Spezialeinheit des LKA:Auf Bombensuche im Starnberger See

Starnberg Übung LKA

Die Unterwasserentschärfer des Landeskriminalamts machen einen Übungseinsatz.

(Foto: Georgine Treybal)
  • Am Starnberger See üben die Bombenentschärfer des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA), wie man Explosives unter Wasser unschädlich macht.
  • Unter Wasser können sich die Sondereinsatzkräfte kaum schützen - anders als ihre Kollegen an Land, die spezielle Anzüge tragen.

Von Susi Wimmer

Sichtweite: 30 Zentimeter. Das ist nicht viel. Auch der Umstand, dass Alex in der trüben Brühe eine Granate vor sich hat, die ein Unterwasser-Drogendepot sichert, trägt nicht zur Entspannung der Lage bei. Der Polizeibeamte soll die Handgranate unschädlich machen und aus dem Wasser holen. Möglichst ohne Explosion, bitte.

Schließlich befinden wir uns nicht in irgendeinem Action-Streifen, sondern im idyllischen Starnberger See. Hier üben die Bombenentschärfer des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA), wie man Hochexplosives auch unter Wasser unschädlich macht. Aber ist so ein Horrorszenario tatsächlich real? "Ja", sagt ihr Chef, "die Gefährdungslage hat sich grundsätzlich verändert".

"Wir können uns unter Wasser kaum schützen"

Franz und Alex warten schon auf ihren Einsatz am Seeufer in Starnberg. Sie tragen lediglich herkömmliche Taucheranzüge aus Trilaminat. "Wir können uns unter Wasser kaum schützen", sagt Ben von der Spezialeinheit. Splitterschutz, Entschärferanzug, der ferngesteuerte Roboter, der Bomben sichern kann - im Nassen alles passé. Was dem Entschärfer unter Wasser bleibt, sind Spezialgurt und Spezialwesten, in der die Utensilien verstaut werden. Handelsübliche Ware, "was der Werkzeugkasten so hergibt", sagt der 38-Jährige. Gleich geht es los.

Starnberg Übung LKA

Nach einem anstrengenden Einsatz im trüben Wasser des Starnberger Sees ist das Übungsobjekt, eine Handgranate, sichergestellt.

(Foto: Georgine Treybal)

Wie genau die Beamten der Spezialeinheit des LKA arbeiten, wie viele sie sind, wo sie stationiert sind und wie sie mit Nachnamen heißen, das ist alles top secret. Sie verraten nur ihre Vornamen, der Rest bleibt geheim, zur Eigensicherung. "Technische Sondergruppe" (TSG) nennt sich die Einheit, bei der Männer - und auch eine Frau - im Alter zwischen 29 und 58 Jahren arbeiten. Ihr Job ist es, eine USBV zu entschärfen, eine "unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung", also quasi alles, was in die Luft fliegen oder brennen kann.

Das Gefährliche an dem Job ist, dass die Beamten es meist mit Selbstlaboraten zu tun haben, also selbst gebastelten Sprengkörpern. Das kann das dilettantische Werk eines experimentierfreudigen Schülers sein, das mit Brandsätzen bestückte Haus eines psychisch kranken Selbstmörders oder die Kofferbombe eines fanatisch-verblendeten Terroristen. Seit 1972 ist die Sondergruppe bayernweit im Einsatz - bislang unfallfrei.

Schwebeteilchen behindern die Sicht

"Weiter links. Jetzt müsste vor Dir ein Holzpoller sein" - via Telefonleine funkt der Leinenführer an Taucher Michi Parthe, 25, von der Bereitschaftspolizei. "Sicht ein halber Meter, Tiefe 2,5", kommt es von unter der Wasseroberfläche zurück. Komisch, schaut man vom Steg nach unten, kann man den Grund sehen. "Das liegt an den Schwebeteilchen, die behindern unter Wasser, wenn man geradeaus schaut, die Sicht", erklärt einer der Taucher.

Die Männer von der Bereitschaftspolizei (BePo) sondieren quasi das Terrain. Wenn jetzt, wie vor zwei Jahren, Bundespräsident Joachim Gauck sich zu einer Schifffahrt über den Bodensee entschließt, dann filzen die Taucher der BePo erstmal die Stege und das Schiff von unten. Finden sie bei der Inspektionstour unter Wasser etwas Außergewöhnliches, dann rücken die Entschärfer des Bayerischen Landeskriminalamtes an.

