Spektakuläre Kriminalfälle:Tatort München

Eine millionenschwere Schwarze Witwe, eine schöne Lebedame und ein jugendlicher Doppelmörder - auf den Spuren von Münchens spektakulärsten Verbrechen.

Anna Fischhaber

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Tatort München

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Eine millionenschwere Schwarze Witwe, eine schöne Lebedame und ein jugendlicher Doppelmörder - auf den Spuren von Münchens spektakulärsten Verbrechen.

Tatort Schönfeldstraße

Die Ausbildung von Adelheid Spitzeder, Tochter einer angesehen Künstlerfamilie, zur Schauspielerin finanzierte kein geringerer als der bayerische König Ludwig I. Dennoch brachte sie es auf der Bühne nicht zu Ruhm - dafür aber im Bankwesen. Um ihren aufwendigen Lebensstil - unter anderem besaß sie sechs Hunde - zu finanzieren, bediente sie sich eines genialen Tricks: Sie bot den Menschen für Geldeinlagen hohe Zinsen an - und zahlte diese schon nach zwei Monaten bar aus.

Bald standen Kleinbürger und Arbeiter Schlange, um ihr Geld loszuwerden. Davon wiederum zahlte Spitzeder die Zinsen. Schnell besaß das Fräulein, das kaum lesen und schreiben konnte, eine eigene Bank, 17 Häuser, eine Gemäldesammlung, neun kostbare Schmuckstücke und vier Zeitungen. Am Platzl eröffnete sie eine "Münchner Volksküche" mit billigem Bier und ließ sich als "Wohltäterin der Armen" feiern.

Am 12. November 1872 kam es zur Katastrophe: Polizisten stürmten Spitzeders Villa in der Schönfeldstraße Nummer 9 und machten dem Bankgeschäft wegen betrügerischen Bankrotts ein Ende. Übrig blieb eine Überschuldung von acht Millionen Gulden. Einige der 30.000 geprellten Anleger, die meisten aus dem Dachauer Hinterland, hatten ihre gesamten Ersparnisse verloren - und stürzten sich deshalb in den Freitod. Die einstige Bankchefin Spitzeder verstarb drei Jahre später im Gefängnis, nur noch in Lumpen gehüllt.

Text: Anna Fischhaber Foto: Haas; das Bild zeigt die Schauspieltruppe des Weißen Stadtvogels, die den Fall für die Führung "Münchner Tatorte" nachspielt.

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Tatort Kardinal-Faulhaber-Straße

Nur 105 Tage war Kurt Eisner, der erste bayerische Ministerpräsident, im Amt. Die Landtagswahlen am 12. Januar 1919 wurden für ihn und seine USDP zum Debakel, er wollte deshalb freiwillig zurücktreten. Eisner war auf dem Weg vom Ministerium des Äußeren, wo er letzte Hand an seine Rücktrittsrede gelegt hatte, zum neuen Landtag gewesen, als er auf offener Straße erschossen wurde.

Den Rat seines Sekretärs Felix Fechenbach, er möge doch aufgrund der feindseligen Stimmung den Weg durch den rückwärtigen Eingang des Hotels Bayerischer Hof wählen, hatte er barsch ausgeschlagen. "Man kann einem Mordanschlag auf die Dauer nicht ausweichen, und man kann mich ja nur einmal totschießen", soll Eisner kurz vor dem Attentat gesagt haben. In der Promenadestraße - heute Kardinal-Faulhaber-Straße - wurde er dann von Anton Graf von Arco auf Valley aus unmittelbarer Nähe mit zwei Schüssen in Rücken und Kopf erschossen. Eisner war sofort tot.

Sein Mörder, ein nationalistischer Verbindungsstudent, wurde erst ein Jahr später vor Gericht gestellt. Inzwischen hatten im einst sozialistischen Bayern die konservativ-reaktionären Kräfte die Macht zurückerobert. Hinweise auf Verbindungen des Mörders zu führenden Militärs und zum völkisch-rechtsextremen Geheimbund der Thule-Gesellschaft, einer Keimzelle der späteren NSDAP, ging das Gericht nicht weiter nach. Arco wurde als Einzeltäter verurteilt. In der Urteilsbegründung hieß es, dass die Tat "nicht niederer Gesinnung" entsprungen sei, sondern "glühender Liebe zum Vaterland". Bereits 1924 wurde der Attentäter im Zuge einer Amnestierungswelle wieder entlassen.

