Sozialwohnungsvergabe:Verloren ohne Netz

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Eigentlich sollten gerade soziale Leistungen der Stadt allen zugänglich sein. Mit der neuen Wohnungsvergabe klappt das aber überhaupt nicht

Von Sven Loerzer

Grundsätzlich war es ja keine schlechte Idee, das Verfahren zur Vergabe von Sozialwohnungen zu modernisieren. Das Sozialreferat wollte sich dabei an dem großen Vorbild der Internet-Plattform Immobilienscout24 orientieren, die verspricht, dass man "einfach, effizient und stressfrei Wohnungen" mieten kann. Nach mehrjähriger Vorarbeit startete die Stadt im Herbst "Sowon", "Soziales Wohnen online", die schlichte Version eines Immobilienportals für Bedürftige. Für die Onlinevergabe investierte die Stadt nicht wenig Geld, knapp sechs Millionen Euro.

Das Programm sollte Menschen, die wegen ihres kleinen Einkommens berechtigt sind, eine Sozialwohnung zu mieten, schneller einen Überblick ermöglichen, welche Wohnungen frei sind. Und auch dafür sorgen, dass Sozialwohnungen schneller wieder vermietet sind, weil sich die Interessenten vorher ein Bild machen können und selbst entscheiden, ob sie sich bewerben wollen. Wer sich aktiv um eine bestimmte Wohnung bewirbt, wird wohl kaum einen Rückzieher machen, wenn er tatsächlich den Zuschlag erhält. Früher mussten bis zu zwölf Wohnungssuchende angeschrieben werden, bis es endlich zum Abschluss eines Mietvertrages kam. Oft passte den Berechtigten die Lage oder die Ausstattung der vorgeschlagenen Wohnung nicht.

Nun gibt es aber ein ganz anderes Problem, vor dem Kritiker von Anfang an warnten: Menschen, die weder über Computer noch Internetzugang verfügen, sind zunächst einmal ausgeschlossen. Manche Senioren bitten deshalb in den Alten- und Servicezentren um Hilfe bei der Wohnungssuche. Und rund 40 Prozent der Senioren, die berechtigt sind, eine Sozialwohnung zu erhalten, haben Sowon noch nicht einmal benutzt, so hat sich jetzt herausgestellt. Dass ein Teil der Suchenden ausgegrenzt sein könnte, bestritt Sozialreferentin Dorothee Schiwy noch bei der Vorstellung des Programms. Auch sozial Schwache setzten ihre Prioritäten zumeist so, dass sie Internet zur Verfügung hätten, unterstellte sie. Inzwischen denkt das Sozialreferat darüber nach, einen Hilfsdienst einzurichten, der ins Haus kommen soll. Dabei wäre es gerade Aufgabe des Sozialreferats gewesen, von Anfang an darauf zu achten, dass Schwächere die gleichen Chancen haben - gerade eben auch beim Zugang zu Sozialleistungen.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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