"Wir hätten einen Fund", kommt es prompt aus der Tiefe. Die BePo-Schwimmer haben eine Kamera dabei, sie sendet Bilder aus der Tiefe. Oben hat ein Polizist das Notebook aufgeklappt, deutet mit dem Stift auf das verschwommene Bild. "Und hier sehen Sie die Granate", sagt er. Wie der Arzt beim Ultraschall, bei dem der Patient auch nie was erkennt. Aber Alex und Franz von der TSG wissen jetzt Bescheid, was sie da unten erwartet.

Stauwehre könnten Anschlagsziele sein

Starnberg Übung LKA

Auf Sicherheitsvorkehrungen müssen die Polizisten verzichten, sie legen nur den Taucheranzug an.

(Foto: Georgine Treybal)

Eine Handgranate, die so angebracht ist, dass der Splint mit einem Drogendepot unter Wasser verbunden ist. Fingert jemand an dem Depot herum, fliegt der Steg in die Luft. James Bond lässt grüßen... "Nein", meint der Chef der TSG. Unrealistisch seien solche Szenarien keinesfalls. Es könnte beispielsweise durchaus ein Stauwehr das Ziel eines terroristischen Anschlages werden. Jüngst sei die TSG sogar nach Baden-Württemberg ausgerückt, weil dort ein selbst gebauter Sprengkörper in einem See entdeckt worden war. Der Sprengsatz war als Feuerlöscher getarnt. Mehr kann der TSG-Chef zu dem aktuellen Fall nicht sagen. Außer natürlich noch, dass die TSG ihn entschärft hat.

Jahrelang haben sich die Entschärfer europaweit umgeschaut, sind bei der österreichischen Polizei in Unterwasser-Lehre gegangen, und haben ein Konzept erarbeitet, das auf die Polizei zugeschnitten ist - und auf die bayerischen Binnengewässer und Wasserspeicher. In den eigenen Reihen der TSG fanden sich dann vier Männer, die an der Arbeit im Nass Interesse bekundeten und seitdem berufsmäßig abtauchen. Deutschlandweit, sagt der Chef, gebe es nichts Vergleichbares.

"Da unten kann man nur tasten, es ist richtig anstrengend"

"Ich kann halt keinen Bombenschutzanzug unter Wasser anziehen, ich seh' kaum was, oft ist es eiskalt, weil wir auch im Winter tauchen, und ich kann zum Beispiel nicht das Werkzeug neben mir ablegen. Ich muss alles absichern gegen das Wegfallen in unendliche Tiefen", zählt TSG-Taucher Ben auf. Klingt nach einem Traumjob, den der 38-Jährige da hat. "Ich bin privat schon getaucht, es interessiert mich einfach", sagt der 32-jährige Alex. Michi Parthe von der Bereitschaftspolizei kommt gerade keuchend aus der Tiefe. Tauchrettungssanitäterin Daniela Wagner fragt, ob alles in Ordnung sei. "Tippi-toppi", kommt es zurück. "Da unten kann man nur tasten, es ist richtig anstrengend. Man muss die Körperspannung halten, um nicht zu kippen", sagt Parthe und zupft sich die Algen vom Anzug.

Schwäne und Enten beäugen aus sicherer Distanz die Artgenossen mit den schwarzen Anzügen und ihre Blubberblasen an der Wasseroberfläche ziemlich kritisch. Unterdessen fummeln Alex und Franz von der TSG unten am Steg herum. Alex arbeitet immer ohne Handschuhe, "wegen dem Gefühl". Die TSG-Taucher gehen auch immer ohne Leine ins Wasser, die könnte stören oder sich verheddern.

Wenn es ernst wird, sind die Taucher allein

Sie bewegen sich ganz langsam und behutsam. Und wenn ein Gegenstand unter einem Schiff entdeckt wurde, praktizieren sie das sogenannte Kreislauftauchen. Da steigen nämlich keine Luftblasen auf, die gegen den Schiffsrumpf prallen und unschöne Gegenstände zur Explosion bringen könnten. Und normalerweise ist das komplette Gebiet rund um die Fundstelle abgeriegelt. Keine Sanitäter, kein Notebook, kein Leinenführer. Wenn es ernst wird, sind die Taucher der Technischen Sondergruppe ganz allein.

Während sich die BePo-Taucher nach ihrem Einsatz erleichtert die enge schwarze Haut abstreifen, sind Alex und Franz schon fertig. Die Granate wurde fachgerecht verschnürt und vom Depot abgetrennt. Mit Kabelbindern, Zange, Messer. Dann wird sie an eine Leine gehängt und aus dem Wasser gezogen. "Mit Sicht ist nicht viel gewesen", sagt Alex am Ende. Der weiche Schlammboden sei schuld. "Da kann man nur fühlen." Und quasi blind vertrauen.

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