Foto: dpa/Heddergott

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Tatort Lothringer Straße

Hunderte von Maden krabbelten über die toten Körper, die Ausscheidungen der beiden Toten waren bereits in die Wohnung darunter getropft, als man die teilweise schon mumifizierten Leichen im Sommer 1919 entdeckte. Der Täter war bald gefasst: Josef Apfelböck (links), damals 16 Jahre alt, hatte seine beiden Eltern mit einer kleinkalibrigen Pistole umgebracht - und danach noch fast drei Wochen lang mit ihnen in der Wohnung in der Lothringer Straße in Haidhausen gelebt.

Ein besonderes Motiv gab es nicht - eigentlich habe er nur seine Ruhe haben wollen, teilte der junge Täter der Polizei beim Verhör mit. Seine Kälte erregte die Menschen weit über die Grenzen der Stadt hinaus.

Bertolt Brecht (rechts) schrieb im selben Jahr eine Ballade über den Fall: "Apfelböck oder die Lilie auf dem Felde" erschien später in seiner "Hauspostille". Joseph Apfelböck wurde zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Landsberg am Lech absaß. Nach seiner Entlassung kehrte er nach München zurück und gründete dort eine Familie.

Foto: Neue freie Volkszeitung von 1919, Lothringer 13/dpa

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Tatort Theresienwiese

Beim Blättern in den Polizeigeschichten stieß Autorin Andrea Maria Schenkel (Foto) auf den Fall Johann Eichhorn. Er wird zum Vorbild für den Mörder ihres zweiten Krimis "Kalteis". In den Dreißigern soll der Mann im Westen Münchens für Angst und Schrecken gesorgt haben. Mehrmals verging er sich gewaltsam an Frauen.

Eines seiner ersten Opfer war Katharina Schätzl. Wenige Tage nach ihrem Umzug nach München begegnete die junge Frau ihrem brutalen Mörder auf der Wiesn. Am 10. Oktober 1932 sah ihre Zimmervermieterin sie zum letzten Mal. Am 14. Oktober machten Wanderer im Isartal einen grausigen Fund: eine mit Reisig zugedeckte und mit Draht zusammengebundene weibliche Leiche, die mit schweren Steinen in der Isar versenkt worden war.

Sieben Jahre vergingen, bis der Mörder von Katharina gefunden wurde. In dieser Zeit soll Eichhorn vier weitere Morde an Frauen und 90 Vergewaltigungen verübt haben. Beim Versuch, ein zwölfjähriges Mädchen zu überfallen, wurde er 1939 von Passanten erwischt. Beim Verhör zeigte der Ehemann und Vater keinerlei Reue. Entsprechend hart fiel das Urteil aus: Johann Eichhorn wird zum Tode verurteilt und am 1. Dezember 1939 durch ein Fallbeil enthauptet.

Foto: dpa/ddp

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Tatort Brienner Straße

Im Münchner Justizpalast an der Prielmayerstraße musste 1953 eigens eine längere Bank angeschafft werden, um alle Angeklagten unterzubringen. Vor Gericht standen damals die überlebenden Mitglieder der "Pantherbande", acht junge Männer, die in der Presse als "gefährlichste Verbrecherbande der Nachkriegszeit" gehandelt wurden.

Noch 1957, vier Jahre nach der Verurteilung, war in der Süddeutschen Zeitung zu lesen: "Die Pantherbande hat in der Kriminalgeschichte kein Beispiel." Drei Morde, zwei davon an den eigenen Komplizen wegen Missachtung der Disziplin, zwei versuchte Morde, zwei schwere Raubüberfälle und mehrere räuberische Erpressungen wurden den Halbstarken vorgeworfen. Kennen gelernt hatten sich die Schüler während des Zweiten Weltkrieges in einem Lager auf dem Land, in das man die Kinder verschickt hatte. Anhand von Indianer-Büchern unterrichtete Anführer Hugo Werner (Foto) seine "Panther" dort im Anschleichen, Spurenlesen und Überrumpeln.

