Spielplan-Präsentation:Die Ladies räumen ab

Staatsopernintendant Nikolaus Bachler stellt das bemerkenswerte Programm der Saison 2016/17 vor - und Münchens neuen Balletchef Igor Zelensky.

Von Eva-Elisabeth Fischer

Die Oper ist fast immer ausverkauft. Das wird auch in der kommenden Spielzeit 2016/17 so sein, zumal Opernintendant Nikolaus Bachler selbst bei der Spielplankonferenz am Sonntagvormittag auf nahezu volle Sitzreihen neugieriger Opernliebhaber schauen konnte. Neben ihm Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, beide völlig entspannt, weil im Bewusstsein, wieder einmal ein ungewöhnliches Programm verkünden zu können, das heuer unter dem Motto "Was folgt" steht. Es meint damit Igor Zelensky, der als Direktor des Bayerischen Staatsballetts Ivan Liška nachfolgt. Bachler, der findet, dass eine Spielzeit mehr sei als die Summe ihrer Aufführungen und der deshalb bei der Opern-Auswahl auf Wechselwirkungen und Vernetzungen baut, versteht unter "Was folgt" die persönlichen und gesellschaftlichen "Konsequenzen menschlichen Handels". Trailer ab! Denn jede Oper, die der Hausherr annonciert, illustriert ein Video und macht den Mund wässrig.

Die Sensation ist sicherlich das Engagement von Romeo Castellucci, der, mit Petrenko am Pult, den "Tannhäuser" inszenieren wird. Der Italiener Castellucci, der in den vergangenen 20 Jahren mit seiner freien Gruppe Societas Raffaelo Sanzio für aufwühlende Theatererlebnisse (unter anderem mit Dantes "Göttlicher Komödie" in Avignon) gesorgt hat, wandte sich vor nicht allzu langer Zeit dem Musiktheater zu, hat den "Orfeo" bei den Wiener Festwochen und den "Parsifal" in Bologna gemacht (Premiere am 21. Mai 2017).

Spielplan-Präsentation: Ein Sklavenaufstand als revolutionäres Sujet mit viel Pathos: "Spartacus" von Juri Grigorowitsch beim Bolschoi Ballett 1962.

Ein Sklavenaufstand als revolutionäres Sujet mit viel Pathos: "Spartacus" von Juri Grigorowitsch beim Bolschoi Ballett 1962.

(Foto: imago stock&people)

Zwei Premieren dirigiert Petrenko, zunächst, noch lang vor dem "Tannhäuser", nämlich bereits am 28. November, Dmitri Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk", mit der der 28-jährige Komponist 1934 nicht nur musikalisch, sondern auch politisch aneckte. Regie führt Harry Kupfer, inzwischen 80 Jahre alt und nach wie vor in seiner Genauigkeit zu arbeiten für Petrenko ein Vorbild, der das Stück in eine industrielle Landschaft verlegen wird - voller Unrat als Spiegel der Menschen. Petrenko und Kupfer kennen sich aus Berlin, Wien und Frankfurt. Die "Lady Macbeth" war Petrenkos erste Arbeit in Meiningen. Anja Kampe singt in München die frustrierte, von ihrem ungeliebten Mann gegängelte Lady. Sie ist auf Selbstverwirklichung bedacht, was, analog zu Shakespeares Drama, zu einem Verbrechen führt. Als amoralisch könnte man die Sympathielenkung in dieser Oper begreifen: Die Lady räumt ab.

Auf Petrenko-Fans warten außerdem wie stets sechs Akademie-Konzerte. In seiner Mahler-Reihe ist im letzten Konzert diesmal die Fünfte dran. Im ersten singt Diana Damrau die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss, und im zweiten erlebt man die phantastische Barbara Hannigan nicht nur als Interpretin von Anne Truelove's Song aus "The Rake's Progress", sondern auch als Dirigentin. Außerdem geht das Staatsorchester mit ihrem Generalmusikdirektor, schon bevor die neue Spielzeit überhaupt beginnt, vom 5. bis zum 21. September auf Europa-Tournee unter anderem mit Stationen in Luzern, Paris und Berlin. Wobei es den Chefdirigenten aller Freude zum Trotz schon jetzt davor graut, jede Nacht in einem anderem Hotelbett verbringen zu müssen: "Das ist anstrengend."

