:27 hieß es am Ende im oberbayerischen Derby gegen die Ingolstadt Dukes, vor mehr als 1700 Zuschauern, davon rund 400 Gästefans auf der sonnigen Gegengeraden des Dantestadions - die zumindest in den Schlussminuten lauter waren als die Münchner auf der Haupttribüne. "Klar, sie hätten gewinnen können", sagte Dukes-Passempfänger Maximilian Macek, ehemaliger Nationalspieler und jahrelang Cowboy, am Ende habe das Glück entschieden. Und eine Schiedsrichterentscheidung, die wohl auch andersherum hätte fallen können: 86 Sekunden vor Schluss fing Ingolstadts Christopher Ezeala einen weiten Ball in der Münchner Endzone. Eine Weile diskutierten die Unparteiischen, ob der Ball im Fallen den Boden berührt hatte - dann nämlich wäre es kein kompletter Pass gewesen. Dann einigten sie sich auf Touchdown für die Dukes.

Einerseits stehen die Cowboys schon die ganze Saison über auf Kriegsfuß mit dem Glück. Andererseits haben sie sich zu oft in Situationen gebracht, in denen sie darauf angewiesen waren. Vor allem in der zweiten Halbzeit hatten sie das Spiel dominiert, die Abwehr der Cowboys provozierte vier Ballgewinne, einer davon war besonders spektakulär: Allrounder Jeremiah Maluia schnappte Anfang des zweiten Viertels dem stolpernden Jerome Morris, ebenfalls ein ehemaliger Münchner, das Ei weg und trug es fast 70 Yards weit in die Ingolstädter Endzone. Außerdem verzeichnete Maluia zwei abgefangene Pässe. Anders gesagt: Ohne die Abwehr hätte der Angriff auch diesmal wieder relativ schlecht ausgesehen. "Wir haben es unserer Defensive zu schwer gemacht", sagte Passempfänger Markus Gärtner, die Abwehrspieler hätten gegen Ende der Partie zu wenig Zeit zur Erholung gehabt, weil man vorne den Ball oft zu schnell hergegeben habe. Nach acht Spielen haben sich die Cowboys bisher nur einen Sieg erkämpft, die Fans warten immer noch auf einen Heimerfolg. "Ich denke, wir haben uns insgesamt als Offensive verbessert", zog Quarterback Wilkerson den Vergleich zum Saisonstart. Und auch, wenn die Mannschaft weiterhin Tabellenletzter ist, bringt die Steigerung zumindest Zuversicht, dass noch ein paar Spiele gewonnen werden können.

Das Schlimmste an dieser Saison, findet Cheftrainer Garren Holley: "Wir werden nicht geschlagen, wir schlagen uns selbst." Seinen Spielmacher nahm er in Schutz, zumindest teilweise. Wilkersons Fehlpässe seien "50:50-Sachen": Einerseits seien oft Mitspieler freigestanden, die er hätte sehen können. Andererseits: "Wir müssen auch Spielzüge aussuchen, in denen er seine Fähigkeiten besser ausspielen kann", sagte Holley. Außerdem sei Wilkerson noch nicht lange zurück im Training, er hatte sich am ersten Spieltag Ende April den Knöchel verstaucht. So oft, wie Wilkerson auch diesmal keinen Abnehmer fand und zu schmerzhaften Slalomläufen gezwungen war, musste man sich auch diesmal Sorgen um seine Gesundheit machen.

Mit einem der Receiver klappte das Zusammenspiel aber auffällig gut: Markus Gärtner, der zu Beginn der Saison kaum in Erscheinung getreten war, wurde diesmal besonders oft bedient. Sehenswert war sein Touchdown am Ende des dritten Quarters, in einer Szene, in der die Cowboys mal Kreativität in der Offensive zeigten: Gleich vier Passempfänger hatte man auf der linken Seite postiert, Wilkerson tat so, als würde er einfach in Richtung dieser Traube werfen - dann aber drehte er sich um und fand Markus Gärtner, der sich mit dem Ball in die Endzone drückte. Um offensiv variabel und dadurch unberechenbar zu spielen, bekam Gärtner den Ball aber ein paar Mal zu oft.

Am kommenden Samstag steht das Heimspiel gegen die bisher ungeschlagenen Frankfurt Universe an. Erst danach wird sich entscheiden, ob die Münchner den letzten Platz noch verlassen und damit die Playdowns verhindern können. "In Kempten, zu Hause gegen Marburg und vor allem gegen Stuttgart - die Spiele können wir alle gewinnen", sagt Gärtner. Allerdings wird aus dem Können allmählich ein Müssen.

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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