Nach dem Krieg kehrten die Buben nach München zurück. Aus der Indianerbande wurde eine brutale Gang, die sich ihren Lebensunterhalt zusammenstahl. Im November 1946 startete der damals 15-jährige Werner den ersten Raubzug größeren Stils auf eine Tankstelle in der Brienner Straße. Aus Angst vor einem Verrat ließ er an diesem Abend auch den ersten Komplizen erschießen. Reue vor Gericht zeigte er kaum, er wurde zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Abschlussprüfung im Telekolleg schloss der einstige Musterschüler noch in Haft mit der Note 1,1 als Landesbester ab. 1973 wurde er begnadigt. Foto: dpa

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Tatort Ettstraße

Es war einer der größten Schauprozesse der Nachkriegszeit, der Anfang der sechziger Jahre in München verhandelt wurde. Tausende von Schaulustigen standen Schlange, um zumindest einen Blick auf die schöne, blonde Angeklagte, die zweimal verheiratet war und auch mit Frauen geschlafen haben soll, zu werfen. Für die Presse reichte das aus, um der "gierigen Lebedame" Vera Brühne alles zuzutrauen.

"Ich habe das doch nicht getan! Man kann doch einen Menschen nicht unschuldig hinter Gitter schicken", sagte sie beim Verhör im Polizeipräsidium in der Ettstraße - umsonst. 52 Jahre alt war sie, als man sie für den Doppelmord an Arzt Otto Praun und dessen Geliebter zu lebenslanger Haft verurteilte.

Den Ausschlag für die Verurteilung gaben äußerst fragwürdige Indizien, unter anderem ein Geständnis der eigenen Tochter, das diese jedoch vor Gericht widerrief. Als Brühnes Fall endlich neu verhandelt werden sollte, begnadigte sie der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß schließlich. Bis zu ihrem Tod 2001 beteuerte die Münchnerin ihre Unschuld.

Foto: dpa

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Tatort Elisabethstraße

Es waren vor allem die Kriminalfälle, die zu Walter Sedlmayrs unsterblichem Ruhm beitrugen. Zu zweifelhafter Popularität im Zusammenhang mit einem Verbrechen gelangte der bayerische Volksschauspieler erstmals 1971. Damals wurde die gestohlene Blutenburger Madonna in seinem Haus in Feldmoching gefunden. Es folgten Untersuchungshaft und Ermittlungen, in denen sich die Unschuld von Sedlmayr herausstellte.

Dem Fernsehpublikum blieb er als grantelnder Hüter des Gesetzes, etwa in der "Polizeiinspektion 1", in Erinnerung. Im Juli 1990 wurde der Schauspieler tot in seiner Wohnung in der Elisabethstraße, Hausnummer fünf, gefunden. Er war erstochen worden und anschließend mit einem Hammer erschlagen. Die Ermittlungen führten zu einer der umfangreichsten Spurensicherungen der deutschen Kriminalgeschichte.

Erstmalig wurden auch V-Männer in das Umfeld der Tatverdächtigen eingeschleust. Die Boulevardzeitungen brachten derweil Sedlmayrs Doppelleben an die Öffentlichkeit - so die heimliche Homosexualität des Paradebayern. Der umstrittene Indizienprozess endete mit der Verurteilung von Sedlmayrs Ziehsohns und dessen Bruder. Beide sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Foto: dpa

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Tatort Platzl

Alfons Schuhbeck ist Medienrummel gewöhnt. Doch es ist noch nicht so lange her, da machten eine zierliche alte Dame und eine irrrwitzige Geschichte über SED-Millionen, die in einem Schweizer Bankschließfach lagern, eher unschöne Schlagzeilen für den Starkoch. Um insgesamt fast neun Millionen Mark soll Maria Bertram den heutigen Herrscher des Platzl betrogen haben.