Spielplan-Präsentation: Igor Zelensky, Münchens neuer Ballettchef, hat sein Standbein in München und sein Spielbein in Moskau.

Igor Zelensky, Münchens neuer Ballettchef, hat sein Standbein in München und sein Spielbein in Moskau.

(Foto: W. Hösl)

Die Anstrengung darf man einer Künstlerin, einem Künstler niemals anmerken, auch nicht der Regie. Die Theaterregisseurin Amélie Niermeyer gibt mit der Inszenierung von Gaetano Donizettis "La Favorite" ihr Hausdebüt am Nationaltheater. Von Elina Garanca, die die Mezzo-Partie der Léonor bestreitet, erwartet man eine geschmeidige Gurgel, wenn sie sich in höchste Höhen zum hohen C aufschwingt. "La Favorite" war, man staune, in München zuletzt vor 100 Jahren zu sehen - Premiere am 23. Oktober.

David Alden, der in München übrigens den bislang letzten "Tannhäuser" herausgebracht hat, führt Regie bei der zweiten Trouvaille der Spielzeit, Rossinis koloraturenreiche Opera seria "Semiramide" mit Rossini-Kenner Michele Mariotti am Pult, der mit diesem Werk ebenfalls zum ersten Mal hier dirigiert. Rossini verhandelt hier Blutigernstes in Richtung griechischer Tragödie, weshalb Alden als Schauplatz des Geschehens Nordkorea wählt (am 12. Februar). Und schließlich gibt es noch Umberto Giordanos "Andrea Chénier" in Starbesetzung mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann (12. März). Bei den Festspielen wird's dann sehr komplex mit Franz Schreker Künstlerdrama "Die Gezeichneten", erstmals mit Ingo Metzmacher in der Staatsoper am Pult, Krzystof Warlikowski führt Regie (1. Juli).

Bis zum Ende der Spielzeit wird auch Münchens neuer Ballettchef Igor Zelensky seine Kompanie konsolidiert haben, über die er noch nichts Konkretes sagen mag. Sicher ist nur, dass das Bayerische Staatsballett seine künstlerische Autonomie bewahren wird und Zelenskys Vertrag als Ballettdirektor identisch mit dem Ivan Liškas ist. Ebenso sicher ist, dass Zelensky das Stanislawski-Ballett in Moskau behält und es einen regen Austausch zwischen beiden Kompanien geben wird. Ein Novum, das der neue Mann mit einer Spitze in Richtung Bachler damit begründet, dass das Ballett in dieser Spielzeit schließlich nur 70 Aufführungen hat und große Tänzer ihre Kapazitäten, auch angesichts ihrer zeitlich begrenzten Karriere, nutzen wollen und möglichst viel tanzen. Zelensky bringt, was man von ihm erwartet, eröffnet mit der gut abhangenen Peter Wright-"Giselle", haut rein mit dem sowjetischen Heldenepos "Spartacus" in der Bolschoi-Version des streng linientreuen Juri Grigorowitsch aus dem Jahr 1968. Schostakowitsch, und da schließt sich der Spielplankreis, lobte einst Aram Chatschaturjans hochdramatische Musik. Ein Weihnachtsei, rechtzeitig am 22. Dezember als West-Erstaufführung gelegt. Zweite große Premiere im April 2017 ist Christopher Wheeldons Erfolgsversion von "Alice in Wonderland", uraufgeführt 2011 beim Royal Ballett, ein phantasie- und bilderreicher Abendfüller, der mit viel Witz aufs Handlungsballett des 19. Jahrhunderts rekurriert. Erfolg deshalb garantiert - ebenso wie bei der versprochenen Gala mit Stars des Bayerischen Staatsballetts. Neues stellt Zelensky für die Spielzeit 2017/ 18 in Aussicht - "gut Ding will Weile", sagt er - mit einer Uraufführung des gefeierten, hoch intellektuellen britischen Choreografen Wayne McGregor und einer "Madame Butterfly" des amerikanischen Foto- und Video-Künstlers David LaChapelle.

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