Freilich war es nicht Schuhbecks Geld, sondern das seiner vielen mehr und weniger prominenten Freunde, das spurlos verschwand. Der Gastronom hatte diesen über Jahre hinweg Anlagen mit traumhaften Renditen vermittelt - doch die blieben aus. Als der Promi-Koch die ihm anvertrauten Millionen nicht mehr zurückzahlen konnte, half Bertram ihm aus: Die wegen der mysteriösen Tode ihrer Männer als Schwarze Witwe bekannte Pensionärin soll Schuhbeck überzeugt haben, sie könne 100 Millionen an gebunkerten SED-Geldern besorgen. Voraussetzung seien lediglich einige Millionen, um die Gelder freizubekommen. Und so begab sich Schuhbeck erneut auf die Suche nach Barem.

Wer letztendlich wen betrog, konnte Ende der neunziger Jahre nicht endgültig ermittelt werden. Denn bereits wenige Stunden nach ihrer Verhaftung erhängte sich die damals 64-jährige Bertram mit einem Stoffband an ihrem Zellenfenster.

Foto: dpa

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Tatort Robert-Koch-Straße

Sein Chauffeur fand ihn im Flur vor seinem Schlafzimmer am Boden. Um seinen Hals war noch das Kabel gewickelt, mit dem ihn ein Stricher erdrosselt hatte. Minuten später sperrte die Polizei den Bungalow in der Robert-Koch-Straße 11 in Grünwald mit rot-weißen Bändern ab. Die Sonderkommission konnte den Täter bald fassen: Rudolph Moshammer soll seinen Mörder Ali Abdullah am Tatabend nahe des Hauptbahnhofs angesprochen haben, um ihn für sexuelle Dienste zu kaufen.

Für den Modezaren, der als Kitschimitat des bayerischen Königs Ludwig II. Sehnsüchte nach Glanz und Gloria bedient hatte, war das der übliche Weg, seiner Vorliebe für junge Männer nachzugehen. Doch diesmal endete die Begegnung tödlich. Der Täter wurde im November 2005 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Moshammer hinterließ keine Verwandten, nur Daisy, sein treues Schoßhündchen. Die Öffentlichkeit reagierte bestürzt über den plötzlichen Tod, tausende Münchner pilgerten zu Mosis Grab auf dem Ostfriedhof. Das Interesse an Erinnerungsstücken des Ermordeten ist bis heute ungebrochen - gerade erst lockte eine Oper über Mosi zahlreiche Münchner an.

Foto: dpa

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Tatort Baaderstraße

Auf den ersten Blick haben Charlotte Böhringer und Ursula Herrmann nicht viel gemeinsam. Die eine war Besitzerin eines Parkhauses, Millionärin und pflegte einen aufwendigen Lebensstil. Die andere war Schülerin und gerade mal zehn Jahre alt, als sie starb. Böhringer wurde 2006 in dem Penthouse über ihrer Parkgarage in der Baaderstraße brutal erschlagen, Hermann bereits 1981 erstickt und zwischen Schondorf und Eching in einer Kiste vergraben.

Was die beiden Toten verbindet, ist eine mysteriöse Spur. In Böhringers Wohnung war an einem Glas und einer Kommode DNS-Material entdeckt worden, das identisch ist mit dem aus dem Fall Ursula Herrmann. Laut Gericht gibt es jedoch keinerlei Hinweis auf einen Zusammenhang der Fälle.

Die Macht der Indizien im Prozess gegen Böhringers Neffen Bence T. führte schließlich nach mehr als 15 Monaten und 93 Verhandlungstagen zur Verurteilung. Bence T. habe sich als Nachfolger von Böhringer gefühlt und seine "Lebensplanung" darauf abgestellt, die Parkgarage zu übernehmen und ein üppiges Erbe anzutreten. Dieser Plan sei in Gefahr geraten, als die Tante entdeckte, dass er sein Jura-Studium abgebrochen hatte, entschied das Gericht. Bence T. hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Woher die Hermann-Spur am Tatort Böhringer stammt, ist bis heute nicht geklärt.

Foto: Haas/Heddergott

(sueddeutsche.de/sonn/jja)

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